Sicherheitsrat

Undiplomatisch

Der Historiker und Publizist Michael Wolffsohn Foto: imago

Sicherheitsrat

Undiplomatisch

Die deutsche Israelpolitik in der UN zeugt nicht von klarem Denken. Und sie schadet unseren Interessen

von Michael Wolffsohn  05.04.2019 09:11 Uhr

Deutsche Interessen werden von Deutschlands Regierung schlecht vertreten. Nicht zuletzt auf dem Feld der Israelpolitik und, damit engstens zusammenhängend, der Politik gegenüber den USA. Den jüngsten Anschauungsunterricht dazu hat Deutschlands UN-Botschafter Christoph Heusgen im Sicherheitsrat geliefert.

Was sind »deutsche Interessen«? Erstens: Sicherheit nach innen und außen. Ohne Sicherheit keine Freiheit. Jenseits allen Verdrusses über die Personen Trump oder Netanjahu ist Deutschland für seine Sicherheit sowohl auf die USA als auch auf Israel angewiesen.

Deutschlands UN-Botschafter Heusgen setzt Hamas-Raketen mit israelischen Bulldozern gleich.

Das gilt zum einen für den militärischen Schutz durch die USA vor konventionellen und nuklearen Angriffen und zum anderen für deren unverzichtbare Hilfe bei der Terrorverhinderung und -bekämpfung. In diesem Bereich ist Israel für Deutschland ebenfalls unverzichtbar. Wer diese Rahmenbedingungen missachtet, verletzt deutsche Interessen.

IT-Bereich Zweitens muss Deutschland seine wirtschaftlichen Interessen verfolgen. Der US-Markt ist für die deutsche Wirtschaft lebenswichtig. Ohne Informationstechnologie made in USA wäre Deutschland aufgeschmissen. Für den IT-Bereich und andere innovative Sektoren – inklusive der Abwehr von Cyberattacken – gilt Gleiches im Verhältnis Deutschlands zu Israel. Hier ist der jüdische Zwergstaat ein Gigant. Ergo: Deutschland sollte Amerika und Israel bei Laune halten.

Christoph Heusgen, unser Mann am East River, hat, in Abstimmung mit der Kanzlerin und dem Auswärtigen Amt, am 26. März eben jene deutschen Interessen verletzt. Der Sicherheitsrat befasste sich wieder einmal mit der Lage in Nahost. Bereits eine Stunde und 29 Minuten lang hatte sich Heusgen die altbekannten Positionsbeschreibungen seiner Kollegen angehört. Dann erhielt er das Wort und nannte in seinem stark angedeutschten Englisch Sitzungen über Nahost die »am meisten depressive Übung«. Er meinte »deprimierend« und erläuterte eiskalt diplomatisch: UN-Entschließungen dienten Frieden und Sicherheit und gälten als internationales Recht.

Was sind »deutsche Interessen«? Ohne Sicherheit keine Freiheit!

Teheran Dieses sei »verbindlich« – und werde ständig gebrochen. Dabei nannte er diverse Nahost-Resolutionen der UN, gegen die, so Heusgen ungewöhnlich undiplomatisch, die USA und Israel wiederholt verstoßen würden – zuletzt bezogen auf den Status Jerusalems und den Golan. Einen Teil dieser Höhen beherrscht de facto der Iran. Darüber schwieg Heusgen, damit Deutschland – die USA provozierend und Israel gefährdend – mit Teheran Geschäfte machen kann. Den Vertreter der USA, die unsere Sicherheit garantieren, sprach Heusgen als »Kollegen« an, die israelischen und palästinensischen als »Freunde«. Man beachte hier die Gleichrangigkeit. Beides ist entlarvend, nicht nur für Heusgen, sondern für die gesamte deutsche Außenpolitik. Dass Heusgen, repräsentativ für die deutsche Politik, Hamas-Raketen auf israelische Zivilisten gleichsetzt mit dem Abriss der Häuser von Terroristen durch israelische Bulldozer, ergänzt das Bild.

UN-Entschließungen, so Heusgen weiter, seien »Wege zu Frieden und Sicherheit«. Wieder zeigt seine Wortwahl unklares Denken. Recht ist kein Weg, sondern ein Instrument. Sei’s drum. Wenn sich jedoch der seit Jahrzehnten benutzte »Weg« zu Frieden und Sicherheit in Form der Zweistaaten»lösung« als Irrweg erwiesen hat, geböte die Vernunft, einen neuen einzuschlagen. Stattdessen das end- und leidenschaftslos verlesene UN-Ritual. Dieses stumpfe Verlesen des Altbekannten durch seine Kollegen und »Freunde« kritisierte Heusgen zurecht, jedoch hochnäsig wie ein Schulmeister. Scheinkluger Größenwahn mit selektiver Moral. Kein Wort über Assads Verbrechen, iranische Aggressionen oder die Unterdrückung chinesischer Muslime. Auch diesbezüglich ist Heusgen als Repräsentant Deutschlands wirklich repräsentativ.

