Moses Mendelssohn Medaille

»Wegbereiter von Verständigung und Versöhnung«

Preisträger Andreas Nachama Foto: dpa

Moses Mendelssohn Medaille

»Wegbereiter von Verständigung und Versöhnung«

Rabbiner Andreas Nachama wird für sein Engagement für Toleranz geehrt

von Maria Ugoljew  12.09.2019 12:11 Uhr

»Wenn meine Mutter Sie nur hätte hören können, was hätte sie wohl gesagt?«, fragt Andreas Nachama. Er steht am Rednerpult im Saal der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin – und ist sichtlich gerührt. Der Rabbiner wurde am Montag mit der Moses Mendelssohn Medaille für Toleranz und Völkerverständigung ausgezeichnet. Und er führte den Gedanken über seine Mutter weiter: »Jüdische Mütter denken immer, dass ihr mittelmäßiger Sohn ein Genie sei.« So ungefähr habe er sich gefühlt, als er die Laudatio von Staatsministerin Monika Grütters (CDU) mitverfolgt habe.

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien hatte Nachama einen »Wegbereiter interreligiöser Verständigung und Versöhnung, Botschafter gesellschaftlicher Integration« genannt. Er sei ein Mensch, der »mit Herz und Verstand, Lebensfreude und scharfem Intellekt« stets Wege der Annäherung suche und sich für ein wechselseitiges Verstehen einsetze. Der 67-Jährige habe immer darauf bestanden, aus der Vergangenheit zu lernen und Empathie für die unterschiedlichen Lebenswelten zu entwickeln. »Sie sind ein wahrer Lehrmeister der Toleranz und Verständigung«, sagte die Ministerin.

TEAMWORK Der Historiker und Rabbiner begegnete den Lobesworten bescheiden. Er habe in seinem Leben nie nur allein gehandelt. Seine Offenheit stamme womöglich aus seinem Elternhaus, in dem es gang und gäbe gewesen sei, verschiedene Sichtweisen aufs Leben zuzulassen und zu diskutieren. Sein gesellschaftliches Engagement? »Es war immer Teamwork. Alles, was wir bisher gemacht haben, war nur möglich, weil wir es zusammen gemacht haben.«

Die Liste seiner Aufgaben ist lang: Er ist Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz und Präsidiumsmitglied des Koordinierungsrats der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit. Seit 1994 ist er geschäftsführender Direktor der Stiftung Topographie des Terrors. Ende dieses Jahres wird er diesen Posten allerdings abgeben, denn er geht in den Ruhestand. Zu tun habe er dann aber immer noch mehr als genug, sagt er.

In seinem Elternhaus sei es gang und gäbe gewesen, verschiedene Sichtweisen aufs Leben zuzulassen und zu diskutieren.

Seit 1993 verleiht die Moses-Mendelssohn-Stiftung die Medaille an Persönlichkeiten, die sich im Sinne des Philosophen und Aufklärers Moses Mendelssohn (1729–1786) für Toleranz und Völkerverständigung engagieren. Zu den bisherigen Preisträgern gehören der frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, die früheren Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) und Kurt Biedenkopf (CDU) sowie der Dirigent Daniel Barenboim.

GLAUBE »Die Verleihungen sind selten rundum fröhliche Veranstaltungen«, sagte Norbert Lammert zur Begrüßung. Das sei auch mit dem Sinn der Auszeichnung verknüpft. Werde doch durch die Medaille über Sachverhalte nachgedacht, die man nicht auf sich beruhen lassen dürfe, sagte der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung und ehemalige Präsident des Bundestags. Antisemitismus sei noch immer eine stete Herausforderung, ihm zu begegnen, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

»Andreas Nachama, Sie sagten einmal in einem Interview: ›Der Antisemitismus ist ein unglaublicher Blödsinn. Ich glaube an die Belehrbarkeit des Menschen.‹«, so Lammert. »Ich hoffe, dass Ihnen dieser Glaube nicht abhandengekommen ist.«

Rechtsextremismus

Fragezeichen nach skurriler Rede bei AfD-Jugendkongress 

Wer steckt hinter dem mysteriösen Auftritt des Mannes, der mit einer Rede im Hitler-Stil den Gründungskongress der AfD-Jugend aufmischte? Ihm droht der Parteiausschluss

von Jörg Ratzsch  01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Kommentar

Schiedsgerichte sind nur ein erster Schritt

Am 1. Dezember startet die Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubkunst. Doch es braucht eine gesetzliche Regelung auch für Werke in Privatbesitz, meint unser Gastautor

von Rüdiger Mahlo  01.12.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

München

Hugendubel streicht antisemitisches Kinderbuch aus Sortiment

»Sofort nach Kenntnisnahme über dessen Existenz« sei das Malbuch entfernt worden, heißt es aus dem Unternehmen

 01.12.2025

Berlin

Karoline Preisler bei Marsch gegen Antisemitismus

»Es ist ganz besonderer Marsch, weil Männer Frauen und Kinder, Menschen aus ganz Deutschland und darüber hinaus zusammengekommen sind«, sagt die Juristin und Politikerin

 01.12.2025

Potsdam

Anne Frank mit Kufiya: Jüdische Gemeinde fordert Ausstellungs-Stopp

Eine Ausstellung im Museum Fluxus+ will Ähnlichkeiten zwischen Palästinensern und Israelis aufzeigen. Doch die Darstellung zieht Kritik aus der Jüdischen Gemeinde und von Brandenburgs Antisemitismusbeauftragten auf sich

 01.12.2025

Interview

»Nach dem Waffenembargo gibt es einiges zu kitten«

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter über den Antrittsbesuch des Bundeskanzlers in Israel, Siedlergewalt im Westjordanland und die Kooperation mit dem Mossad

von Joshua Schultheis  01.12.2025

Hamburg

So reagiert die Politik auf den Rücktritt Stefan Hensels

Wegen der vorzeitigen Amtsaufgabe des Antisemitismusbeauftragten macht die CDU dem rot-grünen Senat schwere Vorwürfe. Der Erste Bürgermeister lobt dagegen die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Beauftragten

von Joshua Schultheis  01.12.2025

Verteidigung

Deutschland stellt Arrow 3 in Dienst

Erstmals kommt das Raketenabwehrsystem außerhalb Israels zum Einsatz

 01.12.2025