Interview

»Wir müssen eine Lösung finden«

Herr Saltiel, die griechische Regierung erhebt im Zusammenhang mit der Euro-Krise Reparationsforderungen gegen Deutschland. Wie stehen Sie dazu?
Sie sind mehr als berechtigt. Auf jeden Fall soll die Zwangsanleihe, die sich Deutschland 1942 von der griechischen Notenbank hat auszahlen lassen, endlich zurückgegeben werden. Die beläuft sich mittlerweile auf mehr als zehn Milliarden Euro.

Entschädigungsforderungen sind nicht neu. Wie beurteilen Sie die deutschen Reaktionen?
Es gibt kein deutsches Entgegenkommen. Im Jahr 2000 hatte das höchste griechische Gericht beschlossen, dass Eigentum der Bundesrepublik Deutschland, das sich in Griechenland befindet, gepfändet werden darf, um die Opfer des Massakers von Distomo zu entschädigen. 1944 hatten die Nazis dort sämtliche verbliebenen Dorfbewohner erschossen. Unglücklicherweise zogen die Kläger aber nach Straßburg, wo sie vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte scheiterten.

Die Bundesregierung argumentiert, sie habe 1960 bereits einen dreistelligen Millionenbetrag an Griechenland gezahlt.
Das stimmt. Aber an uns griechische Juden ging etwa eine halbe Million D-Mark. Und die Opfer von Dörfern wie Distomo, Kommeno, Hortatis oder Kalavryta, in denen die Nazis viele Menschen umgebracht haben, erhielten gar nichts.

Gibt es noch besondere Forderungen der griechischen Juden, die sich von denen, die Athen jetzt erhebt, unterscheiden?
Ja, sehr viele. Wenigstens die Fahrkarten sollte die Regierung in Berlin uns erstatten, die wir 1943 haben lösen müssen. Den Juden aus Thessaloniki war von den deutschen Besatzern gesagt worden, sie müssten sich Zugtickets kaufen, auf sie warte woanders eine gute Zukunft. Das waren 50.000 Menschen, von denen die meisten nach Auschwitz deportiert wurden.

Nach dem Straßburger Urteil und der aktuellen Verstimmung zwischen Berlin und Athen: Ist die Tür für Entschädigungen nun endgültig zu?
Es war ein Fehler, nach Straßburg zu gehen. Solche Dinge müssen politisch geregelt werden, nicht juristisch. Da müssen die beiden Regierungen sich nun zusammensetzen und eine Lösung finden.

Viele Deutsche sehen das Vorgehen der Athener Regierung eher als Erpressung denn als Suche nach einer für beide Seiten vertretbaren Lösung.
Erst vor wenigen Tagen hat ja unsere Regierung ihre Forderungen noch einmal wiederholt. Im Grunde ist es das, was wir seit 1950 fordern. Unsere Regierung will ein Prozedere finden, damit wenigstens ein Teil der Entschädigungen gezahlt wird. Ob das gelingt, wird man sehen.

Sind Sie optimistisch?
Nein. Die Regierungen befinden sich in einem Kampf miteinander, das ist nicht gut.

Mit dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde von Thessaloniki sprach Martin Krauß.

Judenhass

Berlin-Kreuzberg: Antisemitische Parolen in Schule - Lehrerin angespuckt

Die Hintergründe

 04.11.2025

Meinung

Wenn deutsche Linke jüdische Selbstbestimmung ablehnen

In einer Resolution delegitimiert die Linksjugend Israel als koloniales, rassistisches Projekt. Dabei ist der Staat der Juden nicht zuletzt eine Konsequenz aus den Verbrechen der Deutschen im Nationalsozialismus

von Frederik Schindler  04.11.2025

Auswärtiges Amt

Deutschland entschärft Reisehinweise für Israel

Nach Beginn des Gaza-Krieges hatte das Auswärtige Amt vor Reisen in Teile Israels gewarnt. Dies gilt so nicht mehr. Der Außenminister begründet das mit gewachsenem Vertrauen in den Friedensprozess

 04.11.2025

Würdigung

Margot Friedländer wird mit Sonderbriefmarke geehrt

Wie das Finanzministerium mitteilte, war die Sonderbriefmarke für Friedländer ein »besonderes Anliegen« von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil

 04.11.2025

Jerusalem

Nach Eklat in Jerusalem: Westfälische Präses setzt auf Dialog

Projekte, Gedenkorte und viele Gespräche: Die Theologin Ruck-Schröder war mit einer Delegation des NRW-Landtags fünf Tage in Israel und im Westjordanland. Angesichts der Spannungen setzt sie auf dem Weg zur Verständigung auf Begegnungen und Dialog

von Ingo Lehnick  04.11.2025

Gedenkstätten

Gedenkzeichen für jüdische Ravensbrück-Häftlinge

Zur feierlichen Enthüllung werden unter anderem Zentralratspräsident Josef Schuster, die brandenburgische Kulturministerin Manja Schüle (SPD) und der Beauftragte für Erinnerungskultur beim Kulturstaatsminister, Robin Mishra, erwartet

 03.11.2025

Innere Sicherheit

Dschihadistisch motivierter Anschlag geplant: Spezialeinsatzkommando nimmt Syrer in Berlin-Neukölln fest 

Nach Informationen der »Bild« soll der Mann ein Ziel in Berlin im Blick gehabt haben

 02.11.2025 Aktualisiert

Interview

»Wir hatten keine Verwandten«

Erst seit einigen Jahren spricht sie über ihre jüdischen Wurzeln: Bildungsministerin Karin Prien erzählt, warum ihre Mutter davon abriet und wann sie ihre eigene Familiengeschichte erst begriff

von Julia Kilian  02.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Ich kann euch nicht hören

Während im Sudan die schwerste humanitäre Krise der Welt tobt, schweigen die selbst ernannten Menschenrechts-Demonstranten in Europa und auf der Welt

von Sophie Albers Ben Chamo  02.11.2025