100 Jahre Makkabi

Weltweite Bewegung

100 Jahre Makkabi: Jüdische Leichtathletinnen 1925 Foto: ullstein bild - Imagno

Die Welt des jüdischen Sports erscheint geordnet. Da gibt es das, zumindest im Weltmaßstab, kleine Hapoel, das sich immer um den Arbeitersport gekümmert hat. Und es gibt das große Makkabi, englisch auch mit cc geschrieben: Maccabi, das alle vier Jahre eine immer größer werdende »jüdische Olympiade«, die Makkabiade, veranstaltet.

Auf 100 Jahre Geschichte schaut die Maccabi World Union (MWU) mittlerweile zurück. Mit einem großen Festakt wird am Sonntag, 29. August, im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund der Gründung gedacht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und IOC-Präsident Thomas Bach werden gratulieren und die Bedeutung von Makkabi in dieser Zeit betonen.

DIASPORA Der Zusammenschluss verschiedener jüdischer Sportverbände zur MWU fand 1921 statt, auf dem 12. Zionistenkongress, der in Karlsbad (Karlovy Vary) in der Tschechoslowakei tagte. Was heute kaum noch bekannt ist, daran erinnert Uriel Simri, der Nestor der israelischen Sportgeschichte. Makkabi hatte vor dem Ersten Weltkrieg »eingestandermaßen eine sozialistische Philosophie«, schreibt er.

Dass 1926 Hapoel als jüdischer Arbeitersportverband formiert wurde, lag vor allem daran, dass sich Makkabi so stark verändert hatte, immer bürgerlicher und, in politischen Kategorien bezeichnet, rechter wurde, sodass es für einen Teil der sich als Sozialisten verstehenden Sportler in Eretz Israel nicht mehr attraktiv erschien. Das erklärt, warum über Jahrzehnte Hapoel in Israel selbst der mitgliederstärkere Verband blieb, obwohl sich die Arbeitersportbewegung – mit der großen Ausnahme Fußball – lange Zeit dem Wettkampfsport entzog.

Junge Juden für den Zionismus zu werben, das war schon früh Teil des Selbstverständnisses.

Die MWU war anfänglich eher eine Angelegenheit der Diaspora, gerade Deutschland war zu Beginn stark vertreten. »Die Leitung des Deutschen Makkabikreises war mit der des neu gegründeten Makkabi-Weltverbandes identisch«, berichtet der langjährige Funktionär Robert Atlasz in seinen Erinnerungen, die 1977 in Tel Aviv erschienen. Mit dem Berliner Heinrich Kuhn kam auch der erste Präsident aus Deutschland.

Schon 1898 hatte sich mit dem Turnverein Bar Kochba Berlin quasi die Keimzelle der jüdischen Sportbewegung gegründet. Andere große Sektionen gab es in Österreich und der Tschechoslowakei. Gleichfalls aktiv waren jüdische Turner und Sportler auf dem Balkan, in Griechenland, Polen und Russland. Auch im damaligen Palästina gab es Makkabi-Vereine. Der erste war 1911 Maccabi Jerusalem, aufgebaut von zwei deutschen Einwanderern – Elias Auerbach und Ernst Herrmann.

ANTISEMITISMUS Doch die 1920er-Jahre, die Anfangszeit der MWU, standen unter keinem guten Stern. Zwar gab es jüdische Spitzensportler – etwa war Hakoah Wien eine der besten Fußballmannschaften der Welt –, aber wie sich Atlasz erinnert, »die Inflation machte es der Weltverbandsleitung unmöglich, im erforderlichen Rahmen einer Weltorganisation ersprießlich zu arbeiten«.

Hinzu kamen antisemitische Ausschreitungen, die dafür sorgten, dass die MWU-Geschäftsstelle schon 1924 von Berlin nach Wien verlegt werden musste. Diskutiert worden war auch, ob man nicht gleich nach Palästina umziehen sollte, denn, wie es Atlasz ausdrückt, es erfolgte »eine Intensivierung der zionistischen Haltung«. Junge Juden für den Zionismus zu werben, das war schon früh Teil des Selbstverständnisses der Makkabi-Bewegung.

So wurde etwa 1926 beschlossen, ein »Protektorat Haifa«, so hieß das wirklich, zu gründen. Es war der vom deutschen Makkabikreis geplante und finanzierte Bau einer Turnhalle in Hadar HaCarmel, einem Bezirk von Haifa.

