Kritik

Schuster: Deutsche Justiz hat Sehschwäche bei Antisemitismus

Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland Foto: Marco Limberg / Zentralrat der Juden in Deutschland

Kritik

Schuster: Deutsche Justiz hat Sehschwäche bei Antisemitismus

Antisemitische Äußerungen würden harmloser interpretiert, als sie gedacht gewesen seien, sagte er der »SZ«

 08.05.2023 08:47 Uhr

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, bescheinigt der Justiz in Deutschland eine gewachsene Aufmerksamkeit für rechtsradikales Gedankengut. »Aber sie hat rechts, beziehungsweise in Fragen von Antisemitismus, noch immer eine Sehschwäche«, sagte er am Montag der »Süddeutschen Zeitung«.

»Ich habe früher oft den Eindruck gehabt, dass die Justiz auf dem rechten Auge blind ist. Also dass sie Boshaftigkeiten und Attacken, die aus dem rechtsradikalen Spektrum kommen, ausblendet. Das würde ich in dieser Schärfe heute nicht mehr sagen«, sagte der 69-Jährige mit Blick auf mehrere Gerichtsurteile der vergangenen Monate. Dennoch gebe es viele Beispiele dafür, dass in der Justiz bewusst versucht werde, antisemitische Äußerungen »so harmlos zu interpretieren, wie sie mit Sicherheit nicht gedacht gewesen« seien.

Menschenwürde »Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Die Menschenwürde allerdings auch – wenn ich etwa an Propaganda und Hetze denke«, betonte der Zentralratsvorsitzende. »Die Justiz sollte Minderheiten im Sinne einer demokratischen Gesellschaft davor beschützen, dass zu ihrer Ermordung aufgehetzt wird.«

Wenn jemand Positionen der israelischen Regierung kritisiere, sei das legitim, fügte Schuster hinzu. Anders sei das, wenn die Auslöschung Israels gefordert werde. »Kein Mensch auf jüdischer oder israelischer Seite spricht sich für die Auslöschung der Palästinenser aus. Das ist aber die Hassbotschaft, die bei Demonstrationen wie kürzlich in Berlin geäußert wird: die Auslöschung des jüdischen Staates. Die Auslöschung der Juden.«

Auch die Leugnung der Schoa sei keine Kleinigkeit, sagte der Zentralratsvorsitzende. »Wenn wir hier weggucken würden, würden wir gesellschaftlich Erreichtes aufs Spiel setzen.« Es sei ihm bewusst, dass die deutsche Justiz damit die freie Rede einschränke. »Das tut man nicht leichtfertig. Deutschland geht damit einen anderen Weg als die meisten liberalen Demokratien, in denen diese Leugnung nicht verfolgt wird.« Aber dieser Weg sei richtig, gerade auch wegen der besonderen Verantwortung von Deutschland.

Schuster übte zugleich Kritik an der neuen israelischen Regierung. Die von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geplante Justizreform bedeute praktisch eine Entmachtung der unabhängigen dritten Gewalt in Israel. Damit würde die Gewaltenteilung aufgeweicht und die Demokratie gefährdet. »Hinzu kommt, dass Netanjahu nicht nur Rechtsextreme, sondern auch Vorbestrafte zu Ministern gemacht hat.« kna

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

 05.11.2025

Laudatio

»Wie hält man so etwas aus?«

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hielt die Laudatio auf Karoline Preisler anlässlich der Verleihung des Paul-Spiegel-Preises in Berlin. Eine Dokumentation

von Julia Klöckner  05.11.2025

Thüringen

Universität Jena berät über Umgang mit israelischen Partnern

Jenaer Professoren wollen die Kooperationen ihrer Hochschule mit israelischen Partnern prüfen lassen, die Verbindungen zur israelischen Armee haben könnten. Das Netzwerk Jüdischer Hochschullehrender mahnt, Wissenschaft dürfe kein Ort für Ausgrenzung werden

von Matthias Thüsing  05.11.2025

Prozesse

Berliner Verwaltungsgericht verhandelt Waffenlieferungen an Israel

Zwei unterschiedliche Klagen im Zusammenhang mit Waffenlieferungen an Israel beschäftigen am 12. November das Berliner Verwaltungsgericht. Unter anderem geht es um mehrere Tausend Panzerabwehrwaffen

 05.11.2025

Berlin

Davidstern-Gemälde an East Side Gallery beschmiert

Ein Gemälde an der bekannten East Side Gallery ist Ziel einer antisemitischen Schmiererei geworden. Der Tatverdächtige konnte gefasst werden. Bei der Begehung seines Wohnhauses fand die Polizei mehrere Hakenkreuze

 05.11.2025

Islamismus

Dobrindt: Muslim Interaktiv spaltet die Gesellschaft

Der Innenminister hat die Organisation, die sich gezielt an junge Menschen richtet, verboten. Jetzt erklärt er warum

 05.11.2025

Ostdeutschland

Zentralrat warnt vor AfD-Regierung: »Echte Gefahr für jüdisches Leben«

Der Präsident des Dachverbands der jüdischen Gemeinden sieht in den hohen Umfragewerten der AfD zehn Monate vor den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt einen »Weckruf«

von Joshua Schultheis  05.11.2025

Berlin

Dobrindt verbietet islamistische Vereinigung Muslim Interaktiv

Zudem laufen gegen die Vereine Generation Islam und Realität Islam vereinsrechtliche Ermittlungen

von Martina Herzog  05.11.2025 Aktualisiert

Medien

So erzeugt man einen gefährlichen Spin

Wie das Medienunternehmen »Correctiv« den Versuch unternimmt, die Arbeit des israelischen Psychologen Ahmad Mansour fragwürdig erscheinen zu lassen

von Susanne Schröter  05.11.2025