Tora

Alt-neue Übersetzung

Rabbiner Ludwig Philippson (1811–1889) Foto: cc

Tora

Alt-neue Übersetzung

Der Herder-Verlag veröffentlicht eine überarbeitete Fassung der »Israelitischen Bibel« von Ludwig Philippson

von Chajm Guski  16.06.2015 10:49 Uhr

Im liberalen Umfeld ist eine »neue« Ausgabe der Tora herausgekommen: Der Herder-Verlag hat die Israelitische Bibel von Rabbiner Ludwig Philippson (1811–1889) neu aufgelegt. Wie einige ihrer Vorgänger wird hier eine überarbeitete Fassung einer »bewährten« Übersetzung präsentiert.

Herausgeber sind Walter Homolka, der Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs, Hanna Liss, Professorin für Bibel und Jüdische Bibelauslegung von der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, und Rüdiger Liwak, emeritierter Professor für Altes Testament an der Berliner Humboldt-Universität und derzeit Gastprofessor an der Universität Potsdam.

Original War die Originalausgabe der Philippson-Tora (später kam eine wesentlich günstigere kommentarlose »Volksausgabe« hinzu) noch ein riesiges bebildertes Werk mit Kommentar, eine Familienbibel, so geht es dieses Mal um die Übersetzung und den hebräischen Originaltext. Homolka und sein Team überarbeiteten zurückhaltend die Übersetzung von Philippson, die sich nicht im Austausch veralteter Begriffe und einer modernisierten Orthografie erschöpft.

Im Ergebnis hat der Text noch seinen alten Klang, ist aber ein wenig verständlicher. Wer den hebräischen Text auf der gegenüberliegenden Seite betrachtet, wird feststellen, dass Philippson einen anderen Übersetzungsansatz als Mendelssohn wählte.

Dieser stand auf der Grundlage einer rabbinischen Auslegung der Tora und entschied sich häufig, Begriffe gemäß der rabbinischen Auslegung zu übertragen. Philippson präferierte die Übersetzung nach dem direkten Wortsinn mit einem guten Gespür für den Lesefluss. So ersetzt er das häufige biblische »und« gern durch andere Worte wie »also«, »dann« und »da«. Im Anhang finden sich die Haftarot (Prophetenlesungen) zu den jeweiligen Wochenabschnitten und den besonderen Schabbatot.

Dieser Teil enthält auch ein Novum für deutschsprachige Ausgaben: die Haftara für Jom Haazmaut, den israelischen Unabhängigkeitstag. Statt Kommentar ist jedem der fünf Bücher der Tora ein einleitender Text vorangestellt. Dieser fasst das beginnende Buch zusammen und gibt weitere Einblicke aus Sicht der Autoren, darunter Rabbinerin Tamara Cohn Eskenazi oder Bernard M. Levinson.

Akademisch Allerdings zeigt sich in den begleitenden Texten eine gewisse Unsicherheit, an welche Leserschaft sich die Toraausgabe wendet. Die Kommentare sind akademisch brillant geschrieben, allerdings interessierten Laien nicht unmittelbar zugänglich. Welcher Schüler weiß schon, was ein »apotropäisches Ritual« (S. 258) ist? Der Verlag nennt Schüler und Familien als mögliche Zielgruppen. Auch die umfangreiche Einführung in »Ludwig Philippsons Bibelwerk« des Berliner Judaisten Klaus Hermann hat eher akademischen Charakter.

Der hebräische Text ist ebenfalls bewährt. Er stammt aus einer Ausgabe der Hebräischen Bibel von Max Me’ir Halevi Letteris (1800–1871), die ab 1851 veröffentlicht wurde. Letteris hat eine gut lesbare Schrift für seine Toraausgabe verwendet, und der Layouter des Herder-Verlags hat diese Vorlage sauber eingesetzt. Allerdings finden wir noch die alten Gliederungshinweise im hebräischen Text.

Hier heißt es »Caput 1« statt Kapitel 1, und wie im Letteris-Original gehen auch in der neuen Ausgabe die Wochenabschnitte im Text etwas unter. Sie stehen zwar oben auf den Seiten, aber im Text ist nur durch die lateinische I am Textrand erkennbar, dass hier ein neuer erster »Aufruf« beginnt, also ein neuer Wochenabschnitt.

