Berlin

»Verlorene Kindheit«

Herr Schneider, von Sonntag bis Mittwoch treffen sich in Berlin mehr als 300 sogenannte Child Survivors, also Menschen, die als Kinder die Schoa überlebt haben. Worum geht es bei dieser Zusammenkunft?
Gemeinsam ist den Child Survivors der Verlust der Kindheit durch den Holocaust. Verlust der Kindheit heißt Verlust von Eltern und Familie, Verlust von Zuhause und Geborgenheit, Verlust von Bildung und Erziehung. An ihre Stelle rückte der Kampf ums Überleben in Lagern und Ghettos, im Versteck oder in der Illegalität, Erfahrungen in früher und frühester Kindheit, die eine dichte Folge von traumatisierenden Erlebnissen mit sich brachten. Traumatisierungen, die lebenslang nachwirken und im fortgeschrittenen Alter oft in Form von konkreten Krankheitsbildern des Körpers und der Seele aufbrechen. Die World Federation of Jewish Child Survivors organisiert seit Mitte der 80er-Jahre jährliche Zusammentreffen von Child Survivors, um ihnen die Möglichkeit zum Beisammensein und zum Austausch unter Leidensgenossen zu geben.

Zum ersten Mal soll eine breite Öffentlichkeit in Deutschland auf dieses besondere Schicksal aufmerksam gemacht werden. Warum erst jetzt?
In den Jahrzehnten nach der Schoa hat man die Child Survivors als die vom Schicksal Begünstigten betrachtet, weil man glaubte, dass das kindliche Gedächtnis die Bilder der Schoa verdrängen würde. Auch die Child Survivors selbst haben lange Zeit über ihre Verfolgung geschwiegen, teils weil sie vom Aufbau eines neuen Lebens vollständig absorbiert waren, teils weil sie das Erlebte zu verdrängen suchten, teils auch, weil ihnen ihre Umgebung das erlittene Leid absprach.

Wird die Bundesrepublik ihrer Verantwortung gegenüber dieser Opfergruppe gerecht?
Der Verlust der Kindheit ist ein Verfolgungstatbestand, der bisher keine Anerkennung durch die Bundesregierung erfahren hat. Die Child Survivors ringen nachdrücklich darum, dass ihr Leiden endlich gesehen und anerkannt wird. Sie werden darin von der Claims Conference unterstützt.

Warum wurde Berlin als Veranstaltungsort ausgewählt?
Berlin ist ein Ort von hoher symbolischer Bedeutung für die Überlebenden der Schoa. 70 Jahre nach dem Holocaust wollen die Child Survivors hier ihren Anspruch auf Anerkennung demonstrieren. Zugleich ist die Bereitschaft der Child Survivors, nach Berlin zu kommen, als Zeichen der Verständigung und des Miteinanders der Menschen trotz und gerade wegen ihrer Unterschiedlichkeit zu verstehen.

Das Treffen findet in einer Zeit zunehmender antisemitischer Angriffe statt. Wir wirkt sich das auf die Veranstaltung aus?
Die Zunahme antisemitisch motivierter Übergriffe in Europa wird in der ganzen jüdischen Welt mit großer Sorge beobachtet. Insbesondere sind die Holocaust-Überlebenden alarmiert, die mit längst überwunden geglaubten Mustern antijüdischer Hetze konfrontiert werden.

Mit dem Vizepräsidenten der Claims Conference sprach Detlef David Kauschke.

Nahost

Israel: Wir stehen kurz vor Abschluss des Einsatzes in Gaza

US-Präsident Donald Trump sagte jüngst, dass es bald im Gaza-Krieg eine Waffenruhe geben könnte. Auch Israels Verteidigungsminister Katz äußert sich nun optimistisch

 30.06.2025

Debatte

Anti-Israel-Parolen: USA entziehen britischer Band Visa

Ein britischer Festivalauftritt mit israelfeindlichen Parolen wird live von der BBC übertragen. Der Sender steht unter Druck – und die USA kündigen an, der Band die Einreise zu verweigern

 30.06.2025

Interview

Nuklearforscher: »Das iranische Atomprogramm neu aufzubauen wird Jahre dauern«

Georg Steinhauser über die israelischen und amerikanischen Schläge gegen Atomanlagen im Iran, die Eigenschaften von Uran-235 und mögliche Szenarien für die Zukunft

von Michael Thaidigsmann  30.06.2025

Israel

Früherer Geheimdienstchef der israelischen Armee: Jerusalem musste das Atomprogramm der Mullahs stoppen

Im Juni 1981 war Amos Yadlin an der Zerstörung von Saddam Husseins Kernreaktor beteiligt. Nun hat er ausführlich über Israels Präventivschlag gegen das Mullah-Regime und den angeblichen »Völkermord« in Gaza Auskunft gegeben

von Imanuel Marcus  30.06.2025 Aktualisiert

Drohung

Iranische Zeitung fordert Todesstrafe gegen IAEA-Chef Grossi

Das staatliche Propagandablatt wirft Rafael Grossi vor, für Israel spioniert zu haben

 30.06.2025

Düsseldorf

Islamistischer Tiktok-Star gesteht Spendenbetrug

Der Islamist »Abdelhamid« hat unter seinen Followern Spenden »für Palästina« gesammelt und diese dann unter anderem für einen BMW ausgegeben. Das gestand er nun vorm Düsseldorfer Landgericht

von Martin Höke  30.06.2025

Düsseldorf

NRW: Zahl antisemitischer Straftaten gestiegen

Fast 700 Fälle wurden im vergangenen Jahr registriert - ein Zuwachs von 27 Prozent

 30.06.2025

Uni Duisburg

Online-Mahnmal gegen Schändung jüdischer Friedhöfe gestartet

Die Universität Duisburg-Essen hat ein Online-Projekt zum Schutz jüdischer Friedhöfe vorgestellt. Grundlage dafür ist eine interaktive Karte

von Raphael Schlimbach  30.06.2025

Atomprogramm

Iran signalisiert Bereitschaft zu Verhandlungen

Nach den US-Angriffen auf iranische Nuklearanlagen wurden die Atomgespräche zunächst unterbrochen. Nun mehren sich Signale Teherans, an den Verhandlungstisch zurückzukehren - unter Bedingungen

 30.06.2025