Perspektive

Der Morgen danach

Zeichen setzen: Schwert im Sand Foto: fotolia

Perspektive

Der Morgen danach

Wie wir die Energie der Festtage in den Alltag hinüberretten können

von Daniel Naftoli Surovtsev  18.04.2011 16:04 Uhr

Wie auch andere jüdische Feiertage hat Pessach eine bestimmte Energie. Die Frage ist, wie wir sie nach dem Sederabend und den Tagen von Chol Hamoed bewahren können. Denn irgendwie ist es wie nach einer tollen Party. Noch während der Feier empfand man berauschende und bestärkende Energie, war fröhlich, euphorisch, fast etwas vergeistigt. Doch irgendwann ist alles vorbei. Die Musik ist aus, die Gäste sind gegangen. Zurück bleiben Abwasch, Müll und die Kopfschmerzen am Morgen danach.

Geistigkeit und erhobene Gefühle kommen unangekündigt. Und gehen auch wieder so. Danach bleiben geistige Leere und negative Empfindungen. Haben Sie sich auch schon mal gefragt, was man dagegen tun kann? Wie kann man die schönen Gefühle und das Gespür für das Höhere auch später noch empfinden?

Dazu passt die Geschichte von König Saul, der demjenigen seine Tochter als Braut versprach, der Goliath töten würde. David, der zukünftige König des jüdischen Volkes, besiegte den Riesen. Aber Saul hielt sein Versprechen nicht und ließ seine Tochter einen Mann Namens Palti heiraten.

Schwert Palti wusste, dass in Wirklichkeit die Tochter Sauls die Frau Davids ist, deswegen steckte er ein Schwert in die Erde und sagte: »Derjenige, der ehelichen Pflichten gegenüber Sauls Tochter nachgehen wird, wird mit diesem Schwert getötet«. Selbstverständlich meinte er damit sich selbst. So näherte sich Palti sein ganzes Leben lang nicht der Tochter Sauls, obwohl sie seiner Meinung nach seine legitim angetraute Frau war.

Bevor wir erläutern, was diese Geschichte mit unseren Fragen zu tun hat, nochmals zurück zum Sederabend: Das Konzept, das wir dabei an unsere Kinder weitergeben, besteht darin, dass unser Volk in Ägypten die größte Offenbarung erfuhr und sich wünschte, das Volk des Allmächtigen zu werden. So zogen wir aus Mizrajim. Nicht nur die historische Information dieses Tagen soll mitgeteilt werden, eher sollen wir unsere Gefühle schildern.

Dabei ist wichtig, warum wir vom Seder, also der »Ordnung«, sprechen. Alles, was sich in dieser Nacht ereignet hat, sind Wunder, die man doch unmöglich »Ordnung« nennen kann! Sfas Emes, der Gerrer Rebbe (1847–1905) sagt, dass Transzendenz, Sittlichkeit und Geistigkeiten unserem Volk an der Tagesordnung sind. Die Aufgabe des Seders ist, sie zu sehen und zu verstehen, sie »normal« zu machen und in unser Leben einzufügen.

Wunder Als die Israeliten in Mizrajim waren, vollbrachte der Allmächtige Wunder für sie, ohne dass sie sich bemühen mussten. Den ersten Teil des Geistigen erhielten die Israeliten also wie ein Geschenk des Himmels. Am Roten Meer aber, sagt der Midrasch, wich das Wasser nicht, bis sie so tief hineingingen, dass es ihnen »bis zu den Nasenlöchern« reichte. Die Israeliten hatten also den ersten Schritt getan, um den nächsten Teil der Wunder zu erhalten. Und danach verweilte das Volk Israel 49 Tage in der Wüste, wo man schon allein an sich selbst arbeiten musste, um sich so auf das größte Wunder – die Tora – vorzubereiten.

Es sind also drei Etappen, die wir an Pessach hinter uns bringen sollen: die Geistigkeit spüren, den praktischen Schritt tun und die Geistigkeit in sich schützend aufbewahren.

Jetzt kommen wir noch einmal zu Palti. Sein Schwert ist ein Zeichen. Wenn jemand geistige Höhen erklommen hat, sollte er sich ein persönliches Zeichen machen, das ihn an diesen Aufstieg erinnert. Und man soll das, was man dabei erfahren und erhalten hat, immer wieder beleben. Wenn man dies nicht tut, vergeht es.

In diesem Sinne hat Palti gehandelt. Als ihn die Begierde packte, mit der Frau zu sündigen und er darüber siegte, machte er sich ein Zeichen – er steckte das Schwert in die Erde und es erinnerte ihn stets daran.

Während des Pessachfestes besteht unsere Aufgabe darin, in den Geboten dieser Tage Symbole der hohen Geistigkeit unseres Volkes beim Auszug aus Ägypten zu erblicken. Wir müssen diese besonders intensiv erleben. Wenn wir das erreichen, können wir auch nach Pessach – wenn sozusagen die Party vorüber ist – die Geistigkeit bewahren und nutzen. Ohne Leere, Kopfschmerzen und Kummer.

Der Autor ist Student des Rabbinerseminars zu Berlin.

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Rosch Haschana

Jüdisches Neujahrsfest: Bischöfe rufen zu Verständigung auf

Stäblein und Koch betonten in ihrer Grußbotschaft, gerade jetzt dürfe sich niemand »wegducken angesichts von Hass und Antisemitismus«

 16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  17.09.2025 Aktualisiert

Ki Tawo

Echte Dankbarkeit

Das biblische Opfer der ersten Früchte hat auch für die Gegenwart eine Bedeutung

von David Schapiro  12.09.2025

Talmudisches

Schabbat in der Wüste

Was zu tun ist, wenn jemand nicht weiß, wann der wöchentliche Ruhetag ist

von Yizhak Ahren  12.09.2025

Feiertage

»Zedaka heißt Gerechtigkeit«

Rabbiner Raphael Evers über Spenden und warum die Abgabe des Zehnten heute noch relevant ist

von Mascha Malburg  12.09.2025

Chassidismus

Segen der Einfachheit

Im 18. Jahrhundert lebte in einem Dorf östlich der Karpaten ein Rabbiner. Ohne je ein Werk zu veröffentlichen, ebnete der Baal Schem Tow den Weg für eine neue jüdische Strömung

von Vyacheslav Dobrovych  12.09.2025

Talmudisches

Stillen

Unsere Weisen wussten bereits vor fast 2000 Jahren, was die moderne Medizin heute als optimal erkennt

von David Schapiro  05.09.2025

Interview

»Die Tora ist für alle da«

Rabbiner Ethan Tucker leitet eine Jeschiwa, die sich weder liberal noch orthodox nennen will. Kann so ein Modell auch außerhalb New Yorks funktionieren?

von Sophie Goldblum  05.09.2025