Meinung

Olympische Verdrängung

Eine Minute Schweigen. Das ist alles, was die Angehörigen der Opfer des Attentats bei den Olympischen Spielen 1972 in München fordern. Arabische Terroristen der Gruppe »Schwarzer September« waren damals in das Athletendorf eingedrungen; elf israelische Sportler kamen bei dem Anschlag ums Leben. Doch das Internationale Olympische Komitee (IOC) verweigert den Angehörigen während der jetzt anstehenden Sommerspiele in London eine Schweigeminute. Vollmundig und recht arrogant verkündet das IOC: »Eines ist sicher, wir werden nie vergessen.«

Sicher ist das gerade nicht. Denn das IOC hat nicht nur jetzt, wo der Jahrestag ansteht, sondern auch in den vergangenen 40 Jahren nichts unternommen, um der elf Toten der, wie es doch immer heißt, Olympischen Familie zu gedenken.

Ignoranz Unmittelbar nach dem Anschlag hatte IOC-Präsident Avery Brundage, nebenbei: ein bekennender Antisemit, bei der Trauerfeier die oft zitierten Worte gesprochen: »The games must go on.« Die Organisatoren wollten nach den Spielen das Haus in der Connollystraße 31, in dem die israelischen Sportler gelebt hatten und überfallen wurden, einfach vermieten; es waren die Angehörigen, die sogar eine Gedenktafel erstreiten mussten. Die bayerische Staatsregierung hatte sogar Akten, deren Einsicht sie jahrelang verweigerte, vernichten lassen – und so verhindert, dass die Rolle der dilettantischen Münchner Polizei (in deren Feuerhagel neun der elf Israelis starben) aufgeklärt wurde.

Und als Abu Daoud, der Chefstratege vom »Schwarzen September«, der bis zuletzt stolz auf seine Drahtzieherdienste war, 2010 in Damaskus eines natürlichen Todes starb, soll Palästinenserpräsident Mahmud Abbas dessen Familie kondoliert haben, wegen seiner »körperlichen Aufopferung für die gerechte Sache seines Volkes«.

Eine halbwegs würdige Aufarbeitung dieses traumatischen Anschlags hat nie stattgefunden: nicht beim IOC, nicht bei den deutschen Behörden und Verbänden und nicht in den arabischen Gesellschaften. Ankie Spitzer, Witwe des 1972 in München ermordeten Fechttrainers André Spitzer, berichtet sogar, beim IOC habe man ihr gesagt, wenn es zur Schweigeminute käme, würden die arabischen Mannschaften die Spiele verlassen.

Wenn das stimmt, dann hat vielleicht sogar die IOC-Behauptung ihre Richtigkeit, nie vergäßen sie die Toten. Weil sie nämlich zumindest eine Ahnung vom eigenen Versagen vor 40 Jahren haben. Es ist Zeit, sich dem zu stellen.

Meinung

Wahlen in Ostdeutschland: Es gibt keine Zeit zu verlieren

In Mecklenburg-Vorpommer und Sachsen-Anhalt wird im September gewählt. Es steht viel auf dem Spiel: Eine AfD-Regierung könnte großen Schaden anrichten. Leidtragende wären nicht zuletzt die jüdischen Gemeinden

von Joshua Schultheis  10.11.2025

Medien

So erzeugt man einen gefährlichen Spin

Wie das Medienunternehmen »Correctiv« den Versuch unternimmt, die Arbeit des israelischen Psychologen Ahmad Mansour fragwürdig erscheinen zu lassen

von Susanne Schröter  10.11.2025 Aktualisiert

Würzburg

Zentralrat der Juden fordert mehr Zivilcourage gegen Hass

Beim Gedenken an die Novemberpogrome in Würzburg hat Juden Schuster die grassierende Gleichgültigkeit gegen Judenhass kritisiert

 10.11.2025

Gedenken

Bundespräsident Steinmeier fordert Widerstand gegen Rechtsextreme

Die Demokratie sieht der Bundespräsident so bedroht wie nie seit der Wiedervereinigung. Das Staatsoberhaupt erklärt, was nun aus seiner Sicht passieren muss

von Martina Herzog  10.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Wien

Österreichs Regierung mit neuer Strategie gegen Antisemitismus

KI-gestützte Systeme zum Aufspüren von Hate Speech, eine Erklärung für Integrationskurse, vielleicht auch Errichtung eines Holocaust-Museums: Mit 49 Maßnahmen bis zum Jahr 2030 will Wien gegen Antisemitismus vorgehen

 10.11.2025

Marbach am Neckar

Schillerrede: Soziologin Illouz vergleicht Trump mit »König Lear«

Statt Selbstbeweihräucherung empfiehlt die Soziologin Eva Illouz in der Schillerrede 2025 den Zweifel und das Zuhören - nur das helfe aus der eigenen Echokammer heraus

 10.11.2025

Berlin

»Besetzung gegen Antisemitismus« an TU Berlin

Nach pro-palästinensischen Universitätsbesetzungen in der Vergangenheit haben nun Studierende ein Gebäude an der TU Berlin besetzt, um gegen Antisemitismus zu protestieren. Sie machen dem Allgemeinen Studierendenausschuss Vorwürfe

 10.11.2025

Antisemitismus

Rabbinatsstudent am Berliner Hauptbahnhof beschimpft

Der angehende Rabbiner aus Deutschland war am 9. November auf dem Weg zu einer Gedenkveranstaltung für die Novemberpogrome. Sein Urgroßvater hat die Schoa überlebt

 10.11.2025