Korach

Augen auf!

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In unserem Wochenabschnitt geht es um Korachs Angriff auf die Autorität und Führung von Mosche und Aharon. Korach führt mit seinen Leuten eine Rebellion gegen die beiden an – das Ergebnis ist bekannt, es ist katastrophal. G’tt bestraft den Putschversuch und lässt Korach, seine Anhänger und ihre Familien vom Erdboden verschlingen: »Sie und all die ihrigen sanken lebend in die Sche’ol (die Unterwelt), die Erde bedeckte sie, und sie verschwanden aus der Gemeinde« (4. Buch Mose 16,33).

Andere Aufwiegler werden durch ein himmlisches Feuer verzehrt. Doch auch danach gärt es unter den Kindern Israels. Sie bleiben unzufrieden. Es folgt eine Seuche unter ihnen, die von Aharon beendet wird.

prototyp Über diese Ereignisse wurde im Laufe der Jahrhunderte viel geschrieben. Es entstanden zahlreiche Kommentare zu Korach, dem Prototyp eines Demagogen und Aufrührers. Dabei ist bemerkenswert, dass die Tora uns keine Kostprobe seiner rhetorischen Fähigkeiten gibt. Wir erfahren lediglich von seinem Hauptargument: Alle seien heilig, also das gesamte Volk Israel.

Wir lesen über die Aufrührer: »Und sie versammelten sich gegen Mosche und Aharon und sprachen: Zu viel für euch! Die ganze Gemeinde ist heilig, denn unter ihnen ist der Ewige. Warum erhebt ihr euch über die Versammlung des Ewigen?« (4. Buch Mose 16,3).

Anschließend spricht Mosche. Doch von Korach ist kein eigener Satz überliefert. Für »sie« wird eine Person sprechen – doch wer das ist, verrät uns die Tora nicht.

MITSTREITER Wenden wir uns nun denjenigen zu, die Korach und seine Mitstreiter Datan, Awiram und 250 weitere Männer ermöglicht haben, denn die Tora sagt mit »sie sprachen«, dass alle dahinterstanden.
Wer ermöglicht eine solche Revolte? Alle. Die »Gemeinde«. Das wird dadurch deutlich, dass nicht nur eine Interessengruppe aktiv ist. Korach aus dem Stamm Levi geht es um die Privilegien der Kohanim, der Priester. Datan und Awiram, die aus dem Stamm Re’uven kommen, scheint es hingegen um politischen Einfluss zu gehen.

Die Vorgänge fanden in der Gemeinde, also in aller Öffentlichkeit, statt. Daher will G’tt die »gesamte Gemeinde« bestrafen. In Vers 16,21 heißt es, an Mosche und Aharon gerichtet: »Sondert euch ab von dieser Gemeinde« (hebräisch: mitoch haEda), »und ich will sie vertilgen im Nu.«

Mosche und Aharon wollen dies jedoch abwenden. »Da fielen sie auf ihr Angesicht und sprachen: Allmächtiger, G’tt der Geister in allem Fleische! Der eine Mann sündigt, und über die ganze Gemeinde wolltest du zürnen?« (16,22)

MINJAN Der erste Satz wird im Talmud zitiert, um den Minjan zu begründen, also jene Mindestanzahl von Juden, die für ein öffentliches Gebet nötig ist und den Namen G’ttes heiligen darf. Ohne Minjan keine Toralesung und kein Kaddisch. Im Allgemeinen definiert der Minjan halachisch die Öffentlichkeit im Gegensatz zum Einzelnen. Der Vorbeter wird dementsprechend Schaliach Zibbur, Abgesandter der Öffentlichkeit, genannt.

Der Talmud (Megilla 23b) vergleicht das Wort »Eda«, das oft mit »Versammlung« oder »Gemeinde« übertragen wird, mit dem Toravers, in dem die Kundschafter, die das Land Israel auskundschaften sollten, mit demotivierenden Nachrichten zurückkehrten. Sie werden dort als eine »böse Versammlung (Eda)« bezeichnet (4. Buch Mose 14,27).

Wie viele Kundschafter waren es? Zehn Kundschafter waren es, und deshalb wurde daraus geschlussfolgert, dass zehn die Zahl ist, die aus einer losen Gruppe eine Gemeinde formt. Das Wort »Eda« begegnet uns im Abschnitt Korach häufig. Manchmal auch das Wort »Kahal«, das in der deutschen Übersetzung auch meist mit »Gemeinde« übersetzt wird. Man könnte meinen, sie seien synonym.

übersetzer Das wird für den Übersetzer dann interessant, wenn die Begriffe nicht nur abwechselnd verwendet werden, sondern auch in demselben Satz. Wie etwa im 4. Buch Mose 20,2: »Da fielen Mosche und Aharon auf ihr Angesicht vor der Kahal, der Eda, der Kinder Israels.«

Der Unterschied zwischen den beiden Begriffen, für die wir nur eine Übersetzung haben, ist nicht unwichtig. »Kahal« ist eine Gruppe von Menschen ohne Beziehungen zueinander. Sie gehören ganz einfach zu einer Gruppe. Sie sind wenig organisiert.

So wird das Wort bei der Geschichte vom Goldenen Kalb (2. Buch Mose 32,1) verwendet. Hier haben sich die Ereignisse anscheinend organisch entwickelt. Das Wort »Eda« steht für eine organisierte Gruppe mit einer Struktur oder Identität. Auf diese Weise wird der Vers, der zu Beginn (16,33) zitiert wurde, interessant, denn wir lassen das Wort »Gemeinde« nun unübersetzt, wir kennen das Konzept dahinter: »Sie und all die ihrigen sanken lebend in die Sche’ol. Die Erde bedeckte sie, und sie verschwanden aus der Kahal.«

EDA Die Tatsache, dass am Ende der eindrucksvollen Ereignisse die Kinder Israels noch in großer Zahl murrten – »Da murrte die ganze Gemeinde (Eda) der Kinder Israels am folgenden Tag gegen Mosche und Aharon und sprach: Ihr habt das Volk des Ewigen getötet!« (17,6) –, zeigt, dass der Aufstand im Volk entstand.

Auch diejenigen, die nicht aktiv handelten, müssen davon Kenntnis gehabt und gewusst haben, dass etwas geschehen wird. Deshalb war es nicht die Angelegenheit weniger oder gar nur die von Korach.

Die Tatsache, dass die Tora das Wort »Eda« hier so häufig verwendet, weist uns darauf hin, dass zuweilen ungute Dinge vor den Augen der Öffentlichkeit geschehen und deshalb erst möglich werden. Es ist an uns, die Augen und Ohren nicht zu verschließen, damit in der Mitte der Gemeinde nichts Schlechtes entstehen kann.

Der Autor ist Mitglied der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen.

inhalt
Korach und seine Anhänger Datan und Awiram rebellieren gegen die beiden Anführer Mosche und Aharon. Der Ewige selbst bestraft den Putschversuch und lässt sowohl Korach als auch seine Anhänger vom Erdboden verschlingen. Andere Sympathisanten Korachs werden durch ein himmlisches Feuer verzehrt. Dennoch herrscht Unmut unter den Israeliten. Darauf folgt eine Seuche, die von Aharon beendet wird. Um seine Position an der Spitze zu verdeutlichen, sollen die Anführer jedes Stammes ihren Stab ins Stiftszelt bringen. Und siehe da: Aharons Stab treibt Blüten.
4. Buch Mose 16,1 – 18,32

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