Jüdische Gemeinde Halle

»Wir machen weiter«

Max Privorozki, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Halle, nach dem Terroranschlag im gesprch mit Medien Foto: imago images/Lutz Winkler

Herr Privorozki, wie geht es Ihnen und Ihren Gemeindemitgliedern?
Eigentlich können wir die Frage erst beantworten, wenn wir etwas zur Ruhe gekommen sind. Das braucht noch seine Zeit. Dann werden wir sehen, ob dieser Anschlag langfristige Konsequenzen für uns haben wird.

Sie beklagten mangelnden Schutz. Warum war keine Polizei vor der Synagoge?
Die Entscheidung, ob Polizei vor Ort präsent ist, obliegt nicht uns, sondern den Sicherheitsbehörden. Die Einschätzungen der Sicherheitslage werden ebenfalls von den Sicherheitsbehörden erstellt, und dementsprechend wurden Verfügungen zu Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt. Der Terroranschlag auf unsere Synagoge an diesem Jom Kippur zeigt, dass etwas in diesem System scheiterte. Was genau hier nicht funktioniert hat, müssen die Behörden prüfen.

Hatten Sie Sicherheitspersonal in der Gemeinde?
Nicht wirklich ausgebildetes Personal, aber wir haben jemanden, der dafür zuständig ist. Wir haben Kameras vor der Synagoge und innen einen Monitor, mit dem wir das Geschehen draußen überwachen.

Und so haben Sie den Terrorangriff dann rechtzeitig entdeckt?
Wir haben es erst gehört und dann gesehen. Draußen war eine richtige Schießerei. Wir haben auf dem Bildschirm gesehen, wie der Täter die Frau erschossen hat.

Was geschah dann?
Wir haben Frauen und Kinder in die Wohnung hinaufgeschickt. Und die Männer haben mithilfe von Möbeln die Türen hinten und vorne verbarrikadiert. Als der Lärm vorüber war, haben wir den Gottesdienst fortgesetzt. Die Leute wollten weiterbeten. Schließlich hat die Polizei die Synagoge doch evakuiert. Wir wurden ins Krankenhaus, teilweise in die Polizeiinspektion gebracht, dort war auch ich.

Lief das alles reibungslos ab?
Die Evakuierung selbst lief gut organisiert. Die Menschen, die im Krankenhaus untergebracht waren, berichteten, dass sie höflich und mit Anteilnahme behandelt wurden. Leider gab es – nach den Besprechungen – eine nicht durchdachte Situation mit der Rückkehr: Uns wurde gesagt, dass wir nach Hause gehen können. Doch nach dem eiligen Aufbruch hatten wir kein Geld, kein Auto, die Straßenbahn fuhr nicht, ein Taxi konnte man nicht rufen. Eine Mitarbeiterin der Gemeinde hat dann von zu Hause aus den Transport für die Menschen aus dem Krankenhaus organisiert, die teilweise auf Gehhilfen und Krücken angewiesen waren.

Haben Sie Sukkot wie geplant begangen?
Natürlich haben wir gefeiert und hatten immer einen Minjan. Wir machen weiter. Dieser Mensch soll uns nicht einschüchtern. Inzwischen gab es Gespräche mit der Landesregierung und der Polizei über Sicherheitskonzepte.

Mit dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Halle sprach Heide Sobotka.

Leitartikel

Islamisten als Befreier?

Nach dem Sturz der blutigen Assad-Diktatur atmet die Welt auf. Was die Umwälzungen für den Nahen Osten bedeuten – und für Israels Sicherheit

von Peter R. Neumann  12.12.2024

Europa

Kniefall in Warschau - Söder gedenkt Polens Kriegsopfern

In Warschau legt Markus Söder einen Opferkranz nieder und kündigt polnische Hinweisschilder für Bayerns Gedenkstätten an. Im Gespräch mit dem Regierungschef geht es um einen aktuellen Krieg

 11.12.2024

Meinung

Syrien: Warum machen wir immer wieder den gleichen Fehler?

Der Westen sollte keinem Mann vertrauen, der bislang als Terrorist gesucht wurde

von Jacques Abramowicz  11.12.2024

Meinung

Es sollte uns beschämen, dass Juden in Deutschland sich nicht mehr sicher fühlen können

Ein Gastbeitrag von Adrian Grasse

von Adrian Grasse  11.12.2024

RIAS

Experten kritisieren Normalisierung antisemitischer Narrative

Sie sind überall verfügbar, im Internet und analog: Legenden, die gegen Juden und die Demokratie gerichtet sind. Das zeigt eine neue Studie - und nimmt speziell auch den Rechtsextremismus in den Blick

 11.12.2024

Bern

Schweiz verbietet Hamas

Ein neues Gesetz verbietet die Hamas, Tarn- und Nachfolgegruppierungen sowie Organisationen und Gruppierungen, die im Auftrag der Terrorgruppe handeln. Jüdische Organisationen begrüßen den Schritt

 11.12.2024

Restitution

Familie verliert ihr in der Nazizeit gekauftes Grundstück

85 Jahre lebt eine Familie in einem Haus in Brandenburg. Zuvor hatte es zwei jüdischen Frauen gehört, die schließlich von den Nazis ermordet wurden

 11.12.2024

Debatte

Rabbiner für Liberalisierung von Abtreibungsregelungen

Das liberale Judentum blickt anders auf das ungeborene Leben als etwa die katholische Kirche: Im jüdischen Religionsgesetz gelte der Fötus bis zur Geburt nicht als eigenständige Person, erklären liberale Rabbiner

von Leticia Witte  11.12.2024

Gelsenkirchen

Bekommt Bayern-Torhüter Daniel Peretz Konkurrenz?

Münchens Sportvorstand Max Eberl macht eine klare Ansage

 11.12.2024