Justiz

Richter vor Gericht

Jan-Robert von Renesse: Am 13. September entscheidet das Richterdienstgericht. Foto: ddp

Jan-Robert von Renesse hat Rechtsgeschichte geschrieben. Und eigentlich hat das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen jeden Grund, stolz auf diesen Essener Richter zu sein. Als Erster Sozialrichter machte sich von Renesse daran, Schicksale von Ghettorentnern zu recherchieren. Er sprach mit den Opfern und ließ Historiker Gutachten über deren Leben in den Ghettos des Ostens während des Zweiten Weltkriegs recherchieren.

Er war es, der dafür sorgte, dass viele von ihnen am Lebensende noch eine Rente bekamen, sodass sie ihre letzten Jahre nicht in vollkommener Armut verbringen mussten. Zuvor waren 90 Prozent aller Anträge auf Rente abgelehnt worden. Mit einer Petition an den Bundestag setzte der Richter auch durch, dass Ghettorenten länger rückwirkend ausgezahlt wurden.

vorwurf Doch anstatt von Renesse bei seiner Arbeit zu unterstützen, ihn als engagierten Richter herauszustellen, gehen das Land Nordrhein-Westfalen und dessen Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) gegen den Juristen vor.

Der Vorwurf: Von Renesses Verhalten sei rufschädigend für die Justiz gewesen. Der Richter sieht das anders: Aus seiner Sicht war ein Treffen zwischen der Justizverwaltung und der Rentenverwaltung ein Eingriff in die Gewaltenteilung – zulasten der Ghettorentner. Denn nach diesem Treffen gab es Kostenbeschlüsse, die aufgehoben wurden. Alte Menschen wurden vertröstet und starben, während sie auf eine Entscheidung warteten – die Rentenversicherungen sparten so Geld. Von Renesse machte das öffentlich.

Das Land ist der Meinung, er habe durch seine Aussage, das Gericht und die Versicherungen hätten sich auf Kosten der Rentner geeinigt, den Ruf der Justiz beschädigt. Dass es womöglich Treffen zwischen Justiz und Versicherung sind, die den Ruf der Justiz beschädigen, sah man offenbar nicht.

verfahren Das Justizministerium strengte daraufhin ein Disziplinarverfahren gegen von Renesse an. Im März stand der Sozialrichter vor dem Richterdienstgericht am Landgericht Düsseldorf. Das Gericht vertagte sich auf April und drängte von Renesse und das Justizministerium, sich zu einigen – auch im Hinblick auf eine Schädigung des Rufes Nordrhein-Westfalens im Falle einer Verurteilung von Renesses. Die Frist im April verstrich. Es wurde weiter verhandelt. Anfang August war endgültig klar: Es würde keine Einigung geben.

Am 13. September muss nun das Richterdienstgericht über das Disziplinarverfahren entscheiden. »Die Einigung«, sagt von Renesse, »ist daran gescheitert, dass das Land mir nicht zugestehen wollte, nichts falsch gemacht zu haben. Aber das ist mir wichtig, dass klar wird: Ich habe nur meine Arbeit als Sozialrichter gemacht.«

Was den Ausgang des Verfahrens betrifft, ist von Renesse nicht zuversichtlich. Einen Freispruch hält er für unwahrscheinlich. Das Land hat eine Geldstrafe von 5000 Euro beantragt – aber das muss am Ende nicht das Urteil sein. »Es ist auch möglich, dass ich rausgeworfen werde.« In Richterkreisen sei es ein ungeschriebenes Gesetz, dass man zusammenhalte.

nestbeschmutzer »Und ich bin für meine Kollegen ein Nestbeschmutzer«, so von Renesse. Die Landesregierung, sagt von Renesse, habe nichts getan, um den Konflikt zu entschärfen. Kutschaty hat das Verfahren nicht gestoppt, als er es noch konnte.

Auch ein Schreiben an NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in der vergangenen Woche, in dem unter anderem Zentralratspräsident Josef Schuster, der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) und Christoph Heubner vom Internationalen Auschwitz Komitee die SPD-Politikerin baten, sich dafür einzusetzen, blieb bislang ohne Wirkung.

Kutschaty, so hört man aus Regierungskreisen in Düsseldorf, sei kein Freund des Verfahrens, habe aber nicht die Energie gehabt, sich gegen den Willen der Richter zu stellen. Und Hannelore Kraft ist ohnehin sehr bemüht, sich aus allen Konflikten herauszuhalten. Sollte von Renesse tatsächlich verurteilt werden, könnte es gut sein, dass die Landesregierung für ihre Politik der Nichteinmischung einen hohen Preis zahlen wird.

Brüssel

EU-Chefdiplomatin organisiert Krisenschalte zu Nahost-Krieg

Kann die EU einen Beitrag zur Deeskalation des Konflikts zwischen Israel und dem Iran leisten? Am Dienstag soll es eine Videokonferenz der zuständigen Außenminister geben

 16.06.2025

Nahost

Krieg gegen Iran: EU will mit USA Energiemarkt sichern

Seit dem Angriff Israels auf das iranische Atomprogramm steigen die Rohölpreise und in der Folge die Sprit- und Heizölpreise. Die EU und die USA sind alarmiert - und wollen notfalls handeln

 16.06.2025

Berlin

Karin Prien: »Ich gestatte mir keine Ängstlichkeit«

Die Bundesbildungsministerin spricht in einem Interview über ihre jüdischen Wurzeln. Und geht bei manchen Themen auf Distanz zu ihrem Parteivorsitzenden

von Alexander Missal  16.06.2025

Iran

Iran: Geheimdienstchef der Revolutionsgarden und sein Vize getötet

Israel hat seit Beginn des Krieges mit dem Iran bereits etliche führende Militärs getötet. Nun sind bei einem weiteren Angriff Geheimdienstvertreter der nationalen Eliteeinheit getötet worden

 15.06.2025

Berlin

Merz sagt Israel Hilfe zu und bekennt: Iran darf niemals über Atomwaffen verfügen

Deutschland wappne sich zudem für den Fall, dass der Iran israelische oder jüdische Ziele hierzulande ins Visier nehmen sollte

 15.06.2025

Verbraucher

Krieg zwischen Israel und Iran treibt Benzinpreis

Seit dem Angriff auf iranische Atomanlagen und Militärziele steigen die Rohölpreise und in der Folge auch die Spritpreise

 15.06.2025

Diplomatie

Außenminister Wadephul spricht mit israelischem Kollegen Saʼar

Statt des für heute geplanten Besuchs in Jerusalem telefonieren die beiden

 15.06.2025

Doha

Krieg zwischen Israel und Iran: Wadephul will »Kompromiss« finden

Innerhalb der nächsten Woche müsse der ernsthafte Versuch unternommen werden, »die Spirale der Gewalt« zu unterbrechen, sagt der Bundesaußenminister

 15.06.2025

Berlin

Erneuter antisemitischer Angriff auf Neuköllner Kulturkneipe

14-Jähriger soll Pflasterstein geworfen haben. Der Polizeiliche Staatsschutz ermittelt

 15.06.2025