Ulm

»Zeichen über den Ort hinaus«

Fast ein Dreivierteljahrhundert nach der Zerstörung der Ulmer Synagoge in der Pogromnacht vom 9. November 1938 ist am Sonntag, den 2. Dezember, nach jüdischem Kalender der 18. Kislew 5773, in der Donaustadt ein neues jüdisches Gotteshaus eröffnet worden. Die Synagoge am Weinhof nach den Plänen der Kölner Architektin Susanne Gross, deren 17 Meter hoher Kubus einen Gebetsraum, einen Gemeindesaal, einen Jugendraum, einen Kindergarten und eine Mikwe beherbergt, gehört zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) und wird Zentrum für Juden aus Ulm, Ost-Württemberg und dem angrenzenden bayerischen Altschwaben sein.

»freudentag« An dem Festakt nahmen der Präsident des Zentralrats , Dieter Graumann, der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman, Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Bundesbildungsministerin Annette Schavan, Ulms Oberbürgermeister Ivo Gönner und als Zeichen besonderer Ehre Bundespräsident Joachim Gauck als höchster Repräsentant der Bundesrepublik teil.

Gauck sprach von einem Freudentag für die jüdische Gemeinde Ulm, für die jüdische Gemeinschaft in ganz Deutschland, aber auch für alle Menschen guten Willens: »Wenn gerade in einer so altehrwürdigen, geschichtsträchtigen Stadt wie Ulm eine neue Synagoge eröffnet und eingeweiht wird, dann ist das ein Zeichen weit über den Ort hinaus.« Er sei, so der Präsident, »dankbar dafür, dass jüdisches Leben, dass jüdische Menschen nach all diesem Schrecken und all diesem himmelschreienden Unrecht wieder in Deutschland Heimat gefunden haben«. Gauck bezog sich dabei auch auf die Nacht vom 9. zum 10. November 1938, als die Ulmer Synagoge brannte. »Wir wissen es alle, damals sollte es nicht nur keine Gotteshäuser mehr geben, es sollte keine Juden mehr geben.«

beschneidungsdebatte In seiner Ansprache ging das Staatsoberhaupt auch auf die Beschneidungsdebatte ein. »Da haben sich echte, aufgeklärte Sorge um Kindeswohl und körperliche Unversehrtheit mit einem Vulgärrationalismus gemischt, in dem antisemitische und antimuslimische Einstellungen sichtbar wurden. Das ist schlimm und hat mich erschreckt.«

Von judenfeindlichen Beiträgen zur Beschneidungsdebatte, »in jeder Dimension und Schärfe«, sprach auch Dieter Graumann in seiner Rede. »Diese Beiträge haben meine schlimmsten Albträume übertroffen«, konstatierte der Präsident des Zentralrats. Umso mehr sei der Tag, an dem mit der Eröffnung der Ulmer Synagoge ein neues Licht des Judentums entzündet werde, ein Bekenntnis zur Zukunft: »Wir wollen unser Judentum nicht im Hinterzimmer leben, die Synagoge ist ein pulsierender Ort, das Judentum eine Kraftquelle besonderer Art.«

Auch wenn es nicht alle Rabbiner gern hörten, so Graumann: Modernes Judentum sei flirrende, temperamentvolle Kommunikation, je lauter, desto besser. Die düstere Vergangenheit sei trotzdem nicht vergessen. »Die Schoa ist immer in unseren Herzen.«

gedenkkerze Eine symbolische Kerze für die Opfer der Schoa zündete Netanel Wurmser zu Beginn seiner Ansprache an. Dass sich zehn Prozent der Deutschen in einer Umfrage der Bundesregierung dazu bekannten, dass »Juden selbst schuld an ihrem Schicksal« seien, tue ihm weh, sagte der württembergische Landesrabbiner. Wurmser erinnerte auch an die ersten Juden Ulms, die sich zum Beten im »Gasthof zum Schwanen« getroffen hatten, bevor 1873 die erste Synagoge der Stadt gebaut wurde, in der auch die Familie Albert Einsteins betete.

