Sachsen-Anhalt

»Wir wollen Vertrauen zurückgewinnen«

Der mutmaßliche Attentäter des Anschlags auf die Synagoge von Halle, Stephan B., kletterte über einen Zaun in der Hallenser JVA »Roter Ochse« Foto: imago images/Christian Grube

Sachsen-Anhalts Justizministerin Anne-Marie Keding
(CDU) hat in der Affäre um den Fluchtversuch des Attentäters von
Halle weitere Aufklärung zugesichert. »Wir werden hart daran
arbeiten, das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen«, sagte Keding am
Dienstag im Magdeburger Landtag. Dazu gehöre auch die Untersuchung
durch eine externe Expertenkommission. Durch den Vorfall sei das
Vertrauen in den Justizvollzug erschüttert worden. Erneut bat Keding
dafür um Entschuldigung: »Es hätte nicht passieren dürfen.«

Die Ministerin erläuterte, dass in der JVA Halle die Anordnungen
nicht befolgt und die Sicherheitsvorkehrungen eigenmächtig gelockert
worden seien, so dass der Attentäter über einen Zaun klettern und
sich fünf Minuten lang völlig unbeobachtet auf dem Gelände bewegen
konnte. Die Darstellung der Linken, Stephan B. habe sich 45 Minuten
unbeaufsichtigt bewegt, wies Keding zurück, fügte aber zugleich
hinzu: »Er hätte nicht eine Minute unbeaufsichtigt sein dürfen.«

Die Linke-Fraktion, die die Aktuelle Debatte beantragt hatte,
kritisierte die Informationspolitik des Ministeriums und vermisste
eine öffentliche Entschuldigung des Ministerpräsidenten Reiner
Haseloff (CDU). Der Ministerpräsident hätte sich zu Wort melden
müssen, sagte die rechtspolitische Sprecherin der Linken, Eva von
Angern. Der Fluchtversuch stünde am Ende einer Kette von
Fehlverhalten, Versäumnissen und Desinteresse, für die das
Ministerium verantwortlich sei. Die Versetzung des
Justizstaatssekretärs Hubert Böning in den einstweiligen Ruhestand
sei ein überfälliger Schritt gewesen, sagte die Linken-Politikerin.

Auch Grüne und SPD begrüßten die personellen Konsequenzen. Der
neue Staatssekretär müsse nun die Lehren aus dem Vorfall ziehen,
sagte der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Sebastian
Striegel. Die Justizministerin stehe nun politisch unter Bewährung.
Der Fluchtversuch hätte dem Ruf des Landes Sachsen-Anhalt großen
Schaden zugefügt. Der Fluchtversuch und die im Anschluss nicht
angemessene Informationspolitik des Justizministeriums seien das
Resultat von individuellem Fehlverhalten und systematischen
Missständen, sagte Striegel.

Silke Schindler von der SPD-Fraktion sagte, die politische
Aufarbeitung sei noch längst nicht abgeschlossen. Wichtig sei auch
die Lösung struktureller Probleme. Die AfD nutzte die Debatte, um auf
den aus ihrer Sicht unterschiedlichen Umgang der Justiz mit
unterschiedlichen Tätern hinzuweisen.

Stephan B. hatte am Pfingstsamstag einen Fluchtversuch aus der JVA
Halle unternommen. Der 28-Jährige muss sich ab 21. Juli vor Gericht
für den antisemitischen Anschlag in Halle vom 9. Oktober 2019 mit
zwei Toten verantworten. Er wurde nach dem Fluchtversuch in das
Hochsicherheitsgefängnis nach Burg verlegt. Er hätte von vornherein
in Burg untergebracht werden sollen, sagte Jens Kolze von der
CDU-Fraktion. Der Vorfall habe dem Ansehen des Justizvollzug
geschadet. epd

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Extremismus

Beobachtungsstelle: Tausende christenfeindliche Straftaten in Europa

Europa gilt immer noch als christlicher Kontinent. Doch Experten warnen: Christen sind von einem Klima wachsender Intoleranz bedroht. Auch in Deutschland muss die Lage Besorgnis erregen

 16.11.2025

Deutschland

Auktion von Besitztümern von NS-Opfern abgesagt

Im Online-Katalog waren unter anderem Dokumente und Post von NS-Verfolgten aus Konzentrationslagern sowie Täterpost zu finden

 16.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Mit Martin Hikel geht einer, der Tacheles redet

Der Neuköllner Bürgermeister will nicht erneut antreten, nachdem ihm die Parteilinke die Unterstützung entzogen hat. Eine fatale Nachricht für alle, die sich gegen Islamismus und Antisemitismus im Bezirk einsetzen

von Joshua Schultheis  16.11.2025

Berlin

Merz verspricht Schutz jüdischen Lebens in Deutschland

Bei der diesjährigen Verleihung des Preises für Verständigung und Toleranz im Jüdischen Museum Berlin an Amy Gutmann und David Zajfman gab Bundeskanzler Friedrich Merz ein klares Versprechen ab

 16.11.2025

Meinung

Die Ukrainer brauchen unsere Hilfe

Die Solidarität mit ukrainischen Geflüchteten in Deutschland nimmt ab. Aus einer jüdischen Perspektive bleibt es jedoch wichtig, auch weiterhin nicht von ihrer Seite abzuweichen

von Rabbinerin Rebecca Blady  16.11.2025

Berlin

Angriff auf Leiter deutsch-arabischer Schule in Neukölln

Al-Mashhadani gilt als Kritiker islamistischer Netzwerke und setzt sich für einen arabisch-israelischen Austausch ein

 15.11.2025

Debatte

»Hitler hatte eine unentdeckte genetische sexuelle Störung«

Eine neue britische Dokumentation über Adolf Hitler sorgt für Diskussionen: Kann die Analyse seiner DNA Aufschluss über die Persönlichkeit des Massenmörders geben?

 15.11.2025

Deutschland

Auschwitz-Komitee: Geplante Auktion ist schamlos 

Ein Neusser Auktionshaus will einen »Judenstern« und Briefe von KZ-Häftlingen und deren Angehörigen versteigern. Das internationale Auschwitz-Komitee reagiert

 15.11.2025