Universität Potsdam

UpJ: Bericht wirft »verfassungsrechtliche Fragen« auf

In der Kritik: Rabbiner Walter Homolka Foto: picture alliance / Julian Stratenschulte/dpa

Die Union progressiver Juden in Deutschland KdöR (UpJ) hat begrüßt, dass der Bericht der Untersuchungskommission der Universität Potsdam zu Vorwürfen gegen Rabbiner Walter Homolka »keine straf- oder zivilrechtlich sowie disziplinarisch zu ahndenden Sachverhalte aufzeigt«. Das teilte die UpJ am Freitag auf Facebook mit.

Homolka ist Gründer des Abraham-Geiger-Kollegs (AGK) und Vorsitzender der Union progressiver Juden. Dieses Amt lässt er ebenso wie andere Ämter in der jüdischen Gemeinschaft bis zur Klärung der Vorwürfe ruhen. Am 11. Dezember wählt die Union progressiver Juden einen neuen Vorstand.

FRAGEN »Insgesamt wirft der Bericht der Universität verfassungsrechtliche Fragen auf, die weit über das Verhältnis von Uni Potsdam und AGK hinausreichen«, heißt es dem auf Facebook veröffentlichten Statement der UpJ. »Letzteres gilt insbesondere für die Regeln der Ausbildung in einer religiösen Institution.«

Hintergrund sind unter anderem Fragen einer Nicht-Zulassung zur Ordination. Es überrasche nicht, dass nicht alle am Kolleg Zugelassenen mit der Ordination abschlössen. Das Abraham-Geiger-Kolleg bildet in Potsdam seit 2001 liberale Rabbinerinnen und Rabbiner sowie Kantorinnen und Kantoren aus.

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Die in der vergangenen Woche vorgestellte Untersuchung der Uni hatte Vorwürfe gegen Homolka in Teilen bestätigt. Dies bezieht sich auf »Vorwürfe des Machtmissbrauchs«, nicht aber auf »Vorwürfe der Duldung sexuell belästigenden Verhaltens seitens seines Lebenspartners«. Die Vorwürfe hatten auch im Ausland Entsetzen und Rücktrittsforderungen ausgelöst.

VORWURF DES MACHTMISSBRAUCHS In der Untersuchung heißt es: »Eine klare Gremienstruktur, die sowohl über Zulassungen als auch über Entscheidungen zur Ordination entscheidet, ist nicht erkennbar.« Wie viele ausbildungsrelevante Entscheidungen habe auch diese in der Hand des Direktors und Geschäftsführers des Kollegs gelegen.

»Hier allerdings wird deutlich, dass es auch fließende Übergänge gibt. Derselbe Vorgang könnte als Machtmissbrauch verstanden werden oder aber als Folge der Autonomie religiöser Gemeinschaften, sowohl über Aufnahme und Ausschluss aus der Gemeinschaft, und erst Recht über die Bestellung des seelsorgerischen Personals autonom zu entscheiden.« Wie derartige Fälle zu bearbeiten seien, wäre danach eine »interne Angelegenheit der jeweiligen religiösen Gemeinschaft«, stellt die Untersuchung fest.

Homolka weist die Vorwürfe weiterhin zurück. Der »Zeit« sagte er vorvergangene Woche, er sei »kein Vertuscher und kein Belästiger«. Mit Blick auf seine Leitungsfunktion erklärte er: »Ja, ich war Chef und hatte Macht. Doch Machtgebrauch ist nicht schon Machtmissbrauch.« Über Karrieren habe er nie allein entschieden. Und weiter: »Was mein Partner getan hat, war grundfalsch.«

STATEMENT Das Kolleg will künftig auf mehr Transparenz und Kontrolle setzen und könnte laut Interimsdirektorin Gabriele Thöne in eine »unabhängige Ausbildungsstiftung« umgewandelt werden. Entscheidend sei, »dass wesentliche Entscheidungen von transparent zusammengesetzten Gremien getroffen, begleitet und in ihrer Umsetzung kontrolliert werden«.

Am Freitag teilte die Union progressiver Juden (siehe oben) mit, sie begrüße, dass der Bericht der Universität »keine straf- oder zivilrechtlich sowie disziplinarisch zu ahndenden Sachverhalte« aufzeige. Uni-Präsident Oliver Günther hatte anlässlich der Vorstellung der Untersuchung gesagt, bisher ergäben sich »keine straf- oder zivilrechtlichen Konsequenzen«. Homolka sei seit Oktober wieder ordentlicher Professor im Dienst der Universität. Er habe aber ein Forschungsfreisemester beantragt.

Vertreter der Union, die in Deutschland etwa 5500 Mitglieder hat, hätten sich bei einem Treffen kürzlich mit dem Vorwurf des Machtmissbrauchs befasst, heißt es in der Mitteilung weiter. Es sei daran erinnert worden, dass Homolka Funktionen in Institutionen wahrgenommen habe, die erst durch seine Initiative entstanden seien.

