Genf

Laut gegen Israel

Ist zum »Postergirl« israelfeindlicher Gruppen weltweit geworden: Francesca Albanese Foto: picture alliance / empics

Eigentlich spricht Francesca Albanese gar nicht für die Vereinten Nationen. Dennoch ist die 48-Jährige mittlerweile zu einem ihrer bekanntesten Gesichter geworden – und einem der umstrittensten.
Die 2022 zur »Sonderbeauftragten des UN-Menschenrechtsrates für die besetzten palästinensischen Gebiete« bestellte Juristin ist theoretisch zur Unabhängigkeit und Überparteilichkeit verpflichtet.

Doch schon ihre Jobbeschreibung ist sehr einseitig formuliert: Die Aufgabe der Sonderberichterstatterin ist es nämlich, »Verstöße Israels gegen die Grundsätze und Grundlagen des Völkerrechts, des humanitären Völkerrechts und des Genfer Abkommens zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12. August 1949 in den von ihm seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten zu untersuchen«.

Wenig Verständnis für Israels Sicherheit

Schon Albaneses Vorgänger zeigten wenig Verständnis für Israels Sicherheit und überzogen den jüdischen Staat mit Vorwürfen. Doch die Italienerin übertrifft sie in puncto Schärfe und Lautstärke um Längen. In gerade einmal drei Jahren hat es Albanese zum »Postergirl« für israelfeindliche Gruppen weltweit gebracht.

Ihre Auftritte in europäischen Hauptstädten sind mittlerweile zum Politikum geworden, das Medieninteresse um sie ist groß. Dass Albanese es zu solcher Bekanntheit bringen würde, war keineswegs ausgemacht in einer Organisation, in der die Dämonisierung des jüdischen Staates seit Jahrzehnten zum guten Ton gehört. Den Gazastreifen bezeichnete sie im vergangenen Jahr als »das größte und schändlichste Konzentrationslager des 21. Jahrhunderts«.

Beinahe täglich wirft Albanese Israel vor, vorsätzliche Massaker und einen Genozid am palästinensischen Volk zu begehen.

Zustimmung äußerte sie zu einem Vergleich Benjamin Netanjahus mit Adolf Hitler. Beinahe täglich wirft Albanese Israel vor, vorsätzliche Massaker und einen Genozid am palästinensischen Volk zu begehen. Nicht nur jüdische Organisationen, auch Regierungen wie die amerikanische und die französische haben Albanese Antisemitismus vorgehalten.

Nun steht turnusgemäß die Verlängerung ihrer Amtszeit um weitere drei Jahre an. Normalerweise geschieht so etwas stillschweigend, eine erneute Abstimmung im Menschenrechtsrat oder die Evaluierung der bisher geleisteten Arbeit ist nicht vorgesehen. Nur wenn ein Amtsinhaber freiwillig verzichtet oder schwerwiegende Einwände geltend gemacht werden, beispielsweise wegen grober Verletzung der Verhaltensregeln, befasst sich der Menschenrechtsrat mit der Personalie.

Im Fall Albanese gibt es solche Einwände. Die Regierungen Israels und Argentiniens, der Jüdische Weltkongress (WJC), das American Jewish Committee (AJC), die Anti-Defamation League (ADL) und die Genfer NGO »UN Watch« haben sich an den Präsidenten des Menschenrechtsrats, den Schweizer Diplomaten Jürg Lauber, gewandt und ihn aufgefordert, Albaneses Mandat nicht einfach zu verlängern.

Sie habe antisemitische Klischees verbreitet und mehrfach das Existenzrecht des Staates Israel infrage gestellt, monierte WJC-Geschäftsführer Maram Stern in einem Brief an Lauber. Albaneses Glaubwürdigkeit als unabhängige Expertin sei ramponiert. Auch einige Politiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion forderten ihre Entlassung.

Deutschlands Haltung zu der Sonderbeauftragten ist unklar.

UN Watch-Geschäftsführer Hillel Neuer beschäftigt sich schon seit Jahren mit der Personalie. Albaneses Verletzungen des Code of Conduct der UN seien »systematisch und schwerwiegend«, so Neuer. Im Herbst hatte seine Organisation unter der Überschrift »Wolf im Schafspelz« einen ganzen Katalog an mutmaßlichen Verfehlungen Albaneses veröffentlicht.

Protest kommt auch aus den Niederlanden. Außenminister Caspar Veldkamp erklärte auf eine parlamentarische Anfrage hin, man spreche sich gegen eine zweite Amtszeit für Albanese aus. »Diverse Äußerungen der Sonderberichterstatterin stehen im Widerspruch zum Verhaltenskodex und werden vom Kabinett missbilligt.«

Ein Sprecher des Menschenrechtsrats bestätigte gegenüber der Jüdischen Allgemeinen, dass die Einwände bei Lauber eingegangen seien und nun vom Präsidenten geprüft würden. Weiter sagte er: »Mandate für Sonderbeauftragte wurden bislang immer stillschweigend verlängert. Es gibt kein formelles Verfahren für den Rat, um das Mandat eines Berichterstatters zu verlängern.«

Ob der Widerstand gegen eine zweite Amtszeit für Albanese groß genug ist, erscheint fraglich.

Ob der Widerstand gegen eine zweite Amtszeit für Albanese groß genug ist, erscheint fraglich. Für Hillel Neuer ist klar, warum das so ist. »Diplomaten und NGOs pflegen enge Beziehungen zu den Sonderberichterstattern. Sie haben Angst vor einem System, das sie zur Rechenschaft ziehen oder ihre Wiederernennung verhindern würde«, sagte er im Gespräch mit dieser Zeitung.

»Deutschland tut so, als könne es nichts unternehmen«

Auch Deutschlands Haltung zu Albanese ist unklar. Fragen an die scheidende Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) hinsichtlich der Personalie beantwortete das Auswärtige Amt zunächst nicht. Auf Nachfrage hieß es dann lediglich, man respektiere die Unabhängigkeit der Berichterstatter des Menschenrechtsrats, sehe sich aber nicht daran gehindert, Albaneses problematische Ansichten bei Bedarf deutlich zurückzuweisen. Neuer kritisiert die Position der Bundesregierung scharf: »Deutschland tut so, als könne es nichts unternehmen. Es hält sich fein raus, anstatt etwas gegen eine der schlimmsten Antisemitinnen zu tun.«

Doch Baerbock hat womöglich gute Gründe, in der Angelegenheit zu schweigen. Sie will sich in Kürze in New York zur Präsidentin der UN-Vollversammlung wählen lassen. Eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten könnte es ihr übel nehmen, spräche sie sich jetzt für die Ablösung Albaneses aus.

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