Essay

Willkommen zurück, Steffen Seibert!

Danach hörte man eine Weile weniger von ihm: Steffen Seibert bei seinem letzten Arbeitstag in der Bundespressekonferenz. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Ich gebe es zu, ich habe ihn vermisst. Seine Wortgewandtheit, sein diplomatisches Geschick, seinen schicken Kleidungsstil und, ja, auch seine manchmal leeren Phrasen.

Die Rede ist von Steffen Seibert. 1058 Mal stand er in der Bundespressekonferenz seit August 2010 als Regierungssprecher Angela Merkels Rede und Antwort. Im Dezember 2021 zum letzten Mal, dann kam mit der neuen Bundesregierung und dem neuen Bundeskanzler auch ein neuer Steffen – Steffen Hebestreit ist seither der Regierungssprecher.

Abschied Die letzte Bundespressekonferenz (BPK) Seiberts war ein Moment des Abschieds, bei dem von beiden Seiten, also sowohl vom Vorsitzenden des Vereins der BPK Mathis Feldhoff als auch von Steffen Seibert, der Wert der Pressefreiheit und damit auch die Bedeutung der BPK, die gewissermaßen die Herzkammer für diese Freiheit bildet, hervorgehoben wurde.

Dazu passte auch das Abschiedsgeschenk, welches Seibert durch den Vorsitzenden überreicht wurde. Es war ein Messerschleifer - zufällig in der Optik der Holzvertäfelung, wie man sie aus der Bundespressekonferenz kennt. Der Messerschleifer soll Seibert, der gerne kocht, nicht nur als Küchenhelfer zur Seite stehen, sondern ihn auch an die BPK erinnern, an die scharfen Fragen der Journalisten und deren Wunsch nach »schnittigeren Antworten« an so mancher Stelle, so Feldhoff damals.

Als Seibert die Leitung seiner Behörde – die Rolle des Regierungssprechers geht mit der Rolle des Chefs des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung einher – wie alle anderen auch in einem traditionellen demokratischen Prozess an seinen Nachfolger übergab, sprach er davon, dass er mit dem Herzen an dieser Aufgabe gehangen habe und für die vergangenen Jahre nichts als Dankbarkeit verspüre.

In seinem Auftreten hatte Steffen Seibert auch etwas Merkeleskes.

Dass er, der ehemalige ZDF-Nachrichten-Moderator und Fernsehjournalist, der noch im Jahr 2000 neben Barbara Schöneberger als Gast bei der Harald Schmidt Show saß und Witze machte, es einmal sein würde, der mit elf Jahren den Rekord für die längste Amtszeit als Regierungssprecher halten würde, hätte er wohl damals selbst nicht für möglich gehalten. Zumal sich für ihn der Weg ins Amt des Regierungssprechers 2010 überraschend aufgetan hat.

sprachrohr Elf Jahre war Seibert das Sprachrohr Merkels. Elf Jahre, in denen er mit viel Geduld und bestimmter Höflichkeit informierte, auf die Fragen der Journalisten einging, sie vielleicht auch mal umging. Elf Jahre, in denen er Wörter sehr bedacht wählte und sich in der Kunst des »Nicht-zu-viel-Sagens« übte. »Dem habe ich nichts hinzuzufügen«, höre ich in meinem Kopf seine Stimme – ein Seibert-Klassiker.

In seinem Auftreten hatte Seibert auch etwas Merkeleskes. Diese Färbung ließ sich vielleicht auch nur schwer vermeiden, schließlich arbeitete er sehr eng mit der Kanzlerin zusammen, ihr Terminkalender bestimmte oft seinen – schlaflose Nächte inklusive. Die Hauptstadtpresse lädt ein und fragt und die Regierung antwortet, dieses Konzept, das die BPK ausmacht, hat Seibert immer sehr geschätzt – seine hohe Anwesenheitsquote macht das deutlich, auch wenn er wohl der ein oder anderen unliebsamen Frage lieber aus dem Weg gegangen wäre.

Und dann war »Merkels Langstreckenläufer«, wie ihn die SZ einmal nannte, erstmal von der Bildoberfläche verschwunden. Er hatte – wortwörtlich – nichts mehr zu sagen und das war wohl für ihn genauso eine ungewohnte Situation, wie für die, die die BPK regelmäßig verfolgten.

Steffen Seibert bringt alle Voraussetzungen mit, um sein neues Amt gut auszufüllen.

Ich jedenfalls habe ihn vermisst. Umso mehr hat mich die Nachricht über Seiberts Rückkehr auf die politische Bühne – nun in der Funktion als Botschafter Deutschlands in Israel – gefreut. Er bringt alle Voraussetzungen mit, um das neue Amt gut auszufüllen: Diplomatische Fähigkeiten konnte er sich bereits als Regierungssprecher aneignen und auch sonst war der vorherige Job eine gute Vorbereitung.

In einer Videoansprache auf Twitter hat er schon erste Hebräisch-Kenntnisse unter Beweis gestellt, die er aber noch ausbauen möchte. In der kurzen Ansprache machte er auch seine grundlegende Position klar: »Eine der wichtigsten Lektionen ist, zum Staat Israel zu stehen und dessen Sicherheit verpflichtet zu sein.«

Botschaft Im April dieses Jahres durfte ich schonmal Seiberts neuen Arbeitsplatz in Israel besuchen. Damals waren viele Räumlichkeiten noch nicht begehbar, die Botschaft war gerade erst frisch umgezogen und hatte einen neuen Standort in Tel Aviv. Hoffentlich sind sie jetzt für den neuen Botschafter bezugsbereit.

Genauso wurde hoffentlich inzwischen auch das Schild mit dem Bundeswappen Deutschlands am Eingang der Botschaft ausgetauscht, dort hatte sich nämlich ein Rechtschreibfehler eingeschlichen. Dieser dürfte einem ehemaligen Regierungssprecher wohl sofort ins Auge stechen und keine Ruhe geben. Dabei muss er sich doch auf seine Aufgabe als Botschafter konzentrieren können. Hoffentlich wurde sich also darum gekümmert – oder habe ich zu viel verraten? Das mit dem Nicht-zu-viel-Sagen muss ich wohl noch üben …

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