New York/Tel Aviv

Weltweiter Judenhass erreicht weiterhin alarmierendes Ausmaß

Israelhasser demonstrieren in New York. Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com

Der massive Anstieg antisemitischer Vorfälle in den USA setzte sich auch im Jahr 2024 fort. Die Zahl entsprechender Vergehen stellt einen neuen Rekord dar. Laut Anti-Defamation League (ADL) ist dies das vierte Jahr in Folge, in dem antisemitische Vorfälle zunahmen und den bisherigen Höchststand übertrafen. Es ist auch das erste Mal, dass die meisten Vorfälle, nämlich 58 Prozent, mit israelbezogenem Antisemitismus zu tun haben.

Im Jahr 2024 kam es landesweit zu 9354 antisemitischen Übergriffen, Belästigungen und Vandalismusvergehen, wie aus dem jährlichen Bericht der Nichtregierungsorganisation hervorgeht. Diese Gesamtzahl bedeutet einen Anstieg um 5 Prozent gegenüber 2023, das bereits ein Rekordjahr war, sowie einen Anstieg um 344 Prozent in den letzten fünf Jahren oder 893 Prozent in den letzten zehn Jahren. Auch ist es der höchste Wert seit Beginn der Erfassung dieser Daten durch die ADL im Jahr 1979.

In den 12 Monaten des Jahres 2024 gab es in den USA im Durchschnitt mehr als 25 gezielte antijüdische Vorfälle pro Tag, also mehr als einen pro Stunde.

Kultur, Religion und Identität

»Dieses erschreckende Ausmaß an Antisemitismus sollte niemals akzeptiert werden, und doch ist es, wie unsere Daten zeigen, zu einer anhaltenden und düsteren Realität für die jüdischen Gemeinden in Amerika geworden«, sagte Jonathan Greenblatt, Geschäftsführer der ADL. »Jüdische Amerikaner werden weiterhin täglich und überall belästigt und angegriffen, weil sie sind, wer sie sind. Aber lassen Sie uns klar sagen: Wir werden weiterhin stolz auf unsere jüdische Kultur, Religion und Identität sein und uns nicht von Fanatikern einschüchtern lassen.«

Von den 5452 Vorfällen in der Rubrik des israelbezogenen Judenhasses wurden 2596 auf israelfeindlichen Kundgebungen in Form von Reden, Sprechchören, Schildern und Slogans registriert. Zu den Aktivitäten und der Rhetorik, die bei diesen Kundgebungen dokumentiert wurden, gehörten die Verherrlichung antisemitischer Gewalt und die Verbreitung klassischer antisemitischer Verschwörungsmythen sowie die »unverhohlene Unterstützung des Terrorismus, ausgewiesener terroristischer Organisationen und ihrer Anführer«.

Oren Segal, der Senior Vice President für Anti-Extremismus bei der ADL, erklärte: »Diese Vorfälle, wie auch alle anderen, die dokumentiert wurden, sind eine klare Mahnung, dass Schweigen keine Option ist. Gute Menschen müssen aufstehen, sich wehren und dem Antisemitismus entgegentreten, wo immer er auftritt. Und das fängt damit an, zu verstehen, was ihn antreibt, und zu lernen, ihn in all seinen Formen zu erkennen.«

Lesen Sie auch

Weltweiter Judenhass

Der weltweite Judenhass ist derweil laut einer israelischen Studie mehr als eineinhalb Jahre nach den Massakern der Hamas weiterhin deutlich stärker verbreitet als vor dem 7. Oktober 2023. Insgesamt sei die Welle aber seitdem etwas abgeflaut, hieß es im jüngsten Jahresbericht der Universität in Tel Aviv.

