Begräbnisse

Über den Tod hinaus

Jüdischer Friedhof in Rostock Foto: dpa

Fast 85 Grabfelder umfasst das Verzeichnis jüdischer Friedhöfe in Mecklenburg-Vorpommern. Die wenigsten werden heute noch genutzt. Im nördlichen Bundesland an der Ostsee gibt es nur noch zwei Gemeinden: in Rostock und in der Landeshauptstadt Schwerin, zu der auch die »Gemeinde Wismarer Bürger jüdischen Glaubens« gehört.

Während es auf den israelitischen Friedhöfen aufgrund einer eigenen Friedhofsordnung keine zeitliche Begrenzung gibt, ist auf kommunalen Friedhöfen die Belegzeit begrenzt. Auch andere Regelungen gibt es: Beschränkungen von individuellen gestalterischen Wünschen, Richtlinien zur Pflege und wandelnde Bestattungskulturen. Wer seine Angehörigen beerdigen will, sieht sich oft mit einer Vielzahl von Verwaltungsproblemen konfrontiert.

SÄKULARISIERUNG Anforderungen an die Leichenschau, unterschiedliche Familienmodelle und die sich wandelnde Bestattungskultur: Das geltende Bestattungsrecht wird »den aktuellen und sich abzeichnenden gesellschaftlichen Anforderungen nicht mehr gerecht«, sagt der Abgeordnete und parlamentarische Geschäftsführer der Linken im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Peter Ritter.

Auch Bestattungen in Leichentüchern werden »ergebnisoffen« erörtert.

Aber auch die »zunehmende Säkularisierung und religiöse Vielfalt« haben ihn veranlasst, mit anderen Abgeordneten parteiübergreifend eine Initiative zur Neuordnung des Bestattungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern einzubringen. »Das Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen ist reformbedürftig.«

Um genau dieser Vielfalt und den veränderten Anforderungen Rechnung zu tragen, hat der Landtag des norddeutschen Bundeslandes eine Kommission gegründet, um gemeinsam mit Vertretern der Zivilgesellschaft sowie medizinischen und juristischen Experten das gesamte Panorama von Fragestellungen zu erörtern, die mit dem Tod verbunden sind.

prüfstand Die derzeitige Qualität der ärztlichen Leichenschau steht dabei ebenso auf dem Prüfstand, betont Ritter, wie die »Aufhebung oder Lockerung des Friedhofszwangs oder die Verkürzung der Mindestruhezeit von derzeit 20 Jahren«. Und die Berücksichtigung religiöser Belange. »Auch die Möglichkeit von Bestattungen in Leichentüchern« soll in der Expertenkommission »ergebnisoffen« nach dem Willen des studierten Philosophen Ritter erörtert werden.

»Eine Überarbeitung der gesetzlichen Regelungen war auch überfällig, da sich seit 1998 viel geändert hat«, stimmt Yuriy Kadnykov dem Abgeordneten Peter Ritter zu. »Eine muslimische Gemeinde gab es nicht. Auch die Präsenz der jüdischen Gemeinde wurde seitdem stärker.«

Es gibt einiges, was mit der derzeitigen allgemeinen Beisetzungsregel vor allem auf Länderebene kollidiert.

Der 43-jährige Kadnykov ist Rabbiner des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern und sitzt für den Gemeindeverbund in der Expertenkommission des Landtags. »Es ist ein breites Feld, das wir jetzt bearbeiten, um zu einer guten gesetzlichen Regelung zu kommen, die alle Glaubensgemeinschaften betrifft und zufriedenstellt.« Kadnykov lobt die konstruktive Atmosphäre in der Kommission, zu der neben ihm auch Landtagsmitglieder, Ärzte, Staatsanwälte, Vertreter der Kirchen und ein Mitglied des Zentralrats der Muslime gehören. »Wir führen eine offene und kollegiale Debatte.«

experten Besonders ein Umstand ist bemerkenswert: Erstmals wird mit den Experten nicht über einen bereits vorliegenden Gesetzesvorschlag gesprochen, sondern die Kommissionsmitglieder »arbeiten systematisch alle Verordnungen und entsprechende Gesetze durch«, berichtet der auf der Krim geborene und seit 2003 in Deutschland lebende Rabbiner. Ziel ist es, aufgrund der Erkenntnisse »einen Gesetzesvorschlag zu erarbeiten, der dann dem Parlament vorgelegt wird, oder eine Empfehlung für eine gesetzliche Regelung zu geben«.