In den vergangenen 20 Jahren hat sich im Bereich der jüdischen Toraübersetzungen einiges getan. Nach der Schoa gab es die »Rödelheimer« Ausgabe der Tora mit der Übersetzung von Wohlgemuth und Bleichrode (Erstausgabe 1899). Es gab Nachdrucke der Übersetzungen von Leopold Zunz (Erstausgabe 1837/1838), Naftali Tur-Sinai (zwischen 1934 und 1937) und die Übersetzung von Buber und Rosenzweig (ab 1925).

Orthodox Diese Ausgaben standen den kleinen jüdischen Gemeinden zur Verfügung, aber auch einem interessierten nichtjüdischen Publikum. In jüngster Zeit erschienen in der Schweiz auch die Übersetzung und der Kommentar von Samson Raphael Hirsch. Die Hirsch-Ausgaben zielten in erster Linie auf ein orthodoxes Publikum ab. Allen gemeinsam ist, dass sie alte Übersetzungen in einer neuen Form anbieten.

Ab 1999 gab auch die liberale Bewegung Übersetzungen der Tora heraus. Damals erschien der erste Band von Gunther Plauts Die Tora in jüdischer Auslegung in deutscher Übersetzung. Gunther Plauts Ausgabe ist »der« Kommentar der US-amerikanischem Reformbewegung. Grundlegender Toratext der deutschen Ausgabe war eine Überarbeitung der Übersetzung von Moses Mendelssohn durch Annette Böckler, die nahezu zeitgleich auch als gesonderter Band ohne Kommentar erschien.

Interessierte nichtjüdische und jüdische Leser werden nun neugierig sein, wie Ludwig Philippsons Ansatz sich heute liest, und dabei keine Konkurrenz zu anderen Übersetzungen finden, sondern eine Ergänzung.

Walter Homolka/Hanna Liss/Rüdiger Liwak (Hrsg.): »Die Tora. Mit Haftarot (hebräisch-deutsch) in der revidierten Übersetzung Ludwig Philippsons mit Einleitungen in die Fünf Bücher Mose und die Prophetenlesungen.« Herder, Freiburg 2015, 1168 S., 38 €

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 29.10.2025

Vatikan

Papst bedauert Krise im Dialog mit Juden - verurteilt Antisemitismus

Seit Jahren ist der Dialog des Vatikans mit dem Judentum belastet. Nun hat Leo XIV. versucht, die Dinge klarzustellen - mit einem Bekenntnis zum Dialog und gegen den Antisemitismus

von Ludwig Ring-Eifel  29.10.2025

Schwielowsee

Shlomo Afanasev ist erster orthodoxer Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg

Militärrabbiner gibt es bereits in Deutschland. Nun steigt der erste orthodoxe Rabbiner bei der Bundeswehr in Brandenburg ein

 29.10.2025

Rom

Eklat durch NS-Vergleich bei interreligiösem Kongress

Der Dialog zwischen katholischer Kirche und Judentum ist heikel. Wie schwierig das Gespräch sein kann, wurde jetzt bei einem Kongress in Rom schlagartig deutlich. Jüdische Vertreter sprachen von einem Tiefpunkt

von Ludwig Ring-Eifel  27.10.2025

Talmudisches

Das Schicksal der Berurja

Die rätselhafte Geschichte einer Frau zwischen Märtyrertum und Missverständnis

von Yizhak Ahren  24.10.2025

Schöpfung

Glauben Juden an Dinosaurier?

Der Fund der ersten Urzeitskelette stellte auch jüdische Gelehrte vor Fragen. Doch sie fanden Lösungen, das Alter der Knochen mit der Zeitrechnung der Tora zu vereinen

von Rabbiner Dovid Gernetz  23.10.2025

Noach

Ein neuer Garten Eden

Nach der Flut beginnt das Pflanzen: Wie Noachs Garten zum Symbol für Hoffnung und Verantwortung wurde

von Isaac Cowhey  23.10.2025

Rabbiner Noam Hertig aus Zürich

Diaspora

Es geht nur zusammen

Wie wir den inneren Frieden der jüdischen Gemeinschaft bewahren können – über alle Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten hinweg

von Rabbiner Noam Hertig  23.10.2025

Bereschit

Die Freiheit der Schöpfung

G’tt hat für uns die Welt erschaffen. Wir haben dadurch die Möglichkeit, sie zu verbessern

von Rabbiner Avichai Apel  17.10.2025