Berlin

UNRWA-Chef warnt vor Zusammenbruch des Hilfswerks

Philippe Lazzarini, Generalkommissar für das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten UNRWA Foto: picture alliance / Chris Emil Janßen

Der Chef des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA), Philippe Lazzarini, hat eindringlich vor einem möglichen Zusammenbruch der Organisation gewarnt. »Die finanzielle Lage ist äußerst kritisch«, sagte er am Dienstag in Berlin. Ohne zusätzliche Unterstützung drohten drastische Einschnitte bei der Versorgung palästinensischer Flüchtlinge im Nahen Osten.

Hintergrund: Die UNRWA steht insbesondere seit den Massakern vom 7. Oktober 2023 wegen ihrer Verbindungen zu den Terroristen der Hamas in der Kritik. Israel und die USA beispielsweise werfen der Organisation vor, von der Hamas unterwandert zu sein und lieferte im Januar 2024 zahlreiche Beweise. So wurde bekannt, dass mehr als UNRWA-Mitarbeiter an den Massakern beteiligt waren und auch Geiseln in den Gazastreifen entführt haben.

Die UNRWA hatte daraufhin eine interne Untersuchung durchgeführt und neun Mitarbeiter entlassen. 1468 der 13.000 Mitarbeiter sollen nach Einschätzungen der israelischen Regierung Mitglied der Hamas sein. Bei vielen anderen Mitarbeitern wird eine große Nähe zur Hamas angenommen.

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Lazzarini berichtete, dass er vor zwei Wochen kurz vor der Entlassung Tausender Mitarbeiter in der gesamten Region gestanden habe, weil die Finanzierung fehlte. Nur vorgezogene Zahlungen einzelner Geber hätten das Hilfswerk kurzfristig gerettet. Der finanzielle Spielraum reiche nun noch für zwei Monate.

Ab September gebe es keinerlei Planungssicherheit mehr. Das Defizit bis Jahresende liege bei rund 200 Millionen US-Dollar. Besonders schwer wiege, dass die USA als einst größter Geldgeber ihre Zahlungen vollständig eingestellt hätten.

Der UNRWA-Chef forderte Deutschland auf, weiter politische und finanzielle Unterstützung für das Hilfswerk zu leisten. Das sende zugleich ein Signal an die Palästinenser, dass Deutschland ihnen nicht den Rücken gekehrt habe. Er warnte vor schwerwiegenden Folgen, sollte das Hilfswerk als »stabilisierendes Element in einer zunehmend instabilen Region« wegfallen.

Das könne möglicherweise auch Unruhen in den Nachbarländern auslösen. Das Hilfswerk habe ein »enormes Potenzial«, um eine gerechte und dauerhafte Lösung für die Palästinenser zu erreichen.

Am Montag traf Lazzarini Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan. Danach veröffentlichte das Ministerium eine Mitteilung, in der die SPD-Politikerin mit den Worten zitiert wird: »UNRWA spielt in Gaza und in der gesamten Region eine lebensrettende Rolle.« In der Mitteilung ist auch davon die Rede, dass die Ministerin die Fortschritte bei den Reformen angesprochen habe, zu denen sich das Hilfswerk wegen des Vorwurfs mangelnder Neutralität verpflichtet habe. »Das Hilfswerk steht immer wieder in der Kritik, Kontakte von Mitarbeitern zur palästinensischen Terrororganisation Hamas nicht ausschließen zu können.«

Der frühere Entwicklungsminister Dirk Niebel ist da deutlicher. Der FDP-Politiker sagte kürzlich in einem Interview mit unserer Zeitung, dass sich herausgestellt habe, »dass die UNRWA komplett von der Hamas durchseucht ist«. Für Niebel ist klar: »Die UNRWA ist nicht Teil einer Lösung, sondern Teil des Problems.« epd/ja

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