Talmudisches

Adams Feiertage

Erhellt die finsterste Zeit des Jahres: Chanukka-Licht Foto: Thinkstock

Talmudisches

Adams Feiertage

Wie der erste Mensch der finstersten Zeit eine religiöse Deutung gab

von Yizhak Ahren  05.12.2017 11:23 Uhr

Routinemäßig feiern wir Chanukka jedes Jahr vom 25. Kislew bis zum 2. Tewet. Wer von uns achtet darauf, dass unser Lichterfest genau in der dunkelsten Zeit unseres Jahres begangen wird? Der israelische Rabbiner Joel Bin-Nun hat in zwei Abhandlungen auf diese Tatsache aufmerksam gemacht, und er hat bei dieser Gelegenheit eine versteckte Verbindung zu Adams Feiertagen aufgedeckt, von denen der Talmud berichtet.

Nach unserem Sonnenkalender ist am 21. Dezember bekanntlich die Nacht am längsten und der Tag am kürzesten. Der Wendepunkt befindet sich, wenn wir ihn im Mondkalender suchen, gegen Ende des Monats Kislew. Wie am Ende eines jeden Monats ist dann kein Mondlicht zu erblicken. Daher kann man die letzte Kislew-Woche als die finsterste Zeit des Jahres bezeichnen. Diesen Sachverhalt entdeckte bereits der erste Mensch, Adam, und gab ihm eine religiöse Deutung.

Angst Im Talmud (Awoda Sara 8a) heißt es: »Die Rabbanan lehrten: Als Adam, der Ur-Mensch, die Tage fortschreitend abnehmen sah, sprach er: ›Wehe mir, vielleicht wird nun die Welt, weil ich gesündigt habe, verfinstert und wird zurück in Leere und Öde verwandelt. Das ist also der Tod, der im Himmel über mich verhängt worden ist!‹ Da stand er auf und fastete acht Tage. Als aber der Wendepunkt des Tewets eintrat und Adam sah, wie die Tage allmählich wieder länger wurden, sprach er: ›Das ist also der Lauf der Welt!‹ Da ging er und machte acht Tage zu Festtagen. Im nächsten Jahr machte er diese und jene Tage zu Festtagen. Adam hatte sie im Namen des Himmels festgesetzt, Götzendiener aber bestimmten sie auf die Namen von Götzen.«

Nach dem talmudischen Bericht hat Adam seine erste Deutung der beobachteten Phänomene korrigiert. Die unterschiedlich langen Tage hängen also gar nicht mit seinem sündhaften Verhalten zusammen; sie sind vielmehr eine Naturgegebenheit, die unabhängig vom Tun und Lassen des Menschen abläuft. Die Lichtgesetzmäßigkeit, die Adam erkannte, war für ihn ein Anlass, Festtage zu Ehren des Schöpfers festzulegen.

Götzendiener Dass diese Feiertage später von Götzendienern im Sinne ihrer heidnischen Religion uminterpretiert worden sind, ist eine bedauerliche Geschichte. Diese Entwicklung zeigt, dass eine lobenswerte religiöse Festsetzung aus ideologischen Gründen ohne viel Mühe in das Gegenteil verkehrt werden kann.

Es ist natürlich bemerkenswert, dass wir die acht Chanukkatage genau in der Zeit begehen, die Adam als Festtage zu Ehren Gottes bestimmte.

Freilich bemerken wir auch wichtige Unterschiede: Adam feierte zweimal acht Tage: einmal zur Erinnerung an sein Fasten und einmal zur Erinnerung an seine Freude, als er ein Gesetz der Schöpfung als solches erkannte. Dass Adams Festtage in späterer Zeit heidnisch umgedeutet worden sind, ist eine traurige geschichtliche Tatsache.

Unser Chanukkafest lehnt sich an Adams religiös-kosmische Feier an und bereichert das uralte Fest um weitere wichtige Aspekte: um den Sieg der Makkabäer, die Wiedereinweihung des Tempels sowie um das Ölwunder. Die Tiefendimension von Chanukka, die wir hier in den Spuren von Rabbiner Bin-Nun beschrieben haben, wird häufig übersehen.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

Philosophie

Der Moment des Staunens

Am 13. Juli jährt sich der Geburtstag von Jeanne Hersch zum 115. Mal. Lange wurde die Existentialistin ausgerechnet von der akademischen Forschung marginalisiert – und kaum als jüdische Philosophin wahrgenommen

von Richard Blättel  11.07.2025

Balak

Stärke in Zeiten der Entscheidung

Wie eine uralte Prophezeiung Israels Wesen prägt

von Yonatan Amrani  11.07.2025

17. Tamus

Das ist erst der Anfang

Nun beginnt die jährliche Trauerzeit. Sie soll auf Größeres vorbereiten

von Rabbiner Raphael Evers  11.07.2025

Meinung

Die Kirche schafft sich ab

Jetzt soll ausgerechnet der Antizionismus helfen, den gesellschaftlichen Niedergang der Kirche zu stoppen

von Josias Terschüren  10.07.2025

Nachruf

Er bleibt eine Inspiration für uns alle

Der langjährige Zürcher Gemeinderabbiner Marcel Ebel ist verstorben. Eine Würdigung von seinem Nachfolger

von Rabbiner Noam Hertig  10.07.2025

Talmudisches

Eifersucht: Das bittere Wasser

Unsere Weisen und ein altes Ritual

von Chajm Guski  10.07.2025

Nahost

»Öl ins Feuer des anwachsenden Antisemitismus«

Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt wirft der evangelischen Kirche moralisches Versagen vor und kritisiert eine Erklärung des Weltkirchenrats, in der Israel »dämonisiert« werde

 05.07.2025

Chukat

Ein Tier, das Reinheit schafft

Wir können die Mizwa der Roten Kuh nicht verstehen – aber ihre Bedeutung erahnen

von Rabbiner Salomon Almekias-Siegl  04.07.2025

Talmudisches

Die weibliche Idee hinter König David

Was Kabbalisten über Eschet Chajil, die tüchtige Frau, lehren

von Vyacheslav Dobrovych  04.07.2025