Talmudisches

Demenz in der Antike

Demenz ist heutzutage eine weit verbreitete Erkrankung. Foto: Getty Images/iStockphoto

Demenz ist heutzutage eine weit verbreitete Erkrankung. Sie tritt nicht unbedingt nur in einem höheren Lebensalter auf. Und wir können davon ausgehen, dass dies kein neues Phänomen ist. Im Talmud finden wir zwar noch keine Bezeichnung dafür, aber es werden bestimmte Symptome beschrieben. So beschäftigen sich die talmudischen Weisen an zahlreichen Stellen mit Fällen von Verwirrtheit und mit Einschränkungen der Zurechnungsfähigkeit, ob nun als vorübergehendem oder als dauerhaftem Zustand.

Dabei steht für sie weniger die Ursache als vielmehr die Auswirkung des gesundheitlichen Problems im Fokus. Interessant wird dies vor allem bei Fragen nach der Geschäftsfähigkeit. Wer kann eine gültige Zeugenaussage machen? Wann ist ein Kauf oder ein Verkauf ungültig, wann sind Geschäfte rechtskräftig? Wie steht es mit Eheschließung und Scheidung? Und wer ist verpflichtet, sich um jemanden zu kümmern, der oder die selbst keine rechtskräftigen Handlungen mehr tätigen kann?

VERTRÄGE Ohne Weiteres ist verständlich, dass ein Mensch im Zustand der Verwirrtheit keine verlässliche Zeugenaussage tätigen und auch keine auf Personen- oder Besitzstand bezogenen Verträge unterzeichnen kann. Dies zu seinem eigenen Schutz, denn es ist anzunehmen, dass er die Konsequenzen nicht in voller Tragweite absehen kann. Aber wie ist das bei einer Person, die nicht ständig verwirrt ist?

In Ketubot 20a sowie in Jevamot 31a wird das Beispiel eines Mannes erörtert, der Bar Schatja genannt wird. So heißt er allerdings nicht, sondern das bezeichnet jemanden, der zeitweise nicht zurechnungsfähig ist.

Nehmen wir an, dieser Mann hat etwas aus seinem Besitz verkauft, und zwei Zeugen bestätigen, dies sei zu einer Zeit geschehen, als er vollständig einsichtig in sein Handeln war. Aber zwei andere Zeugen sagen, das sei er eben nicht gewesen zur Zeit des Verkaufs. Hier wird es jetzt schwierig. Der Verkauf wäre ja rechtskräftig, wenn der Verkäufer zu dieser Zeit geschäftsfähig war. Wenn sich die Zeugen aber widersprechen und nicht feststeht, wie es nun tatsächlich war, wie soll man entscheiden?

Die Gemara besagt: War es ein beweglicher Gegenstand, ist der Verkauf gültig. Der Käufer behält den Gegenstand, und der Verkäufer erhält das Geld dafür. War es aber ein Grundstück, dann soll es beim Verkäufer bleiben, und der Käufer bekommt sein Geld zurück. Dies gilt aber nur, wenn der Verkäufer, verwirrt oder nicht, das Grundstück geerbt hat. Denn wenn er es selbst gekauft hat, dann wäre bereits fraglich, ob der damalige Kauf überhaupt rechtsgültig war.

FÜRSORGEPFLICHT Letztlich obliegt damit dem Gericht eine Fürsorgepflicht für Personen, deren Einsichtsfähigkeit eingeschränkt ist. Der gleiche Gedanke liegt auch der Vorschrift zugrunde, dass sich ein Ehemann nicht einfach von seiner Frau scheiden und sie damit hilflos sich selbst überlassen kann, wenn diese nicht mehr im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ist (Jevamot 14,1). Umgekehrt wäre eine Frau aber auch dann hilfsbedürftig, wenn nicht sie, sondern der Ehemann seine geistige Gesundheit verliert.

Hier war das Gericht verpflichtet, den Mann unter rechtliche Betreuung zu stellen und an dessen Stelle die Versorgung der Familie zu gewährleisten (Ketubot 48a). Freilich geschah dies in talmudischen Zeiten aus dem Verständnis heraus, dass die Frau damals nicht eigenständig die rechtliche Betreuung einschließlich der Vermögenssorge übernehmen konnte.

Einen interessanten Sachverhalt schildert Ketubot 72a. Nämlich: wenn ein Ehemann seine Frau dazu zwingen will, völlig unsinnige Dinge zu tun, wie zum Beispiel zehn Krüge voll Wasser zu schöpfen und sie dann auf den Müll zu schütten. Die talmudische Diskussion geht zwar auf die Beweggründe des Mannes nicht weiter ein, doch handelt es sich hier vermutlich um eine beginnende Demenz.

Sukka

Gleich gʼttlich, gleich würdig

Warum nach dem Talmud Frauen in der Laubhütte sitzen und Segen sprechen dürfen, es aber nicht müssen

von Yizhak Ahren  06.10.2025

Chol Hamo’ed Sukkot

Dankbarkeit ohne Illusionen

Wir wissen, dass nichts von Dauer ist. Genau darin liegt die Kraft, alles zu feiern

von Rabbiner Joel Berger  06.10.2025

Tradition

Geborgen unter den Sternen

Mit dem Bau einer Sukka machen wir uns als Juden sichtbar. Umso wichtiger ist es, dass wir unseren Nachbarn erklären können, was uns die Laubhütte bedeutet

von Chajm Guski  06.10.2025

Sukkot

Fest des Vertrauens

Die Geschichte des Laubhüttenfestes zeigt, dass wir auf unserem ungewissen Weg Zuversicht brauchen

von Rabbinerin Yael Deusel  06.10.2025

Sarah Serebrinski

Sukkot: Freude trotz Verletzlichkeit

Viele Juden fragen sich: Ist es sicher, eine Sukka sichtbar im eigenen Vorgarten zu bauen? Doch genau darin – in der Unsicherheit – liegt die Botschaft von Sukkot

von Sarah Serebrinski  05.10.2025

7. Oktober

Ein Riss in der Schale

Wie Simchat Tora 2023 das Leben von Jüdinnen und Juden verändert hat

von Nicole Dreyfus  05.10.2025

Übergang

Alles zu jeder Zeit

Worauf es in den vier Tagen zwischen Jom Kippur und Sukkot ankommt

von Vyacheslav Dobrovych  03.10.2025

Kirche

EKD: Gaza-Krieg nicht zum Anlass für Ausgrenzung nehmen

Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs: »Offene und gewaltsame Formen des Antisemitismus, besonders in Gestalt israelbezogener Judenfeindschaft, treten deutlich zutage«

 03.10.2025

Ha’asinu

Mit innerer Harmonie

Nur wer sich selbst wertschätzt und seine Fähigkeiten kennt, kann wirklich wachsen

von Abraham Frenkel  03.10.2025