Heute vor 90 Jahren kam es am Berliner Kurfürstendamm zu massiven antisemitischen Ausschreitungen und Übergriffen, die weit über die Hauptstadt hinaus für Aufsehen sorgten und politische Konsequenzen auf höchster Ebene nach sich zogen. Anhänger der NSDAP griffen am 15. Juli 1935 in einer koordinierten Aktion jüdische Passanten an und drangen in Cafés und Geschäfte ein. Zahlreiche Menschen wurden bei diesem Pogrom verletzt.
Auslöser war ein Gerücht über angebliche Störungen bei der Vorführung eines antisemitischen Films im Gloria-Palast. Die Ausschreitungen zogen sich über mehrere Tage hin und wurden von Teilen der nationalsozialistischen Parteibasis getragen – unterstützt durch eine propagandistische Vorfeldkampagne der von Joseph Goebbels gesteuerten Nazi-Presse.
Die damalige Nazi-Regierung zeigte sich gespalten: Während radikale Kräfte die Gewalt als Ausdruck des sogenannten »Volkswillens« begrüßten, fürchteten andere politische Akteure um die außenpolitische Reputation Deutschlands und den Verlust staatlicher Autorität.
Reichsinnenminister Wilhelm Frick und Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß riefen öffentlich zur Mäßigung auf. Der Berliner Polizeipräsident Magnus von Levetzow wurde wenige Tage später abgelöst und durch den SA-Führer Wolf-Heinrich von Helldorff ersetzt.
Internationale Medien sprachen von einem Pogrom. Auch im Inland sorgten die Ereignisse für Empörung – nicht zuletzt, weil die Berliner Polizei an mehreren Tagen kaum in der Lage war, für Ordnung zu sorgen. Tagebuchaufzeichnungen von Zeitzeugen wie Jochen Klepper oder Victor Klemperer belegen die Angst und Bedrängnis, die viele jüdische Familien in diesen Tagen erlebten.
Historiker diskutieren bis heute, ob die Ausschreitungen am Kurfürstendamm ein unmittelbarer Vorläufer oder gar ein beschleunigender Faktor für den Erlass der Nürnberger Rassengesetze waren, die nur wenige Wochen später auf dem NSDAP-Parteitag beschlossen wurden. Klar ist: Die gezielte antisemitische Mobilisierung im Sommer 1935 markierte einen weiteren Schritt in der systematischen Entrechtung und Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland. ja