Talmudisches

»Arbeiter zweimal, Eseltreiber einmal in der Woche«

Von den Pflichten eines Ehemannes

von Yizhak Ahren  27.03.2017 18:22 Uhr

Die Frau eines Matrosen weiß, dass ihr Mann mehrere Monate auf See sein kann. Foto: Thinkstock

Von den Pflichten eines Ehemannes

von Yizhak Ahren  27.03.2017 18:22 Uhr

Talmudische Texte sind nicht prüde, aber sie sind auch nie ordinär. Angelegenheiten des Sexuallebens werden offen und sachlich besprochen, und zwar in einer sehr dezenten Sprache. So heißt es im Talmud sogar an zwei Stellen: »Jeder weiß, wozu die Braut unter den Baldachin geführt wird. Doch wer seinen Mund beschmutzt und Schändliches aus seinem Mund hervorbringt, dem wird, selbst wenn ihm ein 70-jähriger Beschluss zum Guten besiegelt war, derselbe zum Bösen verwandelt« (Schabbat 33a und Ketubot 8b).

Wie zu erwarten, erwähnt Maimonides, der Rambam (1135–1204), in seinem halachischen Kodex auch zahlreiche Fragen, die mit Sexualität zu tun haben. Bemerkenswert ist, dass derjenige, der Maimonides’ Hilchot Deot (Sittenlehren) ins Deutsche übersetzte, mehrere Stellen zensiert hat. Zur Begründung schreibt er: »Dieser Absatz enthält Vorschriften und Ratschläge auf dem Gebiet des ehelichen Lebens, die sich zur populären Wiedergabe in deutscher Sprache nicht eignen.«

Eheleben Die Tora behandelt sämtliche Bereiche des Lebens, und daher ist natürlich auch vom Eheleben die Rede. Eine der 613 Mizwot betrifft die Pflichten eines Ehemannes seiner Frau gegenüber: »Nimmt er sich auch eine andere, so darf er ihre Kost, ihre Gewandung und den Umgang mit ihr nicht schmälern« (2. Buch Mose 21,10).

Rambam erklärt, unter »Umgang mit ihr« (hebräisch: Onata) sei der Geschlechtsverkehr gemeint. Nach der Tora ist die Befriedigung der sexuellen Bedürfnisse seiner Frau die Pflicht des Mannes! Dies ist sogar einklagbar (Hilchot Ischut 14,15).

In der Mischna (Ketubot 5,6) wird die Frage nach der Häufigkeit des Intimverkehrs behandelt: »Die in der Tora genannte Gattenpflicht ist: Müßiggänger täglich, Arbeiter zweimal wöchentlich, Eseltreiber einmal wöchentlich, Kamelführer einmal in 30 Tagen, Seeleute einmal in sechs Monaten.« Aus dieser Mischna geht eindeutig hervor, dass es keine verbindliche Norm für alle Ehemänner gibt; individuelle Umstände sind zu berücksichtigen. So muss eine Frau, die einen Kamelführer geheiratet hat, damit rechnen, dass ihr Ehemann nicht jede Woche nach Hause kommt, da er beruflich unterwegs ist. Und die Frau eines Matrosen weiß, dass ihr Mann mehrere Monate auf See sein kann.

Beruf Im Talmud (Ketubot 62b) wird die Frage aufgeworfen: »Wie ist es, wenn ein Eseltreiber Kamelführer wird?« Will sagen: Darf der Mann seinen Beruf wechseln, um mehr Geld zu verdienen, auch wenn seine Ehefrau dadurch weniger Sex haben wird?

Die Halacha legt fest (Hilchot Ischut 14,2), dass ein Berufswechsel in der Regel nur mit Zustimmung der Frau erfolgen darf. Ihre sexuellen Bedürfnisse sind zu berücksichtigen. Ausnahme von der Regel ist ein Mann, der Toragelehrter werden möchte. An diesem lobenswerten Vorhaben kann seine Ehefrau ihn nicht hindern, auch wenn sie dadurch auf etwas weniger Sex Anspruch hat.

