Solingen/Berlin

Solingen-Anschlag befeuert Asyl- und Sicherheitsdebatte

Einsatzkräfte der Polizei gehen am Mittag am Tatort in Solingen vorbei. Foto: picture alliance/dpa

Nach dem tödlichen Messerangriff von Solingen werden Forderungen nach härteren Abschieberegeln und einem strengeren Waffenrecht lauter. Zugleich wird Aufklärung verlangt, weshalb die Behörden im vergangenen Jahr mit dem Versuch scheiterten, den syrischen Asylbewerber abzuschieben, der so überhaupt erst den Anschlag mit drei Todesopfern am Freitagabend verüben konnte. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will heute in Solingen mit NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) der Opfer der Messerattacke gedenken.

Bei einem Straßenfest in der Stadt im Bergischen Land waren auch acht Menschen verletzt worden, vier davon schwer. Ein 26-jähriger tatverdächtiger Syrer sitzt seit Sonntagabend in Untersuchungshaft - unter anderem wegen Mordverdachts und wegen des Vorwurfs, der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anzugehören. Die Terrormiliz reklamierte den Anschlag für sich und veröffentlichte am Sonntag ein Video, das den Täter zeigen soll. Wann das Video aufgenommen wurde und ob es sich tatsächlich um den Täter handelt, ist bislang nicht zweifelsfrei geklärt.

Wie der »Spiegel« berichtete, kam der Verdächtige Ende 2022 nach Deutschland und stellte einen Antrag auf Asyl. Den Sicherheitsbehörden war er demnach bislang nicht als islamistischer Extremist bekannt. Diese Informationen wurden der Deutschen Presse-Agentur bestätigt. Der Asylantrag des Tatverdächtigen wurde demnach abgelehnt. Deshalb sollte er im vergangenen Jahr nach Bulgarien abgeschoben werden. Über das Land war er in die Europäische Union eingereist. Da er zwischenzeitlich allerdings in Deutschland abgetaucht sei, sei die Abschiebung vorerst hinfällig gewesen, schrieb die »Welt«.

Wüst fordert Aufarbeitung in Behörden

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wüst fordert eine Aufarbeitung auch innerhalb der Behörden. »Da gibt es eine Menge Fragen. Es sind auch eine Menge Behörden involviert. Das muss aufgeklärt werden, und da muss Klartext gesprochen werden, wenn da etwas schiefgelaufen ist«, sagte er in der »Aktuellen Stunde« im WDR Fernsehen. Im ZDF-»heute journal« sagte Wüst: »Wenn da irgendwo was schiefgelaufen ist, bei welcher Behörde auch immer, ob vor Ort in Bielefeld, in Paderborn oder bei Landes- oder Bundesbehörden, dann muss die Wahrheit da auf den Tisch.«

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte in der ARD-Sendung »Caren Miosga«, untergetaucht im rechtlichen Sinne sei der mutmaßliche Attentäter nicht. Denn er sei an dem Tag, an dem er abgeholt werden sollte, schlicht nicht dagewesen. »Ansonsten war er immer und häufig in dieser Einrichtung.« Er stelle sich auch viele Fragen, ob diese Verfahren richtig sind, ausreichend sind, übertrieben sind, sagte Reul.

Nach einer Übersicht des Verfassungsschutzes wäre die Tat in Solingen der folgenschwerste aus mutmaßlich islamistischen Motiven begangene Anschlag in Deutschland seit dem Angriff auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin im Dezember 2016 mit damals 13 Toten und 64 Verletzten.

Lesen Sie auch

Merz: Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan

Eine Woche vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen verschärfte CDU-Chef Friedrich Merz den Ton gegenüber Kanzler Olaf Scholz (SPD) und forderte einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan in Deutschland. In seinem E-Mail-Newsletter »MerzMail« schrieb er: »Nach dem Terrorakt von Solingen dürfte nun endgültig klar sein: Nicht die Messer sind das Problem, sondern die Personen, die damit herumlaufen. In der Mehrzahl der Fälle sind dies Flüchtlinge, in der Mehrzahl der Taten stehen islamistische Motive dahinter.«

Im ARD-Brennpunkt sagte Merz: »Wenn Solingen jetzt für die Koalition nicht der Wendepunkt ist, dann weiß ich nicht, was noch passieren muss, damit hier einige Leute endlich mal zur Besinnung kommen.«

Unions-Fraktionsvize Jens Spahn (CDU) sprach sich für Grenzschließungen aus, um irreguläre Migration zu stoppen. Der »Rheinischen Post« (Montag) sagte er: »Es kommen seit Jahren jeden Tag hunderte junge Männer aus Syrien und Afghanistan nach Deutschland und Europa. Das muss endlich enden.«

SPD-Chefin Esken: Aufnahmestopp mit Gesetzen nicht vereinbar

Kanzler Scholz hatte bereits im Juni nach dem tödlichen Messerangriff von Mannheim angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und Syrien wieder zu ermöglichen.

