Am 7. November 1938 schoss der 17-jährige Jude Herschel Grynszpan auf den deutschen Botschaftsmitarbeiter Ernst vom Rath in Paris. Das Attentat wurde für die Nazis zum Vorwand. Am 9. November gab Propagandaminister Joseph Goebbels das Signal, gegen Juden loszuschlagen, überall im Deutschen Reich begannen brutale Pogrome.
Doch im Norden Hessens und im Norden Sachsen-Anhalts wütete der nationalsozialistische Mob schon zwei Tage zuvor. Am 7. November verwüsteten SA- und SS-Leute in Kassel die Synagoge und die Geschäfte jüdischer Inhaber. Sie trugen keine Uniformen, sondern Zivilkleidung. Es sollte so aussehen, als herrsche in der Bevölkerung eine allgemeine Wut auf Juden. Ähnliche Ausschreitungen gab es an jenem Abend auch in Kleinstädten wie Bebra, Sontra oder Rotenburg an der Fulda.
Am Tag danach tobte der Mob weiter. In Bad Hersfeld brannte die Synagoge, in den Landkreisen Fulda und Melsungen zerschlugen Nazis - und Bürger - die Fensterscheiben jüdischer Geschäfte, drangen in Wohnungen ein und verprügelten deren jüdische Bewohner.
In Felsberg hetzten Angehörige der SA und der Hitlerjugend den jüdischen Kaufmann und Kommunalpolitiker Robert Weinstein zu Tode. Er war das erste von mehr als 1300 Todesopfern der Novemberpogrome.
Auch im Gau Magdeburg-Anhalt begann die Gewalt gegen die Juden früher. Als Goebbels am 9. November gegen 22:30 Uhr das Signal zum Losschlagen gab, brannte die Synagoge in Dessau bereits seit sieben Stunden.
Warum die Nazis in den Gauen Kurhessen und Magdeburg-Anhalt schon so früh losschlugen, konnte die Forschung noch nicht umfassend klären. Die meisten Historikerinnen und Historiker gehen davon aus, dass lokale NS-Größen auf eigene Faust handelten. epd