Meinung

Warschauer Misstöne

Die Frage sollte rhetorisch klingen: »Sind die Juden selbst schuld?« Doch die Antwort, die der polnische Professor Krzysztof Jasiewicz der Zeitschrift »Focus Historia Extra« gab, ließ keinen Zweifel zu: »Ganze Generationen von Juden haben über Jahrhunderte auf den Holocaust hingearbeitet.« Vier Seiten ungefilterter Antisemitismus in einem Heft, das dem 70. Jahrestag des Warschauer Ghettoaufstandes gewidmet ist.

Nicht nur Polens Juden fragen sich, was das populäre Geschichtsmagazin geritten hat, ausgerechnet zu diesem Datum ein Interview mit einem antisemitischen Historiker ins Blatt zu heben. Zudem ist es ein deutscher Verlag, nämlich Gruner + Jahr als Eigentümer des Blatts, der nun mit im braunen Sumpf sitzt: Jasiewiczs Chef, der Historiker Eugeniusz Król, vergleicht die aktuelle Nummer von »Focus Historia« sogar mit dem Nazi-Hetzblatt »Der Stürmer«. Über eine Reaktion aus der Hamburger Verlagszentrale ist nichts bekannt.

Nach zahlreichen Protesten Intellektueller, der Gedenkstätte Auschwitz, des Jüdischen Gemeindebundes in Polen und einem Offenen Brief des Zentrums zur Erforschung der Judenvernichtung sah sich der Chefredakteur des Blattes, Michal Wojcik, bemüßigt, den Schaden mit einer Erklärung zu begrenzen.

fatal Statt sich allerdings für den fatalen Fehler zu entschuldigen und Konsequenzen zu ziehen, behauptete er, dass er den angeblich immer noch renommierten Experten für polnisch-jüdische Beziehungen in Ostpolen mit dem Interview habe entlarven wollen. Halbherzig und wenig überzeugend bat er dann nur diejenigen um Verzeihung, die sich von den Worten Jasiewiczs »betroffen« fühlten. Er habe mit dem Interview zum Jahrestag des Ghettoaufstandes niemanden verletzen wollen. Das Heft mit dem umstrittenen Artikel bleibt also im Handel und findet sicher noch dankbare Abnehmer.

Zu ähnlichen Entgleisungen kommt es in Polen immer wieder. Dass man Antisemiten kein Forum bieten sollte, um sie zu »entlarven«, schon gar nicht ohne einen Kommentar der Redaktion, scheint nicht allen Journalisten in Polen klar zu sein. Auch das rechtsnationale Meinungsmagazin »Uwazam Rze« bringt zum Jahrestag des Ghettoaufstandes einen langen Text zur angeblich durchgängigen Kollaboration von Juden mit den Nazis. Im Internet kommen dann üblicherweise noch Hunderte antisemitischer Kommentare dazu. Die von den Polen so mühsam erkämpfte Freiheit des Wortes hat in den vergangenen Jahren eine hässliche Farbe angenommen: Sie ist braun.

Die Autorin ist freie Journalistin in Warschau.

Australien

Polizei: Angreifer in Sydney waren Vater und Sohn 

Weitere Details des judenfeindlichen Terroranschlags werden bekannt

von Denise Sternberg  14.12.2025

Hintergrund

Der Held von Sydney

Laut australischen Medien handelt es sich um einen 43-jährigen muslimischen Vater von zwei Kindern, der einen Laden für lokale Produkte betreibt

 14.12.2025

Jerusalem

Israels Regierungschef wirft Australien Tatenlosigkeit gegen Judenhass vor

Nach einem Anschlag in Sydney fordert Netanjahu von Australien entschlosseneres Handeln gegen Judenhass. Er macht der Regierung einen schweren Vorwurf

 14.12.2025

Kommentar

Müssen immer erst Juden sterben?

Der Anschlag von Sydney sollte auch für Deutschland ein Weckruf sein. Wer weiter zulässt, dass auf Straßen und Plätzen zur globalen Intifada aufgerufen wird, sollte sich nicht wundern, wenn der Terror auch zu uns kommt

von Michael Thaidigsmann  14.12.2025

Meinung

Blut statt Licht

Das Abwarten, Abwiegeln, das Aber, mit dem die westlichen Gesellschaften auf den rasenden Antisemitismus reagieren, machen das nächste Massaker nur zu einer Frage der Zeit. Nun war es also wieder so weit

von Sophie Albers Ben Chamo  14.12.2025 Aktualisiert

Anschlag in Sydney

Felix Klein: »Von Terror und Hass nicht einschüchtern lassen«

Zwei Männer töten und verletzen in Sydney zahlreiche Teilnehmer einer Chanukka-Feier. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung äußert sich zu der Tat

 14.12.2025

Terror in Sydney

Zivilist entwaffnet Angreifer und wird als »Held« gefeiert

Zwei Männer schießen auf Teilnehmer einer Chanukka-Feier in Sydney: Es gibt Tote und Verletzte. Ein Video soll nun den mutigen Einsatz eines Passanten zeigen

 14.12.2025

Australien

Merz: »Angriff auf unsere gemeinsamen Werte«

Bei einem Anschlag auf eine Chanukka-Feier in der australischen Metropole gab es viele Tote und Verletzte. Der Bundeskanzler und die Minister Wadephul und Prien äußern sich zu der Tat

 14.12.2025 Aktualisiert

Terror in Sydney

Zentralrat der Juden: »In Gedanken bei den Betroffenen«

Der Zentralrat der Juden und weitere jüdische Organisationen aus Deutschland äußern sich zu dem Anschlag auf eine Chanukka-Feier im australischen Sydney

 14.12.2025 Aktualisiert