Neulich beim Kiddusch

Der falsche Rabbi

Ohne Smicha: Louis de Funès in dem Spielfilm »Die Abenteuer des Rabbi Jakob« (Frankreich 1973) Foto: cc

In einigen Synagogen in den USA wird man mit offenen Armen empfangen. Es gibt sogar spezielle Begrüßer. Sie halten nach neuen Gesichtern Ausschau, stellen sich selbst und die Gemeinde kurz vor, erkundigen sich höflich nach dem Gast und suchen dann einen passenden Stammbeter, zu dem der Besucher platziert wird. So knüpft man schnell Kontakt und kommt vielleicht sogar wieder.

Das ist freundlich, aber machen wir uns nichts vor, die Gemeinden machen das, weil sie auf zahlende Mitglieder angewiesen sind. Und die kommen nur, wenn man ihnen Aufmerksamkeit schenkt. Oft denke ich darüber nach, wie das wohl wäre, wenn sich das auch in Deutschland durchsetzen könnte und man auf »Begrüßer« träfe, die ein wenig so tun, als sei man für einen kleinen Moment eine wichtige Person. Ganz nah dran war ich vor einigen Wochen.

Schon beim Eintritt in den Vorraum zur Synagoge wurde ich freundlichst begrüßt. Viele Männer gaben mir die Hand, einer wies vorsichtig darauf hin, dass gerade schon Mincha sei und Kabbalat Schabbat jeden Moment starten würde.

Schlafanzug Nach mir kam ein Mann in den Vorraum, der mir schon im Hotel aufgefallen war. Er hatte dort lautstark mit der Frau an der Rezeption diskutiert und mit der kleinen Plastikkarte unter ihrer Nase herumgewedelt. Es sah aus als trüge er das Oberteil eines Frottee-Schlafanzugs unter dem Sakko. Aber er war nur schlecht gekleidet.

Er sah ein wenig so aus, als habe jemand einer großen Gurke ein Jackett übergeworfen. Vielleicht wegen des »Schlafanzugs« hielt man sich bei seiner Begrüßung ein wenig zurück. Da ich ihn aus dem Hotel kannte, nickte ich kurz zu ihm hinüber. Er war immer noch außer sich. »Haben Sie schon mal versucht, die Plastikkarte in den Schabbesgürtel zu klemmen?«, polterte er.

In der Synagoge waren schon etliche Männer versammelt und beteten. Dennoch stand der Vorsitzende auf (ich kannte sein Gesicht aus dem Internet), gab mir die Hand und führte mich zu meinem Platz direkt neben ihm.

Schabbes-Gast Das nannte ich gastfreundlich. Er stand kurz auf, tippte den Vorbeter an, woraufhin der sich umdrehte und herunterstieg, um mir die Hand zu schütteln. Ich war sehr berührt, dass es Synagogen gibt, in denen man zu Fremden derart freundlich ist. Den Herrn im »Schlafanzug« hatte ich aus den Augen verloren, er saß wohl etwas abseits.

Immer wieder betraten Beter die Synagoge. Jeder kam zu mir und reichte mir, dem Schabbes-Gast, die Hand. So etwas hatte ich noch nie erlebt.

Nach dem Gebet musste ich erneut alle Hände schütteln und wurde langsam in den Gemeindesaal geschoben. Natürlich durfte ich beim Kiddusch auch beim Vorsitzenden und seiner Familie sitzen. Alle waren sehr freundlich zu mir. Mein Teller wurde gefüllt, noch bevor ich überhaupt saß.

Der Vorsitzende stand auf, legte mir seine Hand väterlich auf die Schulter und sagte: »Der geschätzte Rabbiner Feldstajn, der sich heute in unserer Gemeinde vorstellt, wird nun die Ehre haben, den Kiddusch zu sprechen.« Alle Augen blickten auf mich. In diesem Moment dämmerte mir, wer der Herr im »Schlafanzug« war.

Schofar

Ein Klang, der alle Mauern sprengt

Zur Geschichte und Bedeutung des heiligen Instruments am Neujahrsfest

von Rabbiner Elischa Portnoy  11.10.2024

Israel

Töne aus dem Widderhorn

Avi Mischan stellt in einem Gewerbegebiet in Rischon LeZion in fünfter Generation Schofarot her

von Andrea Krogmann  11.10.2024

Einführung

Jom Kippur für Anfänger

Was Jüdinnen und Juden beachten sollten, um den Versöhnungstag erträglicher zu gestalten

von Rabbiner Elischa Portnoy  11.10.2024 Aktualisiert

Versöhnungstag

Ein Schritt ins Allerheiligste

Was der Empfang der Tora am Sinai mit Jom Kippur zu tun hat

von Chajm Guski  11.10.2024

Jom Kippur

Von Vätern und Königen ...

.... und der immerwährenden Hoffnung, im Buch des Lebens zu stehen

von Chiara Lipp  11.10.2024

Jom Kippur

»Fasten kann sogar Glückshormone freisetzen«

Der Verzicht am heilisten jüdischen Feiertag hat nicht nur spirituelle Wirkung: Die Ärztin Yael Adler erklärt, was dabei im Körper passiert

 11.10.2024

Machsor

Kommen Sie gut durch!

An keinem anderen Tag wird so lange und intensiv gebetet wie an Jom Kippur. Dieser Text hilft, sich in der Liturgie zu orientieren

von Rabbiner Avraham Radbil  11.10.2024

Berlin

Zu Besuch in Deutschlands einzigem koscheren Hotel

Ilan Oraizers King David Garden Hotel ist ein Unikum in der Bundesrepublik

von Nina Schmedding  11.10.2024

Israel

Weiter keine Entscheidung über neuen Oberrabbiner

Der neue aschkenasische Oberrabbiner Israels wird erst Ende des Monats in einer Stichwahl gewählt

 10.10.2024