Auch die Bundesregierung weiß, wie UN-Entschließungen entstehen – und dass sie einseitig antiisraelisch geprägt sind und, ja, Israel in seiner Existenz angreifen.

Trump Nach einem neuen Weg sucht Heusgen so wenig wie Angela Merkel, Heiko Maas oder die »Internationale Gemeinschaft«. US-Präsident Trump versucht es. Bislang ebenfalls ohne Erfolg. Allerdings begann er seinen Weg erst 2017, die UNO und Deutschland ihren seit 1974.

Der Inhalt von UN-Entschließungen ist für Heusgen, ebenso wie für Merkel, Maas und die Mehrheit der internationalen UN-»Gemeinschaft«, offenbar Dogma. Nach Sinn oder Unsinn wird nicht gefragt. Dabei weiß jedermann, wie UN-Entschließungen entstehen, wer sie warum will und dass sie oft, zumindest aus Sicht Israels und (meistens) der USA, einseitig antiisraelisch geprägt sind und, ja, Israel in seiner Existenz angreifen. So wird Israelfeindschaft zu »bindendem Recht«, an das sich – wie seltsam – Israel sowie die USA nicht halten. Diese Rechtsbrüche bleiben folgenlos, denn die UN hat keine Instrumente, sie zu ahnden. Auch das weiß jeder in Berlin und New York. Die Folge: Denken und Ritual versteinern noch mehr.

Mit dem unsinnigen und bigotten Ritual brechen wollte die FDP kurz vor jener UN-Debatte, wollte eine Kurskorrektur deutscher Israelpolitik in der UN erreichen. Das wurde von CDU/CSU (bis auf Hans-Peter Friedrich), SPD plus Linke (mit einer löblichen Ausnahme und fünf Enthaltungen) im Bundestag abgelehnt. Nur die AfD schloss sich dem Ansinnen der FDP an. Will jene (vermeintliche?) Allianz gegen Rechts damit der AfD einen Persilschein ausstellen? Die Koalition hat ein doppeltes Eigentor geschossen. Sie hat sich selbst entlarvt und bewiesen, dass ihr – weder von Israel erwartetes noch notwendiges – Sicherheitsversprechen nichts ist als Phrasendrescherei.

Der Autor ist Historiker und Publizist in München.

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Stuttgart

Polizei plant Großeinsatz bei Maccabi-Spiel

Vor den Europa-League-Auftritten gegen Maccabi Tel Aviv sind der VfB Stuttgart und der SC Freiburg alarmiert. Ein Fan-Ausschluss wie zuletzt in Birmingham ist momentan nicht geplant

 19.11.2025

Nazivergangenheit

Keine Ehrenmedaille für Rühmann und Riefenstahl

»NS-belastet« oder »NS-konform« – das trifft laut einer Studie auf 14 Persönlichkeiten der Filmbranche zu. Ihnen wird rückwirkend eine Auszeichnung aberkannt, die die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) zukünftig nicht mehr vergeben will

von Niklas Hesselmann  19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

München

LMU sagt Veranstaltung zu palästinensischer Wissenschaft ab

Die Universität verwies in ihrer Stellungnahme darauf, dass es erhebliche Zweifel gegeben habe, »ob es sich um eine wissenschaftliche Veranstaltung auf dem erforderlichen Niveau gehandelt hätte«

 19.11.2025

Internet

Expertin: Islamisten ködern Jugendliche über Lifestyle

Durch weibliche Stimmen werden auch Mädchen von Islamistinnen verstärkt angesprochen. Worauf Eltern achten sollten

 19.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  19.11.2025

Religion

Rabbiner: Macht keinen Unterschied, ob Ministerin Prien jüdisch ist

Karin Priens jüdische Wurzeln sind für Rabbiner Julian-Chaim Soussan nicht entscheidend. Warum er sich wünscht, dass Religionszugehörigkeit in der Politik bedeutungslos werden sollte

von Karin Wollschläger  19.11.2025

Riad/Istanbul

Scheinbar doch kein Treffen zwischen Witkoff und Hamas-Führer

Es geht um die Umsetzung der nächsten Schritte des Trump-Plans. Den zentralen Punkt der Entwaffnung der Hamas lehnt die Terrororganisation ab

 19.11.2025 Aktualisiert