Meinung

Warum Yair Lapid Berlin nicht mag

Israelische Medien schrieben jüngst, es gebe eine neue Auswanderungswelle. Das nutzte Finanzminister Yair Lapid, der noch recht neu im Amt ist, um die jungen Israelis, die es nach Europa und insbesondere nach Berlin zieht, harsch zu beschimpfen: »In Europa wurde mein Großvater umgebracht, die Verwandten ausgehungert«, schrieb er.

»Ich habe wenig Verständnis für diejenigen, die bereit sind, das einzige Land der Juden auf die Müllhalde zu werfen, nur weil es leichter ist, in Berlin zu leben.« Dabei ging Lapid 1997 selbst ins Ausland, nämlich in die USA, um seiner journalistischen Karriere nachzugehen. Woher rührt diese Empörung? Und warum richtet sie sich gerade gegen Berlin?

Tatsächlich gibt es immer mehr junge Erwachsene, die in Israel geboren sind und dennoch das Land verlassen – es sind vor allem qualifizierte und gebildete Israelis, die diesen Schritt unternehmen. Seit den Sozialprotesten im Jahr 2011 nimmt die Zahl der Auswanderer zu, denn das Leben in Israel ist im Verhältnis zu den durchschnittlichen Gehältern sehr teuer geworden. Vor allem Immobilien sind für junge Israelis kaum noch erschwinglich. Weil diese Krise offensichtlich, aber kaum leicht zu lösen ist, befindet sich Lapid als Finanzminister in Erklärungsnot.

Symbol Das ist der Hintergrund für Lapids Schimpfkanonade. Die meisten Auswanderer zieht es in englischsprachige Länder, aber darum geht es bei der aktuellen Empörung gar nicht. Dass vor allem Berlin als Symbol der neuen Krise dient, zeigt, dass vielen älteren Israelis der neue Trend wie ein Bruch mit dem zionistischen Ethos erscheint. Jetzt kennen junge Israelis wohl gar keine Tabus mehr! Sogar Deutschland halten sie für eine legitime, schlimmer noch: attraktive Alternative zum jüdischen Staat!

Doch so einfach kann man es sich nicht machen. Anders als bei früheren Ausreisewellen ist diesmal für viele Israelis mit europäischen Vorfahren die Aussicht auf einen EU-Reisepass ein wichtiger Faktor. Zudem ist ein Umzug nach Berlin nicht gleich eine Entscheidung für Deutschland, sondern nur für diese Stadt. Am wichtigsten ist aber, dass die meisten Israelis gerne in ihre Heimat zurückkehren würden – wenn sie es sich finanziell leisten könnten. Vor diesem Hintergrund ist Lapids moralische Verurteilung der Israelis in Berlin ein simples Ausweichmanöver. Der Finanzminister sucht für die Probleme der israelischen Wirtschaft einen Sündenbock.

Der Autor ist freier Journalist in Berlin und Korrespondent der Zeitung Maariv.

Extremismus

BSW-Chefin Wagenknecht will Brandmauer zur AfD einreißen 

Gespräche zwischen BSW und AfD? Landespolitiker in Thüringen haben es vorgemacht. Selbstverständlich sei das auch auf Bundesebene möglich, sagen beide Seiten

von Torsten Holtz  04.07.2025

Medien

Eurovision künftig ohne Israel?

Die Regierung droht mit der Schließung des öffentlich-rechtlichen Senders Kan. Das könnte das Aus für die Teilnahme am weltgrößten Gesangswettbewerb sein

von Sabine Brandes  04.07.2025

Berlin

Russland steuert Hetzkampagne gegen Nicholas Potter

Das Propaganda-Portal »Red« ist Treiber der Diffamierungskampagne gegen den Journalisten. Das Auswärtige Amt ist sich nun sicher, dass Russland hinter dem Portal steht

 04.07.2025

USA

Edan Alexander bedankt sich bei Donald Trump

Die freigelassene Geisel Edan Alexander trifft erstmals US-Präsident Trump. Um sich zu bedanken und auch, um darauf zu drängen, alle verbleibenden Geiseln so schnell wie möglich nach Hause zu holen

 04.07.2025

Rassistischer Polizist bleibt im Dienst

Gericht »nicht auf rechtem Auge blind«

Der Verwaltungsgerichtshof München steht in der Kritik, weil er einen ehemaligen Personenschützer von Charlotte Knobloch im Dienst belassen hat - obwohl dieser Juden in KZs wünschte. Jetzt wehrt sich das Gericht

 04.07.2025 Aktualisiert

Berlin

Wie viel Migration verträgt das Klassenzimmer – und sind Grenzen nötig?

Bundesbildungsministerin Prien hält eine Obergrenze für Schüler mit Migrationshintergrund für denkbar

 04.07.2025

Österreich

Hitler-Geburtsort Braunau benennt Straßennamen mit NS-Bezug um

Ausgerechnet in Adolf Hitlers Geburtsort gibt es bis dato nach Nationalsozialisten benannte Straßen. Das soll sich ändern - und trifft bei einigen Politikern auf Widerstand

 03.07.2025

Hamburg

Hamas-Anhänger tritt bei staatlich gefördertem Verein auf

Das Bündnis Islamischer Gemeinden in Norddeutschland wird durch das Programm »Demokratie leben« gefördert und lud einen Mann ein, der Sinwar als »Märtyrer« bezeichnet hat

 03.07.2025

«Stimme der verstummten Millionen»

Anita Lasker-Wallfisch blickt ernüchtert auf die Welt

Sie gehörte dem Mädchen-Orchester von Auschwitz an, überlebte das Lager und später das KZ Bergen-Belsen. Am 17. Juli wird die Cellistin Anita Lasker-Wallfisch 100. Und ist verzweifelt angesichts von Antisemitismus, Rechtsruck und Krieg, sagt ihre Tochter

von Karen Miether  03.07.2025