USA

Trump nominiert Nachfolge von Ruth Bader Ginsburg

Mit Amy Coney Barrett würde US-Präsident Trump bereits den dritten Sitz am Obersten Gericht besetzen. Foto: imago

US-Präsident Trump ergreift die Gelegenheit, die konservative Mehrheit im Obersten Gericht der USA zu zementieren. Er nominierte am Samstag die Juristin Amy Coney Barrett für den freien Sitz im Supreme Court - und will sie noch vor der Präsidentenwahl am 3. November ins Amt bringen.

Die Demokraten können die Ernennung im Senat nicht verhindern. Sie wollen nun die Wähler mobilisieren. Sie schlugen umgehend Alarm, dass Barretts Ansichten das Ende der Gesundheitsversorgung für Millionen Amerikaner bedeuten könnten.

Barrett soll Ruth Bader Ginsburg ersetzen, die vergangene Woche im Alter von 87 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung starb.

Mit der 48-Jährigen hätten die konservativen Richter eine klare Mehrheit von sechs der neun Sitze am Supreme Court. Das könnte die amerikanische Gesellschaft nachhaltig verändern. Barrett soll die Liberalen-Ikone Ruth Bader Ginsburg ersetzen, die vergangene Woche im Alter von 87 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung starb.

MEHRHEIT Das Oberste Gericht hat oft das letzte Wort bei Grundsatzfragen zu Abtreibung, Einwanderung, Waffenrecht und Diskriminierung. Es gilt als wahrscheinlich, dass Konservative nun einen neuen Anlauf machen könnten, das Recht auf Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehen vor Gericht zu kippen oder zumindest einzuschränken. Eine Mehrheit von 60 Prozent der US-Bürger glaubt nach einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage der »New York Times«, dass Abtreibungen legal sein sollten.

Barrett gehöre zu den brillantesten Rechtsexperten in den USA, sagte Trump bei der Bekanntgabe der Nominierung in Washington. Sie selbst betonte: »Richter machen keine Politik - und sie müssen alle politischen Ansichten zurückstellen.« Richter müssten sich an den Wortlaut von Gesetzen halten. »Sie ist zweifellos ein Konservative«, sagte Trump am Sonntag im TV-Sender Fox News.

»Richter machen keine Politik - und sie müssen alle politischen Ansichten zurückstellen.«

Amy Coney Barrett

Die Richter am Obersten Gericht werden auf Lebenszeit ernannt. Sie werden vom Präsidenten vorgeschlagen und vom Senat bestätigt. Die Republikaner haben dort eine Mehrheit von 53 der 100 Sitze. Barretts Anhörung im Justizausschuss soll bereits am 12. Oktober beginnen. Er gehe davon aus, das Verfahren in dem Gremium binnen zwei Wochen abschließen zu können, sagte der Ausschussvorsitzende Lindsey Graham bei Fox News. Danach stünde die Abstimmung an.

APPELL Die Demokraten um Präsidentschaftskandidat Joe Biden fordern, dass der Sieger der Präsidentenwahl die Ginsburg-Nachfolge regeln soll. Auch die Mehrheit der Wähler ist mit 56 Prozent dieser Ansicht, wie die »Times«-Umfrage ergab. Bisher sprachen sich zwei republikanische Senatorinnen gegen eine Entscheidung vor der Wahl aus. Die Ernennung scheitert erst, wenn die Republikaner auf weniger als 50 Ja-Stimmen kommen - bei einem Patt von 50 zu 50 kann Vizepräsident Mike Pence auf ihrer Seite eingreifen.

Nach der Nominierung wurde deutlich, dass die Demokraten nun direkt an die Bürger appellieren wollen - vor allem mit der Aussicht, dass Barretts Stimme die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama kippen könnte. »Wenn die Amerikaner mehr über Barretts Ansichten erfahren, wird sie sehr unpopulär werden«, sagte der demokratische Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer. Dann sollten sie ihre republikanischen Senatoren anrufen und auffordern, nicht für Barrett zu stimmen.

REFORM Trump will Obamas Reform, die unter anderem Menschen mit Vorerkrankungen erstmals den Zugang zur Krankenversicherung garantiert, kippen. »Obamacare« war 2012 mit einer knappen Mehrheit von fünf zu vier Stimmen von dem Gericht bestätigt worden.