»Anders als allgemein angenommen legen die Daten in diesem Bericht nahe, dass antisemitische Vorfälle direkt nach dem 7. Oktober ihren Höhepunkt erreichten und nicht in fortgeschrittenen Phasen des Gaza-Kriegs und nachdem Israel viel Kapital in den Gerichten der internationalen öffentlichen Meinung verloren hatte«, hieß es in diesem Bericht.

»Die Welle des Antisemitismus wurde nicht wegen des Gaza-Kriegs und der humanitären Katastrophe dort immer stärker«, lautete die Schlussfolgerung des Verfassers des Berichts, Professor Uria Schavit. »Der Höhepunkt war von Oktober bis Dezember 2023, und ein Jahr später wurde fast überall ein deutlicher Rückgang von Vorfällen verzeichnet«, sagte er. »Die traurige Wahrheit ist, dass Antisemitismus in dem Moment sein Haupt erhob, in dem der jüdische Staat schwächer als je zuvor und unter existenzieller Bedrohung erschien.«

Rekordzahl an Vorfällen in Kanada

Ein vergleichsweise starker Anstieg antisemitischer Vorfälle sei 2024 in Australien verzeichnet worden, einem Land, das eigentlich für seine Toleranz und Respekt für Minderheiten bekannt sei, hieß es weiter in dem Bericht. Auch in Italien hätten sich die Vorfälle mit 877 im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr (454 Vorfälle) fast verdoppelt.

In Kanada sei eine Rekordzahl von 6219 antisemitischen Vorfällen im Vergleich zu 5791 im Jahr 2023 und 2769 im Jahr 2022 dokumentiert worden. Auch in Argentinien, der Schweiz, Brasilien und Spanien sei die Zahl im vergangenen Jahr gestiegen. Nur in seltenen Fällen sei es zu Festnahmen und Verurteilungen gekommen.

In Deutschland, Frankreich und Großbritannien sei die Zahl der antisemitischen Vorfälle 2024 im Vergleich zum Vorjahr gesunken, aber immer noch deutlich höher als 2022. im/dpa

Hamburg

So reagiert die Politik auf den Rücktritt Stefan Hensels

Wegen der vorzeitigen Amtsaufgabe des Antisemitismusbeauftragten macht die CDU dem rot-grünen Senat schwere Vorwürfe. Der Erste Bürgermeister lobt dagegen die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Beauftragten

von Joshua Schultheis  01.12.2025

Verteidigung

Deutschland stellt Arrow 3 in Dienst

Erstmals kommt das Raketenabwehrsystem außerhalb Israels zum Einsatz

 01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Deutschland

Massive Proteste gegen neuen AfD-Nachwuchs 

Die AfD organisiert ihren Nachwuchs - Gießen erlebt den Ausnahmezustand. Zehntausende haben sich nach Mittelhessen aufgemacht, um die Gründung der Generation Deutschland zu verhindern

von Christian Schultz  30.11.2025

Rechtsextremismus

Fragezeichen nach skurriler Rede bei AfD-Jugendkongress 

Wer steckt hinter dem mysteriösen Auftritt des Mannes, der mit einer Rede im Hitler-Stil den Gründungskongress der AfD-Jugend aufmischte? Ihm droht der Parteiausschluss

von Jörg Ratzsch  30.11.2025

Gerechtigkeit

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz 

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz Jahrzehnte nach Ende des NS-Regimes hoffen Erben der Opfer immer noch auf Rückgabe von damals geraubten Kunstwerken. Zum 1. Dezember starten Schiedsgerichte. Aber ein angekündigter Schritt fehlt noch

von Verena Schmitt-Roschmann  30.11.2025

Dokumentation

»Sie sind nicht alleine!«

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hielt bei der Ratsversammlung des Zentralrats der Juden die traditionelle Gastrede

von Wolfram Weimer  30.11.2025

Gemeinden

Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagt in Frankfurt

Das oberste Entscheidungsgremium des jüdischen Dachverbands kommt einmal im Jahr zusammen

 01.12.2025 Aktualisiert

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  29.11.2025