In die neue Synagoge, die 125 Sitzplätze hat, durften zum Festakt nur geladene Gäste. Auch Foyer und Gemeindezentrum waren mit geladenen Gästen besetzt, die Ansprachen aus dem Gebetsraum wurden über Monitore übertragen. In einem Festzelt gegenüber dem Neubau verfolgten etwa 1000 Ulmer Bürger die Eröffnung per Live-Übertragung. Der Weinhof war schon ab 13 Uhr großräumig abgesperrt worden; das Bundeskriminalamt hatte eine hohe Sicherheitsstufe vorgegeben.

zuwanderung Barbara Traub, die Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, verwies in ihrer Ansprache auf die Erneuerung jüdischen Lebens in Deutschland dank des Zustroms aus der ehemaligen Sowjetunion. Vor Beginn der Zuwanderung hätten in der Folge der Schoa in Ulm nur noch eine Handvoll Juden gelebt.

»Unser heutiger Festtag ist nur dadurch möglich geworden, dass nach dem Fall des Eisernen Vorhangs jüdischen Menschen eine Zuwanderung nach Deutschland ermöglicht worden war.«
Zum Festakt hatte die Stadt Ulm 20 ehemalige Bewohner Ulms und ihre Nachfahren aus Südamerika, England, Israel und den USA eingeladen. Die Einladung angenommen hatte auch Gerhard Moos aus Miami. Immer wieder sprach der 90-Jährige aus, was viele bei der Eröffnung empfanden: »Ich kann es nicht fassen.«

Washington

US-Regierung nimmt deutsche Organisation HateAid ins Visier

Die beiden Leiterinnen der gemeinnützigen Organisation wurden wegen angeblicher Zensur amerikanischer Online-Plattformen mit Einreiseverboten belegt

 24.12.2025

Großbritannien

Israelfeindlicher Protest: Greta Thunberg festgenommen

In London treffen sich Mitglieder der verbotenen Gruppe Palestine Action zu einer Protestaktion. Auch die schwedische Aktivistin ist dabei. Die Polizei schreitet ein

 23.12.2025

Stockholm

Was bleibt von den Mahnungen der Überlebenden?

Der Schoa-Überlebende Leon Weintraub warnt vor der AfD und Fanatismus weltweit. Was für eine Zukunft hat die deutsche Erinnerungskultur?

von Michael Brandt  23.12.2025

Israel

Netanjahu warnt Türkei

Israel will die Zusammenarbeit mit Griechenland und Zypern stärken. Gleichzeitig richtet der Premier scharfe Worte an Ankara

 23.12.2025

New York

Mitglieder von Mamdanis Team haben Verbindungen zu »antizionistischen« Gruppen

Laut ADL haben mehr als 80 Nominierte entsprechende Kontakte oder eine dokumentierte Vorgeschichte mit israelfeindlichen Äußerungen

 23.12.2025

Düsseldorf

Reul: Bei einer Zusammenarbeit mit der AfD wäre ich weg aus der CDU

Die CDU hat jede koalitionsähnliche Zusammenarbeit mit der AfD strikt ausgeschlossen. Sollte sich daran jemals etwas ändern, will Nordrhein-Westfalens Innenminister persönliche Konsequenzen ziehen

 23.12.2025

Interview

»Diskrepanzen zwischen warmen Worten und konkreten Maßnahmen«

Nach dem Massaker von Sydney fragen sich nicht nur viele Juden: Wie kann es sein, dass es immer wieder zu Anschlägen kommt? Auch der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, sieht Defizite

von Leticia Witte  22.12.2025

Washington D.C.

Kritik an fehlenden Epstein-Dateien: Minister erklärt sich

Am Freitag begann das US-Justizministerium mit der Veröffentlichung von Epstein-Akten. Keine 24 Stunden später fehlen plötzlich mehrere Dateien - angeblich aus einem bestimmten Grund

von Khang Mischke  22.12.2025

Australien

Behörden entfernen Blumenmeer für die Opfer von Bondi Beach

Die Regierung von New South Wales erklärt, man habe sich vor dem Abtransport der Blumen eng mit der jüdischen Gemeinde abgestimmt

 22.12.2025