SPD-Chefin Saskia Esken wies Merz‘ Forderung nach einem Aufnahmestopp zurück, da ein solcher Schritt »mit unseren Gesetzen auch nicht vereinbar ist, nicht mit der Europäischen Flüchtlingskonvention, nicht mit unserer Verfassung«. Schwere Straftäter und islamistische Gefährder müssten aber in diese Länder abgeschoben werden können.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte in der ARD, Straftäter müssten sofort in Arrest genommen werden und das Land verlassen, insbesondere in Richtung Syrien und Afghanistan. Der Polizei müssten mehr Möglichkeiten für Kontrollen gegeben werden.

Steinmeier für mehr Befugnisse der Sicherheitsbehörden

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach eine Ausweitung von Befugnissen der Sicherheitsbehörden an. Zu einem besseren Schutz vor Angriffen »gehört auch, dass die Sicherheitsbehörden mit den notwendigen Befugnissen ausgestattet werden«, sagte er im ZDF-Sommerinterview. Steinmeier forderte mehr Personal für die Sicherheitsbehörden. Bei terroristischer Gefahr sei aber auch eine Ausweitung der Befugnisse etwa des Bundeskriminalamts denkbar.

Bundesjustizminister Marco Buschmann kündigte Verhandlungen über das Waffenrecht für Messer an. »Wir werden nun in der Bundesregierung darüber beraten, wie wir den Kampf gegen diese Art der Messer-Kriminalität weiter voranbringen«, sagte der FDP-Politiker der »Bild am Sonntag«. Bisher hat die FDP Vorschläge von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu schärferen Regeln und Verboten abgelehnt. dpa

Genf

Entscheidung gefällt: Israel bleibt im Eurovision Song Contest

Eine Mehrheit der 56 Mitgliedsländer in der European Broadcasting Union stellte sich am Donnerstag gegen den Ausschluss Israels. Nun wollen Länder wie Irland, Spanien und die Niederlande den Musikwettbewerb boykottieren

von Michael Thaidigsmann  04.12.2025

Medien

»Die Kritik trifft mich, entbehrt aber jeder Grundlage«

Sophie von der Tann wird heute mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis geehrt. Bislang schwieg sie zur scharfen Kritik an ihrer Arbeit. Doch jetzt antwortete die ARD-Journalistin ihren Kritikern

 04.12.2025

Karlsruhe/München

Mutmaßlicher Huthi-Terrorist angeklagt

Ein Mann soll für die Terrororganisation im Jemen gekämpft haben. Deutschlands oberste Anklagebehörde will ihn vor Gericht sehen

 04.12.2025

Antisemitismus

Litauen: Chef von Regierungspartei wegen Antisemitismus verurteilt

In Litauen ist der Chef einer Regierungspartei mehrfach durch antisemitische Aussagen aufgefallen. Dafür musste er sich vor Gericht verantworten. Nun haben die Richter ihr Urteil gefällt

 04.12.2025

Berlin

Verfassungsschutz nimmt neue AfD-Jugend ins Blickfeld

Ist auch die »Generation Deutschland« rechtsextremistisch? Sie rückt bereits in den Fokus des Bundesamts für Verfassungsschutz

 04.12.2025

Berlin

Merz und Wegner nennen Lübcke-Statue geschmacklos

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) äußerte Unmut: Das Schicksal eines von einem Rechtsradikalen ermordeten Politiker zu instrumentalisieren, sei an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten

 04.12.2025

Bayern

Landtag wirbt für Yad Vashem-Außenstelle in München

Ein fraktionsübergreifenden Antrag – ohne Beteiligung der AfD - für eine Außenstelle der israelischen Gedenkstätte im Freistaat liegt vor

 04.12.2025

Ehrung

»Ahmad Mansour kämpft nicht gegen Symptome, sondern gegen Ursachen«

Der Islamismusexperte Ahmad Mansour wurde mit dem Hanns-Martin-Schleyer-Preis ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Wir dokumentieren die Rede

von Josef Schuster  04.12.2025

Graz

Verharmlosung von NS-Verbrechen: Haft für Deutschen in Österreich

Lange Haftstrafe für einen Publizisten: Was steckt hinter dem Urteil, und wie stufen Extremismusforscher seine bereits eingestellte Zeitschrift ein?

 04.12.2025