Frau Veiler, Sie sind die neue Präsidentin der European Union of Jewish Students (EUJS). Was war Ihre erste Amtshandlung?
Mit Studierenden zu sprechen, die noch keine offizielle Vertretung haben.
Ihr Claim lautet »Deep Roots, Bold Future«. Wie bleibt man derzeit wagemutig?
Seit dem 7. Oktober 2023 stehen jüdische Studierende mit dem Rücken zur Wand. Es geht nicht mehr darum, was wir eigentlich wollen, was es heißt, jung und jüdisch in Europa zu sein. Es geht nur noch darum, sich verteidigen zu müssen gegen das, was andere über uns sagen. Das war das jüdische Campusleben der vergangenen zwei Jahre.
Wird die Lage sich bessern?
Nein, doch jüdische Studierendenorganisationen brauchen den Mut, neben der Verteidigung auch Raum zu schaffen für die Rückeroberung eigener Narrative. Was sind unsere Geschichten, welche Schwerpunkte wollen wir setzen, unabhängig davon, in welche Position uns die Außenwelt und das politische Weltgeschehen bringen.
Dazu wollen Sie unter anderem das EUJS-Archiv öffnen.
Das viele Jahrzehnte EUJS-Geschichte enthält, junge jüdische Geschichte aus ganz Europa. Von Protesten gegen die Sowjetunion, die Juden an der Alija hinderte, bis zur jüdischen Studierendendelegation nach Teheran. Eine Hauptmessage all dieser Dokumente ist, dass junge Juden nie einfach nur passive Subjekte des politischen Weltgeschehens waren, sondern europäische Gesellschaften immer mitgeprägt haben. Das ist nicht nur unsichtbar für die Außenwelt, das haben auch viele junge Juden vergessen.
Empowerment durch Rückbesinnung?
Es geht vor allem darum, Resilienz aufzubauen. Es gibt Kraft zu wissen, dass es vor uns schon bestimmte Kämpfe gab. Wir müssen nicht von vorn beginnen.
Was ist Ihr persönliches Resilienztraining?
Dass ich als jüdischer Kontingentflüchtling in Deutschland aufgewachsen bin. Ich weiß, was auf dem Spiel steht.
Sie haben gesagt, dass Reden nicht mehr hilft. Was kommt nach dem Reden?
Es wird viele Kampagnen geben, kreative Interventionen. Zudem sind jüdische Studierende an dem Punkt, wo sie rechtliche Mittel in Anspruch nehmen können. Aber viele von uns wissen nicht, welche das genau sind. Wir wollen Ressourcen und Mittel zur Verfügung stellen, damit sie sich im Notfall ihre Rechte erkämpfen können, auch vor Gericht.
Die Frage »Bleiben oder gehen?« treibt Juden sehr um. Was sagen Sie den 160.000 Studierenden, die Sie nun vertreten?
Ich verstehe die Abwägung absolut, und wir müssen sie sehr ernst nehmen. Gleichzeitig ist in unserer Satzung klar verankert, dass wir eine diasporische jüdische Organisation sind. Unsere Mission ist, für die einzustehen, die hier sind.
Mit der EUJS-Präsidentin sprach Sophie Albers Ben Chamo.