Bundeswehr

Viele Einzelfälle

In der Truppe ist Rechtsextremismus ein großes Problem

von Julian Feldmann  11.03.2021 11:49 Uhr

Soldaten des Ausbildungszentrums Spezielle Operationen in Pfullendorf Foto: imago images / Björn Trotzki

In der Truppe ist Rechtsextremismus ein großes Problem

von Julian Feldmann  11.03.2021 11:49 Uhr

Ein Spezialeinsatzkommando der hessischen Polizei nahm Ende Fe­b­ruar in der kleinen Taunusgemeinde Glashütten einen Soldaten der Bundeswehr fest. Der Vorwurf: Tim F. soll illegal Waffen gehortet und sich rassistisch geäußert haben. Die Ermittler wurden bei der Razzia fündig: Pistolen, Gewehre und Sprengstoff stellten sie laut Berichten sicher.

Auch der Vater und der Bruder des Soldaten wurden festgenommen. Ein rechtsextremes »Manifest« rechnen die Ermittler dem Bundeswehrangehörigen F. wohl ebenfalls zu, wie der »Spiegel« berichtete. In dem Schriftstück soll es darum gehen, »wie man die Macht in Deutschland übernehmen könnte«. Ein rechtsex­tremer Umsturzplan eines Soldaten?

ermittlungsverfahren Tim F. soll seit Ende 2019 bei der Bundeswehr verpflichtet sein. Den Behörden war der Mann nicht als Rechtsextremist aufgefallen. Das Ermittlungsverfahren gegen ihn und seine beiden Verwandten wegen Volksverhetzung und Verstoßes gegen das Sprengstoff-, Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz ist wohl einem Zufall zu verdanken. Die Lebensgefährtin des Soldaten, mit der er in Streit geraten sein soll, habe der Polizei einen Tipp gegeben, berichtete der »Spiegel«.

Vor allem die Elitetruppe Kommando Spezialkräfte (KSK) macht immer wieder mit Rechtsextremismus-Vorwürfen Schlagzeilen.

Der Fall des Soldaten aus Hessen ist nur einer in einer ganzen Reihe von rechtsextremen Vorfällen in der Bundeswehr in jüngster Zeit. Allein für das vergangene Jahr meldete der Militärische Abschirmdienst (MAD), der verfassungsfeindliche Umtriebe innerhalb der Truppe beobachtet, 477 neue rechtsextreme Verdachtsfälle sowie 31 mutmaßliche Reichsbürger unter den Soldaten. Vor allem die Elitetruppe Kommando Spezialkräfte (KSK) macht immer wieder mit Rechtsextremismus-Vorwürfen Schlagzeilen.

SS-LIEDERBUCH So hatte die Polizei bei einem KSK-Angehörigen ein Munitions- und Sprengstofflager sowie ein Sturmgewehr gefunden. Auch ein SS-Liederbuch und nationalsozialistische Propaganda-Postkarten stellten die Beamten bei Philipp S. sicher. In dem Prozess gegen S., der derzeit in Leipzig läuft, sagten bislang Zeugen aus seinem Bundeswehr-Umfeld aus, sie hätten nie mit dem Angeklagten über politische Themen gesprochen. Als Rechtsextremist hat ihn offenbar niemand wahrgenommen.

Im vergangenen Sommer löste Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer die 2. Kompanie des KSK auf, stellte die anderen Teile unter eine strenge Beobachtung. Denn der Fall Philipp S. war nicht der erste Skandal in der KSK-Einheit. Auf einer Abschiedsparty für den früheren Kompanie-Chef soll 2017 Neonazi-Musik gespielt, mit Schweineköpfen geworfen und der Hitlergruß gezeigt worden sein.

Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), listet in ihrem jüngst vorgelegten Bericht für das vergangene Jahr zahlreiche rechtsextreme Vorfälle in der Truppe auf. Im KSK etwa hätten sich eine »fehlgeleitete Führungskultur, extremistische Tendenzen und ein nachlässiger Umgang mit Material und Munition entwickelt«. Ministerin Kramp-Karrenbauer hatte eine »Null-Toleranz-Strategie« gegen Extremisten in den Reihen der Bundeswehr angekündigt.

Ermittler stellten bei einer Razzia Pistolen, Gewehre und Sprengstoff sicher.

Die derzeitige Debatte um rechtsextreme Machenschaften in der Bundeswehr hatte auch der Fall des Oberstleutnants Franco A. im Jahr 2017 ausgelöst. Seitdem läuft gegen A. ein Strafverfahren, weil der Soldat einen Terroranschlag vorbereitet haben soll. Davon ist die Bundesanwaltschaft überzeugt und hat A. deswegen vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt angeklagt. Nachdem das Gericht den Prozess zunächst nicht eröffnen wollte, soll nun ab Mai gegen A. verhandelt werden.

Franco A. soll den Plan gefasst haben, hochrangige Politiker und Personen des öffentlichen Lebens anzugreifen. Bei dem geplanten Anschlag wollte A. laut Anklage den Verdacht in Richtung von Asylbewerbern lenken. Für diese Planung soll sich A. als syrischer Flüchtling ausgegeben und registrieren lassen, also eine Tarnidentität zugelegt haben.

JUDENHASS Laut Bundesanwaltschaft hat Franco A. eine »verfestigte völkisch-nationalistische und rechtsextremistische Gesinnung« und »eine besondere Abneigung gegenüber Menschen jüdischen Glaubens«. Juden unterstelle A., »durch ein Zusammenwirken von Medien und staatlichen Institutionen sowie eine faktische Besetzung Deutschlands durch die USA« eine »Weltherrschaft des Zionismus« anzustreben, ermittelte die Bundesanwaltschaft.

Der »Zionismus« betreibe einen »systematischen Rassenkrieg« durch die »Vermischung der Rassen«. Neben dem heutigen Außenminister Heiko Maas und der Grünen-Politikerin Claudia Roth soll auch Anetta Kahane, die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, zu den potenziellen Anschlagsopfern gehört haben.

In der Bundeswehr gab es bereits früh Hinweise auf das rechtsextreme Weltbild des Soldaten. A. hatte in seiner Masterarbeit Ende 2013 rassistische und antisemitische Thesen vertreten. Laut eines Gutachters sei die Arbeit ein »radikalnationalistischer, rassistischer Appell«. A. redete sich heraus, begründete die Ausrichtung mit Zeitdruck. Er konnte eine neue Masterarbeit schreiben. Dem Hinweis auf eine antisemitische und rassistische Einstellung ging die Bundeswehr nicht nach. A.s mutmaßliche Terrorpläne flogen erst mehr als drei Jahre später auf.

Die Wehrbeauftragte Högl fordert in ihrem Jahresbericht für 2020: »Jeder einzelne Fall extremistischen Verhaltens ist einer zu viel und muss zügig und gleichzeitig gründlich sowie rechtsstaatlich sauber aufgeklärt werden.« Bei rechtsextremen Verdachtsfällen gelte: »Aufklärung ist unerlässlich.«

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