Menschenfeindlichkeit

Umfrage: Deutlich weniger »latenter Antisemitismus«

Hakenreuze wurden 2022 an das Carl-von-Ossietzky-Gymnasium in Hamburg-Poppenbüttel geschmiert. Foto: picture alliance /

Die Menschen in Deutschland äußern heute deutlich seltener negative Vorurteile über Juden als noch vor 20 Jahren. Der Anteil von Menschen mit »latentem Antisemitismus« sei von 23 Prozent im Jahr 2003 auf 7 Prozent in diesem Jahr zurückgegangen, ermittelte das Institut Forsa im Auftrag des Magazins »Stern«. Bei Anhängern der AfD sind negative Einstellungen gegenüber Juden laut Umfrage allerdings doppelt so häufig wie bei Anhängern anderer Parteien.

Der »Stern« ließ Ende November eine Befragung wiederholen, die es vergleichbar bereits 1998 und 2003 gegeben hatte. Befragt wurden diesmal 2018 deutschsprachige Bundesbürger ab 14 Jahre, jeweils etwa 1000 in Ost und West. Wie damals wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern acht spezielle Fragen vorgelegt, mit denen Forscher antijüdische Einstellungen aufspüren. In allen acht Kategorien ging die Zustimmung zu negativen Vorurteilen zurück.

Angeblich »eigentümlich«

Zum Beispiel stimmten der Aussage »Viele Juden versuchen aus der Vergangenheit des Nationalsozialismus heute ihren Vorteil zu ziehen und die Deutschen dafür zahlen zu lassen« 2023 noch 24 Prozent ganz oder überwiegend zu - im Vergleich zu 38 Prozent 2003. Zu dem Satz »Juden haben auf der Welt zu viel Einfluss« äußerten sich jetzt 14 Prozent zustimmend, nach 28 Prozent vor 20 Jahren.

Die Phrase »Durch ihr Verhalten sind die Juden an ihren Verfolgungen nicht ganz unschuldig« bejahen heute 9 Prozent, damals waren es 19. »Juden haben einfach etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen daher nicht recht zu uns« finden heute 7 Prozent, damals waren es 17 Prozent. Bei den übrigen Fragen war der Trend ähnlich. Der Wert zum »latenten Antisemitismus« wurde aus den Antworten zu sechs der acht Fragen berechnet. Der ermittelte Wert von 7 Prozent entspricht anderen aktuellen Umfragen wie der Leipziger Autoritarismusstudie von 2022.

Viel negativer

Bei Anhängern der AfD ergibt sich ein anderes Bild als beim Durchschnitt. Der Behauptung, Juden zögen angeblich »Vorteile« aus der Vergangenheit des Nationalsozialismus, stimmte jeder zweite AfD-Anhänger zu (49 Prozent im Vergleich zu 24 Prozent insgesamt). Dass der Einfluss der Juden auf der Welt zu groß sei, bejahten 26 Prozent der AfD-Anhänger, dass Juden »eigentümlich« seien, fanden im AfD-Lager 17 Prozent. In allen Kategorien äußerten sie sich negativer als der Schnitt der übrigen Befragten.

Obwohl die Befragten selbst seltener negative Einstellungen äußern als 2003, halten sie die Stimmung im Land gegenüber Juden insgesamt für schlechter: 53 Prozent sagen, dass Einstellungen gegenüber Juden in den vergangenen Jahren negativer geworden seien - im Vergleich zu 30 Prozent im Jahr 2003. Im eigenen Bekanntenkreis vermuten die Befragten ebenfalls etwas häufiger negative Einstellungen gegenüber Juden als noch vor 20 Jahren.

»Harter Kern«

Viele Jüdinnen und Juden haben in jüngster Zeit mehr Ängste vor Anfeindungen und Sorge um ihre Sicherheit in Deutschland, denn seit dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel vom 7. Oktober ist die Zahl der gemeldeten antisemitischen Vorfälle stark gestiegen. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus RIAS erfasste seither im Schnitt 29 antisemitische Vorfälle pro Tag.

Der Berliner Antisemitismus-Beauftragte Samuel Salzborn sagte dem »Stern« zu den Zahlen: »Der harte Kern der Antisemiten wird radikaler, brachialer, unter Umständen auch gewaltbereiter.« Die Mehrheit im Land müsse sich aktiv gegen Antisemitismus positionieren, forderte Salzborn. »Sonst prägen diejenigen, die aggressiver werden, sehr viel mehr die öffentlichen Debatten.« dpa

Extremismus

BSW-Chefin Wagenknecht will Brandmauer zur AfD einreißen 

Gespräche zwischen BSW und AfD? Landespolitiker in Thüringen haben es vorgemacht. Selbstverständlich sei das auch auf Bundesebene möglich, sagen beide Seiten

von Torsten Holtz  04.07.2025

Medien

Eurovision künftig ohne Israel?

Die Regierung droht mit der Schließung des öffentlich-rechtlichen Senders Kan. Das könnte das Aus für die Teilnahme am weltgrößten Gesangswettbewerb sein

von Sabine Brandes  04.07.2025

Berlin

Russland steuert Hetzkampagne gegen Nicholas Potter

Das Propaganda-Portal »Red« ist Treiber der Diffamierungskampagne gegen den Journalisten. Das Auswärtige Amt ist sich nun sicher, dass Russland hinter dem Portal steht

 04.07.2025

USA

Edan Alexander bedankt sich bei Donald Trump

Die freigelassene Geisel Edan Alexander trifft erstmals US-Präsident Trump. Um sich zu bedanken und auch, um darauf zu drängen, alle verbleibenden Geiseln so schnell wie möglich nach Hause zu holen

 04.07.2025

Rassistischer Polizist bleibt im Dienst

Gericht »nicht auf rechtem Auge blind«

Der Verwaltungsgerichtshof München steht in der Kritik, weil er einen ehemaligen Personenschützer von Charlotte Knobloch im Dienst belassen hat - obwohl dieser Juden in KZs wünschte. Jetzt wehrt sich das Gericht

 04.07.2025 Aktualisiert

Berlin

Wie viel Migration verträgt das Klassenzimmer – und sind Grenzen nötig?

Bundesbildungsministerin Prien hält eine Obergrenze für Schüler mit Migrationshintergrund für denkbar

 04.07.2025

Österreich

Hitler-Geburtsort Braunau benennt Straßennamen mit NS-Bezug um

Ausgerechnet in Adolf Hitlers Geburtsort gibt es bis dato nach Nationalsozialisten benannte Straßen. Das soll sich ändern - und trifft bei einigen Politikern auf Widerstand

 03.07.2025

Hamburg

Hamas-Anhänger tritt bei staatlich gefördertem Verein auf

Das Bündnis Islamischer Gemeinden in Norddeutschland wird durch das Programm »Demokratie leben« gefördert und lud einen Mann ein, der Sinwar als »Märtyrer« bezeichnet hat

 03.07.2025

«Stimme der verstummten Millionen»

Anita Lasker-Wallfisch blickt ernüchtert auf die Welt

Sie gehörte dem Mädchen-Orchester von Auschwitz an, überlebte das Lager und später das KZ Bergen-Belsen. Am 17. Juli wird die Cellistin Anita Lasker-Wallfisch 100. Und ist verzweifelt angesichts von Antisemitismus, Rechtsruck und Krieg, sagt ihre Tochter

von Karen Miether  03.07.2025