Es gibt einiges, was mit der derzeitigen allgemeinen Beisetzungsregel vor allem auf Länderebene kollidiert, weil Bestattungen in die jeweilige Zuständigkeit der insgesamt 16 Bundesländer fallen. Eine Vereinheitlichung könnte nicht nur für Juden in Deutschland, sondern auch für muslimische Bürger eine Verbesserung der jeweiligen religiösen Beisetzung bringen. »Ein Leichnam soll eigentlich innerhalb von 24 Stunden beigesetzt sein.« Gesetzlich ist in Deutschland aber eine 48-Stunden-Frist vorgeschrieben, umschreibt Kadnykov ein wichtiges Problemfeld.

Gesetzlich ist in Deutschland eine 48-Stunden-Frist vorgeschrieben. Aufgrund von weiteren Vorschriften dauert es aber oft drei Tage, bis ein Leichnam zur Beisetzung freigegeben wird.

Aufgrund von weiteren Vorschriften und bürokratischen Formalitäten dauert es aber in der Regel drei Tage, bis ein Leichnam zur Beisetzung freigegeben wird. Stirbt jemand am Wochenende, kann auch dieser Zeitraum noch überschritten werden. »Da würden wir uns eine bessere Regelung wünschen, die alle Gemeinschaften befürworten«, erklärt der Schweriner Rabbiner.

obduktionen Die Sargpflicht ist ein zweites großes Problemfeld. Davon sind sowohl die muslimische als auch die jüdische Religionsgemeinschaft betroffen, sagt Kadnykov. »Eigentlich setzen wir den Leichnam ohne Sarg bei.« Zwar wird die Sargpflicht in jüdischen Kreisen hingenommen, aber eigentlich würden alle lieber – der religiösen Vorschrift entsprechend – den Verstorbenen nach der rituellen Waschung in ein schlichtes Sterbekleid und den Tallit gehüllt, beisetzen. Eine Erlaubnis würden muslimische wie jüdische Verbände begrüßen.

Auch die Frage verstärkter Obduktionen, für die zahlreiche Ärzteverbände und Pathologen plädieren, dürfte in diesem Jahr ein kontroverses Thema für die Kommissionsmitglieder werden. »Wir stehen generell Obduktionen eher skeptisch gegenüber«, betont Rabbiner Yuriy Kadnykov. Allerdings räumt auch er ein, »wenn es einen Verdacht auf unnatürliche Todesursachen gibt, gilt dies nicht«.

Tel Aviv/Birmingham

Ex-Geisel zu Ausschluss von Maccabi-Fans: »Schämt euch!«

Emily Damari kritisiert den Ausschluss von Fans des Fußballvereins Maccabi Tel Aviv vom Europacupspiel bei Aston Villa. Sie spricht von einer »unerhörten Entscheidung«

 17.10.2025

Berlin/Ankara

Wadephul setzt auf Wiederannäherung von Türkei und Israel

Der deutsche Außenminister ist zum Antrittsbesuch in Ankara eingetroffen. Er sieht sich in einer Rolle der klassischen Diplomatie. Das gilt auch für das schwierige Verhältnis des Gastgebers zum jüdischen Staat

 17.10.2025

Meinung

Das moralische Versagen der Linken

Wenn Antisemitismus offen auf der Straße marschiert, dann hört man aus den linken Reihen: nichts.

von Nicole Dreyfus  17.10.2025

München

Wegen »Hitlergruß«-Collage: AfD-Mann Bystron verurteilt

Der Politiker teilt eine Fotomontage in sozialen Medien. Zu sehen: unter anderem Angela Merkel mit erhobenem Arm und ausgestreckter Hand

 17.10.2025

New York

Bürgermeisterkandidat bezichtigt Israel eines Völkermords

Der Demokrat Zohran Mamdani will das Land außerdem »nicht als jüdischen Staat« anerkennen

 17.10.2025

Interview

»Völkermörder!«: Nach dem Linken-Eklat in Neukölln - Jetzt spricht Bat Yams Bürgermeister

Bat Yams Bürgermeister Tzvika Brot wurde bei einem Besuch in Berlin-Neukölln von Fraktionschef der Linkspartei als Völkermörder beschimpft. Im Interview spricht er über den Vorfall und die Zusammenarbeit zwischen deutschen und israelischen Kommunen

von Detlef David Kauschke  17.10.2025

Reisen

Israelischer Reisepass verliert an Wert

Visafrei können Israelis in nur noch 165 Staaten der Welt reisen. Wie sieht es mit den Inhabern deutscher Pässe aus?

 17.10.2025

Washington D.C.

»Ich liebe Hitler«: Antisemitismus-Skandal bei »Jungen Republikanern«

In nun veröffentlichten Chats wird der Holocaust verharmlost, die Sklaverei verteidigt und Gewalt gegen politische Gegner befürwortet

 17.10.2025

Großbritannien

Starmer kritisiert Fanverbot für Maccabi Tel Aviv: »Falsche Entscheidung«

»Wir werden Antisemitismus auf unseren Straßen nicht tolerieren«, versichert der Premierminister

von Imanuel Marcus  17.10.2025