Barrett hatte die damalige Argumentation des Gerichts öffentlich kritisiert. Biden betonte zudem, dass mit einem Aus für die Gesundheitsreform auch Patienten mit Corona-Folgen wie Lungen- oder Herzkomplikationen von Krankenversicherern abgelehnt werden könnten.

Barretts Kandidatur ist attraktiv für erzkonservative Kreise.

Barrett ist seit 2017 Richterin an einem Berufungsgericht. Die Katholikin gilt als Abtreibungsgegnerin. Das macht ihre Kandidatur attraktiv für erzkonservative Kreise. Bei der Anhörung im Senat für den Posten als Berufungsrichterin betonte Barrett, dass sie sich nur vom Gesetz und nicht von ihrem Glauben leiten lasse.

Mit Barrett würde Trump bereits den dritten Sitz am Obersten Gericht besetzen. Zur Kontroverse um die Nominierung trägt auch bei, dass die Republikaner 2016 den Kandidaten des damaligen Präsidenten Obama für die Nachfolge des verstorbenen konservativen Richters Antonin Scalia blockiert hatten.

SENAT Mehrheitsführer Mitch McConnell erklärte damals, dass der Senat in einem Wahljahr grundsätzlich keine Posten am Supreme Court besetzen sollte. Jetzt argumentiert er, dass diesmal das Weiße Haus und der Senat in der Hand einer Partei seien.

Trump sagt zudem, dass er das Oberste Gericht auch mit Blick auf mögliche Streitigkeiten um den Ausgang der Präsidentenwahl komplett besetzt haben wolle. Der Präsident behauptet bereits seit Wochen, dass per Post abgeschickte Stimmzettel die Gefahr von Wahlfälschung drastisch erhöhten. Experten und Wahlverantwortliche bestreiten dies. In der Corona-Krise greifen mehr US-Bürger als üblich zur Briefwahl.

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  30.11.2025

Deutschland

Massive Proteste gegen neuen AfD-Nachwuchs 

Die AfD organisiert ihren Nachwuchs - Gießen erlebt den Ausnahmezustand. Zehntausende haben sich nach Mittelhessen aufgemacht, um die Gründung der Generation Deutschland zu verhindern

von Christian Schultz  30.11.2025

Rechtsextremismus

Fragezeichen nach skurriler Rede bei AfD-Jugendkongress 

Wer steckt hinter dem mysteriösen Auftritt des Mannes, der mit einer Rede im Hitler-Stil den Gründungskongress der AfD-Jugend aufmischte? Ihm droht der Parteiausschluss

von Jörg Ratzsch  30.11.2025

Gerechtigkeit

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz 

Jüdische Verbände dringen auf Rückgabegesetz Jahrzehnte nach Ende des NS-Regimes hoffen Erben der Opfer immer noch auf Rückgabe von damals geraubten Kunstwerken. Zum 1. Dezember starten Schiedsgerichte. Aber ein angekündigter Schritt fehlt noch

von Verena Schmitt-Roschmann  30.11.2025

Dokumentation

»Sie sind nicht alleine!«

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hielt bei der Ratsversammlung des Zentralrats der Juden die traditionelle Gastrede

von Wolfram Weimer  30.11.2025

Gemeinden

Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagt in Frankfurt

Das oberste Entscheidungsgremium des jüdischen Dachverbands kommt einmal im Jahr zusammen

 30.11.2025 Aktualisiert

Berlin

Späte Gerechtigkeit? Neue Schiedsgerichte zur NS-Raubkunst

Jahrzehnte nach Ende der Nazi-Zeit kämpfen Erben jüdischer Opfer immer noch um die Rückgabe geraubter Kunstwerke. Ab dem 1. Dezember soll es leichter werden, die Streitfälle zu klären. Funktioniert das?

von Cordula Dieckmann, Dorothea Hülsmeier, Verena Schmitt-Roschmann  29.11.2025

Interview

»Es ist sehr viel Zeit verloren gegangen«

Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zieht eine Bilanz seiner Arbeit an der Spitze der »Beratenden Kommission NS-Raubgut«, die jetzt abgewickelt und durch Schiedsgerichte ersetzt wird

von Michael Thaidigsmann  29.11.2025

Interview

»Weder die Verwaltung noch die Politik stehen an meiner Seite«

Stefan Hensel hat seinen Rücktritt als Antisemitismusbeauftragter Hamburgs angekündigt. Ein Gespräch über die Folgen des 7. Oktober, den Kampf gegen Windmühlen und kleine Gesten der Solidarität

von Joshua Schultheis  29.11.2025