Mit Blick auf die Untersuchung der Uni Potsdam wird ferner betont, »diese vermeintliche Ämterhäufung« sei »für sich allein nicht schon als Machtmissbrauch zu bewerten«.

https://www.facebook.com/Reformjudentum/posts/pfbid0acSosGZJih6yMLojPuwnmeSsFYdCtXhPCBoHiqR8hAtoY99mUrXpYgYdc7vmLqKMl

Bei einem Treffen der Vertreter der in der UpJ zusammengeschlossenen liberalen jüdischen Gemeinden und Institutionen am 30. Oktober in Köln wurde insbesondere der verbleibende Vorwurf des vermeintlichen Machtmissbrauchs durch Rabbiner Homolka an dem von der UpJ mitgetragenen Institut für Jüdische Theologie der Universität Potsdam und am Abraham Geiger Kolleg (AGK) diskutiert.

WIDERSPRUCH Auch der Annahme, Rabbiner Homolka hätte durch »Vergabe von Stipendien und finanziellen Förderungen von Studierenden« seine Macht missbraucht, sei bei dem UpJ-Treffen widersprochen worden. »Als Vorsitzender des Trägervereins des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks (ELES) war Rabbiner Homolka an der Vergabe der Stipendien der Begabtenförderung nicht beteiligt. Auch als Vorsitzender der UpJ hatte er keinen Einfluss auf die Vergabe von Stellen für Absolventinnen und Absolventen des AGK, da darüber die Gemeinden eigenständig entscheiden. Den ELES-Vorsitz hatte Walter Homolka wie andere Ämter sofort nach den ersten in der Presse publizierten Anschuldigungen ruhen lassen«, so das Statement.

Mehrere UpJ-Mitgliedsgemeinden distanzierten sich von der Erklärung und wandten sich damit gegen ihren Vorstand. So veröffentlichten sowohl die Liberale Jüdische Gemeinde Hannover als auch die liberale Gemeinde Kassels »Emet weSchalom« auf ihren Facebook-Seiten ein gleichlautendes Statement: »Der Untersuchungsbericht der Universität Potsdam hat in seinem Ergebnis den Machtmissbrauch durch Herrn Homolka bestätigt. Der Untersuchungsbericht durch die Kanzlei im Auftrag des Zentralrates steht zudem noch aus und es bleibt abzuwarten, was dieser noch hervorbringt. Aus diesem Grund bleibt unsere ursprüngliche Forderung bestehen, dass Herr Homolka von seinen Ämtern zurücktreten soll. Sein erwiesenes Verhalten ist nicht mit unserem jüdisch-ethischen Grundverständnis zu vereinbaren.«

Vertreter der liberalen Gemeinden von Hameln und Göttingen, der Gemeinde Bet Haskala in Berlin sowie der Gruppe »TaMaR« bestätigten gegenüber der Jüdischen Allgemeinen, das Statement zu unterstützen.

DISTANZIERUNG Auch acht Mitglieder der Allgemeinen Rabbinerkonferenz, die insgesamt fast 40 Mitglieder hat, schlossen sich der Distanzierung von Homolka an. In einer an diesem Montag veröffentlichten Erklärung schrieben die Rabbiner: »Wir, die unterzeichnenden Mitglieder der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschlands (ARK), sehen die gegen Walter Homolka erhobenen Vorwürfe des Machtmissbrauchs und der moralischen Verfehlungen durch zahlreiche Zeugnisse sowie durch den am 26. Oktober 2022 vorgelegten Bericht der Untersuchungskommission der Universität als bestätigt an.«

Weiter hieß es: »Wir setzen uns für die Abstellung sämtlicher Missstände in vormals von Walter Homolka dominierten Institutionen ein. Mit Sorge schauen wir auf den Versuch, Gegennarrative zu schaffen, die den bisherigen Status quo zu bewahren suchen und somit die Heilung der durch den Machtmissbrauch entstandenen Schäden behindern.« Zu den Unterzeichnenden gehören die Rabbiner Esther Jonas-Märtin, Daniel Katz, Birgit Klein, Moshe Navon, Ulrike Offenberg, Netanel Olhoeft, Andrew Steiman und Walter Rothschild. Das bestätigte Rabbinerin Offenberg der Jüdischen Allgemeinen.

Bereits am 26. Oktober, kurz nach der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts, hatte der Vorstand der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK) eine Stellungnahme abgegeben. Darin nahm die ARK »mit Freude zur Kenntnis, dass die Untersuchung der Kommission der Universität Potsdam nach mehr als sechs Monaten nunmehr vorliegt.« Der ARK-Vorsitzende, Rabbiner Andreas Nachama, erklärte: »Das entscheidende Ergebnis: die Vorwürfe sexualisierter Belästigung am Abraham Geiger Kolleg oder durch seinen Rektor [Walter Homolka; Red.] werden deutlich zurückgewiesen und ausgeräumt.«

Anders dagegen die European Rabbinical Assembly (ERA), der in Brüssel ansässige Dachverband liberaler Rabbinerinnen und Rabbiner. Am vergangenen Freitag veröffentlichte die ERA eine Erklärung zum Fall Homolka. Darin hieß es, eine Institution, die Rabbiner ausbilde, müsse »höchste ethische Standards vorleben, und wir sind der Auffassung, dass der bestätigte Machtmissbrauch in Form seiner strukturellen Ausgestaltung zeigt, dass die derzeitige Leitung nicht geeignet ist, diese Probleme anzugehen.« kna/ja

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