FILM Es dauerte bis 1932, bis sich die MWU zum ersten Mal auf der ganz großen Bühne als Organisation des Weltsports präsentieren konnte. Da fand in Tel Aviv erstmals die Makkabiade statt, damals wie heute gerne umgangssprachlich als »jüdische Olympiade« bezeichnet. Was dieses Sportfest im März und April 1932, an dem 390 Sportler aus 18 Nationen teilnahmen, für junge Juden bedeutete, lässt sich den Erinnerungen von Felix Simmenauer entnehmen (Die Goldmedaille, Berlin 1989). Der junge Berliner war ein begeisterter Sportler, reiste mit Freunden nach Palästina, nahm an den Wettkämpfen teil und drehte einen Film.

»Das Stadion ist knackenvoll. Ich schätze 30.000 bis 40.000 Menschen«, schrieb er in sein Tagebuch, und als er auf der Rückfahrt auf dem Schiff bilanzierte, notierte er: »Es war ein großes und großartiges Fest.« Nicht etwa wegen der gezeigten Leistungen – »vom kampfsportlichen Standpunkt aus war die Makkabiah weniger bedeutungsvoll« –, sehr wohl aber für die zionistische Jugend: »Sie hatte ihren Wert in der Demonstration, den Massenfreiübungen, dem Aufmarsch.«

Als Simmenauer wieder in Deutschland ankam, musste er erleben, dass die Zeitungen sich nicht um das große jüdische Sportfest kümmerten – »dagegen auf der ersten Seite quer über die Spalten: Hindenburg gegen Hitler«. Die NS-Herrschaft, der Zweite Weltkrieg, die Schoa – sie gingen auch dem einst so selbstbewussten und optimistischen jüdischen Sport an die Substanz.

OLYMPIA Als in Deutschland ab 1933 die bürgerlichen Sportvereine ihre jüdischen Mitglieder hinauswarfen und der Arbeitersport verboten wurde, wuchsen zwar Makkabi- und andere jüdische Sportvereine an. Spätestens 1938, mit den Novemberpogromen, war aber klar, dass es eine Scheinblüte gewesen war.

Die zweite Makkabiade, 1935 wieder in Tel Aviv ausgetragen, stand schon im Zeichen der sich von Tag zu Tag gefährlicher gestaltenden Situation deutscher Juden. Mehr als 1300 Sportler aus 28 Ländern nahmen teil, etliche der deutschen Athleten blieben im Lande.

Spätestens 1938, mit den Novemberpogromen, war klar, dass es eine Scheinblüte gewesen war.

Erst die Gründung des jüdischen Staates Israel 1948 sorgte dafür, dass die MWU wieder zu einer globalen Institution werden konnte. 1950 fand die 3. Makkabiade statt, und mit der 4. Makkabiade 1953 fand das Fest auch seinen beinah olympischen Rhythmus: alle vier Jahre, stets ein Jahr nach den Olympischen Spielen der Neuzeit. Das gilt bis heute: Die eigentlich für 2021 vorgesehene Makkabiade findet 2022 statt, die Olympischen Spiele in Tokio waren ja auch um ein Jahr verschoben worden.

CAMPUS Allein die Entwicklung der Makkabiade zeigt, auf welch große Leistung die Maccabi World Union zurückschauen kann. Mittlerweile ist Maccabi, das seit 1960 auch mit dem Internationalen Olympischen Komitee assoziiert ist, ein Synonym für jüdischen Sport geworden.

Im israelischen Ramat Gan gibt es einen großen Maccabi-Campus, wo in einem wunderschönen Museum der Aufstieg dieses Sportverbandes dokumentiert ist. Nicht nur Hapoel, auch die Bedeutung von Elizur oder Beitar, anderen jüdischen Sportorganisationen, verblasst in Anbetracht der Größe der MWU. Über 400.000 Sportler und Sportlerinnen in über 65 Ländern sind in blau-weißen Makkabi-Trikots aktiv.

Aus Gruppen mit einem anfänglich sozialistischen Selbstverständnis wurde die MWU zu einem anerkanntem Bestandteil des Weltsports. Es gibt Beobachter, die diese Erfolgsgeschichte an den Staat Israel erinnert.

www.maccabi.org

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