Interview

»Schon bald ein Land ohne Juden«

Herr Harari, an Pessach feiert die jüdische Gemeinschaft ihre Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten. Wie viele Juden leben heute noch in dem Land?
Das ist schwer zu sagen, weil sie in Ägypten aus Sicherheitsgründen sehr zurückgezogen leben. Durch vertrauliche Quellen wissen wir aber, dass insgesamt nicht weniger als 30 und nicht mehr als 80 Juden dort sind. Spätestens in 20 Jahren wird Ägypten ein Land ohne Juden sein. Bis auf den kleinen Rest von heute haben seit der Staatsgründung Israels 1948 mehr als 80.000 von ihnen das Land verlassen.

Wie frei können Juden in Ägypten leben?
Von Freiheit kann keine Rede sein. Sie werden wie unsere Vorfahren zu Zeiten des Pharaos unterdrückt. Von Telefon über E-Mail bis hin zu den Gemeinderäumen wird alles systematisch überwacht. Und seit die islamistischen Muslimbrüder an der Macht sind, hat sich ihre ohnehin schon schlechte Situation noch einmal verschärft.

Inwiefern?
Nun, Mubarak war ebenso ein Diktator, wie Präsident Mursi es heute ist. Aber was Juden betrifft, hat Mubarak wegen des Westens darauf geachtet, dass sie in Ägypten geschützt werden. Ganz anders Mursi. Kürzlich kam heraus, dass er Zionisten als Nachkommen von Affen und Schweinen beschimpft hat. Das gleicht in dem traditionell ohnehin schon massiv judenfeindlichen Ägypten einem Freibrief für die Bürger, Juden zu behandeln, wie man eben Schweine und Affen behandelt. Und als vor einiger Zeit die israelische Botschaft in Kairo von einem wütenden Mob gestürmt wurde, stand die Polizei untätig daneben. Das sagt alles.

Warum verlassen Ägyptens Juden angesichts ihrer Lage nicht das Land?
Die jüdische Gemeinschaft dort ist stark überaltert und dementsprechend nicht mehr in der Lage, das Land zu verlassen. Zudem haben viele von ihnen in Ägypten durch Immobilien ein regelmäßiges Einkommen. Und Ägypten ist nun einmal ihre Heimat. Sie sind dort geboren worden, aufgewachsen, haben geliebt, ihre Eltern begraben und sind schließlich alt geworden. Die Verbundenheit mit dem Land ist groß. Ich kenne einige ägyptische Juden in Frankreich, die zu Pessach nicht »Nächstes Jahr in Jerusalem!« sagen, sondern »Nächstes Jahr in Kairo!«.

Gibt es trotz der kleinen Gemeinschaft so etwas wie eine jüdische Infrastruktur in Ägypten?
Nur sehr bedingt. Weder die Gemeinde in Alexandria noch die in Kairo hat einen Rabbiner. Zu den Hohen Feiertagen wie jetzt zu Pessach versucht zwar immer ein Rabbiner aus Israel einzureisen, um Gottesdienste anzubieten. Die Muslimbrüder verweigern ihm aber regelmäßig ein Visum. Es ist eine Tragödie: Vor über 3000 Jahren hat uns der Pharao in Ägypten versklavt. Nun haben wir seit Jahrzehnten einen eigenen Staat – und einige unserer Brüder und Schwestern leben immer noch in Unfreiheit in Ägypten.

Die Fragen an den Sprecher der Union der Juden ägyptischer Herkunft stellte Philipp Peyman Engel.

Polen

Neun polnische KZ-Opfer werden im Juni seliggesprochen

Die Nationalsozialisten brachten in Dachau und Auschwitz auch Hunderte polnische Priester um. Die katholische Kirche verehrt mehrere von ihnen als Märtyrer. Bald werden neun weitere Geistliche in Krakau seliggesprochen

 10.12.2025

Soziale Medien

Historiker: Geschichte von tanzendem Mädchen in KZ frei erfunden

Ein Faktencheck

 10.12.2025

Deutschland

Rechtsextremismus beunruhigt Deutsche stärker als Zuwanderer

Antisemitische Vorurteile nehmen bei Türkeistämmigen zu, während die Angst vor Rechtsextremismus bei Deutschen ohne Migrationshintergrund besonders hoch ist. Was verrät die neue KAS-Studie noch?

 09.12.2025

Medien

Äußerst ungewöhnlicher Schritt: Irans Staatssender gesteht Fehler bei Kriegsberichterstattung ein

Nach dem Krieg gegen Israel gesteht der Präsident des iranischen Staatssenders eine Falschmeldung ein. Die Hintergründe

 09.12.2025

Umfrage

KAS-Studie: Antisemitische Vorurteile nehmen bei Türkeistämmigen zu

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat eine neue Studie zum Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft vorgelegt. Dabei wurden auch Einstellungen zu Juden abgefragt

 09.12.2025

Naher Osten

Bericht: Keine Rolle für Tony Blair bei Gaza-Friedensrat

Anstelle Blairs ist der bulgarische Diplomat und ehemalige Nahostgesandte Nickolay Mladenov im Gespräch, wie die »Financial Times« vermeldete

 09.12.2025

Frankfurt am Main

Lufthansa Cargo stoppt Militärtransporte nach Israel

Während die politischen Beziehungen zwischen Berlin und Jerusalem eine Annäherung erleben, ist dies im Luftfahrt-Bereich nicht der Fall. Warum?

 08.12.2025

Berlin

Presseschau zum Israel-Besuch von Kanzler Friedrich Merz

Wie bewerten deutsche Leit- und Regionalmedien Merz‘ Antrittsbesuch bei Ministerpräsident Benjamin Netanjahu?

 08.12.2025

Toronto

Miriam Mattova aus Uber geworfen, weil sie Jüdin ist

»Was passiert ist, ist nicht nur ein unangenehmer Moment. Es ist eine Erinnerung daran, warum es wichtig ist, sich zu äußern«, sagt das Model

 08.12.2025