Einspruch

Unanständige Versöhnung

Doron Kiesel Foto: Marco Limberg

Deutschland hat ein Thema: Talkshows, Zeitungskommentare, Internetdiskussionen, und auch der Justizminister drückt seine Zufriedenheit aus. Am Rande des Prozesses gegen einen früheren SS-Mann hat mit Eva Kor eine Auschwitz-Überlebende den NS-Tätern Versöhnung angeboten.

Damit hat Frau Kor, vorsichtig formuliert, unter Juden – bei Schoa-Überlebenden und auch in der zweiten und dritten Generation – für Irritation gesorgt. Unstrittig ist, dass sie ihr Bedürfnis nach Versöhnung individuell ausleben darf.

Wenn es ihr, die als Kind durch die Experimente des Dr. Mengele misshandelt wurde und deren engste Verwandte in Auschwitz ermordet wurden, hilft, ihre Traumatisierung zu bekämpfen, ist dagegen wenig zu sagen. Ich persönlich finde es zwar mehr als befremdlich, dass Frau Kor den SS-Mann Oskar Gröning, dem Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen vorgeworfen wird, umarmt und ihm verzeiht. Aber es ist ihre individuelle Entscheidung.

inszenierung
Problematisch wird die scheinbare Versöhnung durch ihre öffentliche Inszenierung. Es ist ja nicht nur so, dass Frau Kor für ihre Versöhnung die Medien sucht. Vor allem aber wird ihr diese Öffentlichkeit geboten. Ihre Geste ist eine Steilvorlage für Teile der deutschen Mehrheitsgesellschaft, die auch 70 Jahre nach der Schoa jede Gelegenheit nutzen, ihre schuldhafte Verstrickung in die Verbrechen des Nationalsozialismus und die Vernichtung der europäischen Juden abzuwehren.

Wenn eine verfolgte jüdische Überlebende auf die psychischen Entlastungswünsche eines Täters eingeht, dann verantwortet sie einen folgenreichen symbolischen Tabubruch. Erst recht, wenn Vertreter der politischen Führung ihre Handlung als vorbildhaft bezeichnen.

Frau Kors Umarmungsgeste hat eine positive und lobende Reaktion bewirkt. Dabei wäre in diesem Fall vermutlich ein schamhaftes Wegschauen angebrachter gewesen. Wie sich die Öffentlichkeit auf Eva Kors Geste stürzt, ist unanständig und verräterisch.

Der Autor ist Professor für Interkulturelle Erziehung in Erfurt und Wissenschaftlicher Direktor der Bildungsabteilung im Zentralrat.

Nahost

Merz stellt sich hinter Angriffe auf den Iran

Sein »Drecksarbeit«-Zitat will der Bundeskanzler aber nicht wiederholen

 23.06.2025

Berlin

Freispruch für »From the river to the sea«-Rufer

Ein Vorsatz des 23-jährigen Studenten, Hamas-Symbolik nutzen zu wollen, sei nicht erkennbar gewesen, so die zuständige Richterin

 23.06.2025

Medienbericht

Geheimdossier soll zeigen, wie nah die Mullahs an der Bombe waren

Der britische »Economist« bekam Einblick in nachrichtendienstliche Unterlagen aus Israel

 23.06.2025

Berlin

Festnahmen bei »United 4 Gaza!«-Demo

Aufgrund von Straftaten kam es zu Dutzenden Festnahmen, Polizisten wurden angegriffen

 23.06.2025

Europäische Union

Verhängt die EU jetzt Strafmaßnahmen gegen Israel?

In Brüssel wächst die Wut über Israels Vorgehen in Gaza. Einige Staaten drängen vehement auf Strafmaßnahmen. Jetzt wurde ein Prüfbericht bekannt, der eindeutige Schlüsse zieht

von Michael Thaidigsmann  23.06.2025

Konflikt mit Iran

Josef Schuster: Bundesregierung muss an der Seite Israels und der USA stehen

»Wenn das Atomprogramm nun (...) geschwächt wurde, ist das erstmal eine gute Nachricht«, sagt der Präsident des Zentralrates der Juden

 23.06.2025

Meinung

Die Schah-Flagge ist kein Symbol für Demokratie

Die Löwenfahne mag für manche iranische Oppositionelle ein Zeichen des Widerstands sein. Doch sie steht für eine repressive Vergangenheit statt für ein progressives Morgen

von Ruben Gerczikow  23.06.2025

Rechtsextremismus

Justizministerin Hubig will AfD-Verbotsverfahren prüfen

»Wir können nicht einfach weitermachen, als wäre nichts gewesen«, so die Justizministerin

 23.06.2025

Soziale Medien

Facebook-Nutzer missbrauchen Namen von Holocaust-Opfern mit KI

Etwa anderthalb Millionen jüdische Kinder kamen in der Schoa ums Leben. Hannelore Kaufmann war eine von ihnen. Ihr Name wird nun auf Facebook als Clickbait missbraucht

 23.06.2025