Mauthausen

Überlebenswunderkind Eva Clarke: Geburt im KZ vor 80 Jahren

Eva Clarke mit Queen Camilla im Januar Foto: picture alliance / empics

Eva Clarke wurde in der Hölle geboren: Im Konzentrationslager Mauthausen kam sie vor 80 Jahren unter grausamen Umständen zur Welt. Zum Glück für sie und ihre Mutter befreiten US-Soldaten wenige Tage später das Lager in der Nähe der österreichischen Stadt Linz. »Meine Mutter meinte, dass sie kaum noch länger durchgehalten hätte«, erzählt Clarke der Deutschen Presse-Agentur.

In Mauthausen, einem malerischen Städtchen an der Donau, befand sich eines der größten Konzentrationslager der Nationalsozialisten. Im Hauptlager und den Außenstellen wurden insgesamt rund 190.000 Menschen gefangen gehalten. Mindestens 90.000 von ihnen wurden ermordet oder starben an den Qualen der Haft.

Clarke, die Tochter eines Hamburger Vaters und einer tschechischen Mutter, findet es selbst »bemerkenswert«, dass sie überhaupt auf die Welt kam. Ihre Mutter Anka war zuvor als Jüdin in den KZ Theresienstadt und Auschwitz-Birkenau sowie im Zwangsarbeiterinnen-Lager Freiberg nahe Dresden inhaftiert gewesen.

Geburt zwischen Typhuskranken

Als Hochschwangere wurde sie mit einem Gefangenentransport über mehrere Wochen in offenen Kohlewaggons nach Mauthausen transportiert. »Sie sah aus wie ein kaum noch lebendiges schwangeres Skelett«, schildert Clarke die Erinnerungen ihrer Mutter.

Als der Zug am 29. April 1945 ankam, und Anka den berüchtigten Namen Mauthausen auf einem Schild sah, setzten ihre Wehen ein. Sie musste vom Waggon auf einen Karren klettern, mit dem schwache Häftlinge zum Lager gezogen wurden. Niemand half ihr. »Du kannst weiter schreien«, sagte ein Nazi-Offizier der leidenden Frau. Das Kind kam auf dem Karren zur Welt - zwischen Typhuskranken, die ebenfalls auf dem Gefährt lagen.

Die Mutter wog bei der Geburt nur mehr etwa 35 Kilogramm, ihr Kind eineinhalb Kilogramm. Dass beide überlebten, sei vor allem der US-Armee zu verdanken, die am 5. Mai das Lager befreite, sagt Clarke.

Krankheit oder Unterversorgung

Mutter und Kind hätten »wegen des geringsten Anlasses von einem SS-Angehörigen ermordet werden können oder sie hätten durch Krankheit oder Unterversorgung sterben können«, sagt Gregor Holzinger, der Forschungsleiter der Gedenkstätte Mauthausen.

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Als die US-Armee Mauthausen erreichte, war der Vater des Neugeborenen bereits tot. Der Architekt Bernd Nathan war 1933 nach Prag emigriert und hatte dort Anka Kaudrova kennengelernt. Das Ehepaar wurde 1941 in das KZ Theresienstadt deportiert, wo Ankas erster Sohn bald nach der Geburt starb.

Im Herbst 1944 wurde Bernd Nathan in das KZ Auschwitz deportiert. Anka folgte ihm freiwillig dorthin nach, doch sie sah ihn nie wieder. Er wurde im Januar 1945 erschossen - drei Monate vor Evas Geburt in Mauthausen.

»Vernichtung durch Arbeit«

Dieses Lager war 1938 eröffnet worden - zunächst für deutsche und österreichische Regimegegner, Kriminelle sowie sozial unerwünschte Personen. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden Menschen aus ganz Europa dorthin verschleppt.

»Vernichtung durch Arbeit« - so bezeichnet heute der Gedenkverein Mauthausen Komitee Österreich das unmenschliche Prinzip dieses Konzentrationslagers. Auf der sogenannten Todesstiege mussten Häftlinge bis zu 50 Kilogramm schwere Granitblöcke über 186 Stufen von einem Steinbruch hochschleppen.

Anfang 1945 gelang es mehr als 400 Gefangenen, aus dem Lager zu fliehen. Doch fast alle von ihnen fielen einer Such- und Tötungsaktion zum Opfer, an der die SS und Zivilisten aus der umliegenden Region Mühlviertel beteiligt waren. Unter dem zynischen Namen »Mühlviertler Hasenjagd« ging der tragische Massenausbruch in die Geschichtsbücher ein.

Fünfzehn Verwandte ermordet

Mit dem Vorrücken der sowjetischen Roten Armee wurden ab Januar KZ-Gefangene aus östlichen Lagern nach Mauthausen gebracht - darunter etwa 7000 Frauen. Auch hochschwangere Frauen wie Anka waren dabei, erzählt der Historiker Holzinger. Eva war nicht das einzige dokumentierte Überlebenswunderkind: Mark Olsky kam im April 1945 während eines Gefangenentransports nach Mauthausen auf die Welt. Damals wurde auch Hana Berger-Moran als Neugeborene in das KZ überstellt.

Vor kurzem nahm Clarke mit anderen Holocaust-Überlebenden am jährlichen »Marsch der Lebenden« von Auschwitz nach Birkenau teil. Außer ihrem Vater wurden drei ihrer Großeltern und elf weitere Verwandte im KZ Auschwitz-Birkenau getötet.

»Ich will insbesondere junge Menschen ermutigen, nie zu vergessen, über die Vergangenheit nachzudenken, und sich an all die Millionen Getöteten zu erinnern, um zu verhindern, dass diese Dinge wieder passieren«, sagt die Zeitzeugin Clarke. »Aber tragischerweise scheint es so, als ob es weiterhin geschieht«, fügt sie hinzu.

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