Was geschieht, wenn ein Mann seiner Pflicht nicht nachkommt? Tut er dies, um seiner Ehefrau Kummer zu bereiten, übertritt er die oben genannte Mizwa und hat schwerwiegende Konsequenzen zu tragen. Ist er krank oder impotent geworden, so erhält er eine Frist von sechs Monaten zur Genesung. Danach muss er entweder das Einverständnis der Frau zur Enthaltsamkeit erhalten oder er gibt ihr eine Scheidungsurkunde (Hilchot Ischut 14,7).

scheidebrief Rabbiner Mosche Feinstein (1895–1986) hatte den Fall eines Mannes zu erörtern, der schon bei der Eheschließung impotent war und seiner getäuschten – und enttäuschten! – Frau keinen Scheidebrief geben wollte. Feinstein entschied (Igrot Mosche, Even HaEser Band 1, Nr. 79), dass die Eheschließung auf einem Irrtum beruhte und die Frau daher nicht an den Impotenten gebunden sei.

Sind die in der Mischna genannten Zeiten noch gültig? Die Lebensumstände der Menschen und ihre Erwartungen haben sich seitdem erheblich geändert, dadurch entfällt die Berechnungsgrundlage des Talmuds. In unseren Tagen kommen zum Beispiel Seeleute viel häufiger nach Hause als in der talmudischen Zeit, die alte Regelung macht daher keinen Sinn mehr.

Sogar bei Schriftgelehrten hat sich die Mindesthäufigkeit im Laufe der Geschichte geändert. Nach Maimonides (Hilchot Ischut 14,1) müssen sie einmal pro Woche mit ihrer Frau schlafen. In unserer Zeit haben Dezisoren die Gattenpflicht eines Gelehrten auf zweimal pro Woche festgesetzt (Responsa Igrot Mosche, Even HaEser Band 3, Nr. 28).

Ki Tissa

Aus Liebe zum Volk

Warum Mosche die Bundestafeln nach dem Tanz der Israeliten um das Goldene Kalb zerbrach

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  14.03.2025

Talmudisches

Der Turm in der Luft

Die Weisen der Antike diskutierten anhand eines besonderen Schranks über rituelle Reinheit

von Vyacheslav Dobrovych  14.03.2025

Purim

Doppelter Feminismus

Waschti und Esther verkörpern zwei sehr unterschiedliche Strategien des Widerstands gegen die männliche Dominanz

von Helene Braun  13.03.2025

Megilla

Wegweiser in der Fremde

Aus der Purimgeschichte leitete ein mittelalterlicher Rabbiner Prinzipien für das jüdische Überleben in der Diaspora ab, die erst in der Moderne wiederentdeckt wurden

von Rabbiner Igor Mendel Itkin  13.03.2025

Militärseelsorge

Militärrabbiner Ederberg: Offenes Ohr für Soldaten im Norden

Arbeit bei der Bundeswehr sei Dienst an der Gesellschaft insgesamt, den er als Rabbiner gerne tue, sagt Ederberg

 11.03.2025

Fest

Mehr als Kostüme und laute Rasseln: Purim startet am Donnerstagabend

Gefeiert wird die Rettung der Juden vor der Vernichtung durch die Perser

von Leticia Witte  11.03.2025

Tezawe

Kleider, die die Seele formen

Was es mit den prächtigen Gewändern der Hohepriester auf sich hat

von Rabbiner Jaron Engelmayer  07.03.2025

Talmudisches

Heilen am Schabbat

Was unsere Weisen über Notfälle und Pikuach Nefesch lehren

von Rabbinerin Yael Deusel  07.03.2025

Meinung

Übersehene Prophetinnen

Zum Weltfrauentag fordert die Rabbinatsstudentin Helene Braun mehr Sichtbarkeit für jüdische Vorreiterinnen

von Helene Braun  06.03.2025