Dokumentation

»Wir Juden lassen uns nicht unterkriegen«

Zentralratspräsident Josef Schuster beim Gemeindetag Foto: STEPHAN PRAMME

Liebe Teilnehmer des Gemeindetags, ich freue mich, Sie alle von Herzen in Berlin zum Gemeindetag 2023 willkommen zu heißen!

Der Gemeindetag wird in den kommenden drei Tagen ein Fest der Jüdischkeit, ein Ort der Gemeinschaft, ein Ort des Austausches und der Debatte; ja, auch ein Ort des Zusammenhalts. Er steht unter dem Motto »Zusammen leben«. Ich kann mich kaum an eine Zeit erinnern, in der ein Gemeindetag so wichtig gewesen ist wie jetzt.

»Zusammen leben« – aber wie? Wir leben in einer Zeit, in der Juden zweifeln, jüdische Eltern Sorgen um ihre Kinder haben, in Schulen und Universitäten offen antisemitisch agitiert wird, Juden Drohungen und Hetze ausgesetzt sind und sogar in NS-Manier Davidsterne an Haustüren geschmiert werden. Wir erleben offenen Judenhass und lsraelfeindlichkeit auf deutschen Straßen – vor allem seit dem 7. Oktober. Judenhass hat es auch schon vor dem 7. Oktober gegeben, aber die Qualität und die Bedrohung ist jetzt eine andere.

Gleichsam geht von diesem Gemeindetag die Botschaft aus: Wir Juden werden uns nicht unterkriegen lassen. Niemals! Wer Juden hasst, ist herzlich eingeladen, unser Land – Deutschland – zu verlassen! Wir treten ganz sicher nicht zur Seite. Wir treten für unser Recht ein, in Frieden, in Freiheit und ohne Angst zu leben! Und wir werden uns nicht verkriechen. Wir wollen uns nicht verstecken. Nein, wir sind stolze Juden!

Mit unseren Herzen sind wir bei den Menschen in Israel. Wir stehen fest und unverbrüchlich an der Seite Israels. Der einzige jüdische Staat, der sich nach dem grauenhaften Hamas-Massaker in einem Verteidigungskrieg gegen diese Terrororganisation befindet. Ich denke in diesen Tagen von Chanukka häufig an die zerrissenen, bangenden Familien der Geiseln, an die Mütter und Väter der tapferen Soldaten der IDF, an die Trauernden, deren Liebsten von Hamas-Terroristen kaltblütig ermordet, geradezu hingeschlachtet wurden.

Mit Israel befindet sich ein demokratischer, werteorientierter, zivilisierter Rechtsstaat mit einer Parlamentsarmee in einem Krieg gegen eine Terrororganisation, die zivile und soziale Einrichtungen wie Schulen, Kitas und Krankenhäuser als Waffenlager und Militärbasen verwendet und ihre eigenen Bürger als menschliche Schutzschilde missbraucht.

Und ja, ich denke auch an die unschuldigen Zivilisten in Gaza, die Opfer der barbarischen Taktik der Hamas werden. Auch sie müssen von der Hamas befreit werden. Wenn uns eines klar geworden ist in den vergangenen Wochen, dann ist es die Erkenntnis, dass die Terrororganisation Hamas endgültig zerstört werden muss. Niemals wieder soll von dieser Terrororganisation eine Gefahr für Juden ausgehen dürfen!

In diesen schwierigen Zeiten kommt unser Staatsoberhaupt zu uns, zur jüdischen Gemeinschaft. Lieber Herr Bundespräsident, Sie haben uns Juden in den letzten zwei Monaten viel Mut gemacht, Solidarität gezeigt und stehen fest an der Seite Israels.

Sie haben unsere Sorgen in unzähligen Gesprächen mit jüdischen Bürgern gehört. Sie haben sich viel Zeit für uns genommen. Ich denke zum Beispiel an Ihren Besuch in der Synagoge am Fraenkelufer – am sogenannten Tag des Zorns der Hamas oder auch an Ihre Solidaritätsreise nach Israel, auf der ich Sie begleitet habe. Ich möchte Ihnen dafür auch ganz persönlich danken. Sie sind für Ihre Bürger da, und wir schätzen das von Herzen!

Umso mehr freut es mich, dass wir heute Abend gemeinsam mit dem Botschafter des Staates Israel, meinem lieben Freund Ron Prosor, das achte Licht der Chanukkia entzünden werden. Wir begegnen dem Hass und dem Schmerz mit Licht, meine Damen und Herren.

Die Hoffnung und das Wunder, das wir mit Chanukka verbinden, sollen uns gute Gefährten sein auf unserem Gemeindetag. Denn worum geht es uns? Wir wollen die Tage nutzen, um Orientierung zu finden. Für uns Juden ist es in den vergangenen Wochen zunehmend schwer geworden, sich in unserem Land, in Deutschland, zugehörig zu fühlen. Das bedrückt mich sehr.

Uns eint der Wunsch, frei zu sein in diesem Land; frei zu leben in dieser offenen Gesellschaft. Wir wollen »Zusammen leben« und genau das ist auch das Thema, das wir diesem Gemeindetag gegeben haben.

Für uns Juden ist dieser Zusammenhalt gerade in diesen Zeiten besonders wichtig und darum nochmal: Ich bin froh, dass wir gerade jetzt unseren Gemeindetag haben. Wir haben lange darauf gewartet. Corona hat uns aufgehalten. Der Terror hält uns nicht auf – im Gegenteil!

Meine Damen und Herren, wir wollen mit diesen Tagen der ja bewusst öffentlichen Auseinandersetzung auch einen Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte leisten.

Liebe Freunde – es gärt in Deutschland. Es arbeitet in der Gesellschaft. Aber das reicht nicht! Deutschland hat ein unfassbares Potenzial. Deutschland ist eine lebendige Demokratie. Wo ist dieses Deutschland jetzt? Wo ist dieses Land mit seinen weiten Möglichkeiten, seinem großen Herz und dem Willen, ein Vorkämpfer für Demokratie und Freiheit in dieser Welt zu sein? Ich will nicht glauben, dass es uns im Stich gelassen hat, aber wir brauchen dafür mehr als das, was wir sehen. Bekenntnisse reichen nicht. Relativierungen sind schmerzhaft.

Die Suggestionskraft unserer Werte ist keine Selbstverständlichkeit, wie viele meinen. Um sie muss gekämpft werden. Das müssen wir nach mehr als zwei Monaten des offenen Judenhasses auf deutschen Straßen ohne Wenn und Aber feststellen. Deutschland darf daran nicht scheitern. Deutschland darf nicht an sich selbst scheitern.

Auch dieser Weckruf wird vom Gemeindetag ausgehen.

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