Köln

Offener Brief an Sigmar Gabriel

Außenminister Sigmar Gabriel (M.) bei der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus Foto: imago

Die Kölnerin Malca Goldstein-Wolf hat sich in einem Offenen Brief an Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) gewandt. Anlass war sein Treffen mit muslimischen Vertretern bei der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA) .

Dies sei, so schreibt Goldstein-Wolf, grundsätzlich eine gute Idee. »Wenn Sie zu diesem Anlass allerdings Ihre Diffamierung über Israel als Apartheid-Staat wiederholen, dann ist das nicht nur kontraproduktiv, sondern scharf zu verurteilen.« Die Kölnerin fordert den Bundesaußenminister auf, sich für die Behauptung, Israel sei ein Apartheid-Regime, öffentlich zu entschuldigen. »Mit dieser Lüge liefern Sie den Jugendlichen, die Antisemitismus bereits mit der Muttermilch aufgesogen haben, weitere Munition, um Israel zu hassen.«

fettnäpfchen Solidaritätsbekundungen zu Israel und Juden hätten erst dann Gewicht, wenn die Worte nicht im Widerspruch zu den Taten stünden. »Wenn Sie Juden und auch Israel schon nicht schützen wollen, dann unterstützen Sie wenigstens nicht deren Feinde.« Es sollte Gabriel eigentlich eine Herzensangelegenheit sein, das Land, das seit seiner Existenz von Feinden bedroht wird, zu unterstützen, so Malca Goldstein-Wolf. »Stattdessen lassen Sie kaum ein Fettnäpfchen aus, um Israel zu brüskieren.«

Außenminister Sigmar Gabriel war am Donnerstag vergangener Woche zu einem Gespräch über muslimischen Judenhass bei der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus. Die »Berliner Zeitung« berichtete darüber und schrieb unter anderem: »Er selbst, sagt Gabriel, habe vor einigen Jahren nach einem Besuch in Hebron in den besetzten Gebieten davon gesprochen, dass ihn das Gesehene an Apartheid erinnere.«

Auf Nachfrage der Jüdischen Allgemeinen hieß es dazu aus dem Auswärtigen Amt: »Außenminister Gabriel hat bei dem Termin in der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus ausführlich und offen über seinen persönlichen Werdegang und den Kampf gegen Antisemitismus gesprochen. Er hat in der Runde ein klares Zeichen gegen Antisemitismus gesetzt und gesagt, dass dieser in Deutschland keinen Platz hat.«

facebook Bereits 2012 hatte der damalige SPD-Chef Gabriel auf seiner Facebook-Seite nach einem Besuch in Hebron geschrieben: »Das ist ein Apartheid-Regime, für das es keinerlei Rechtfertigung gibt« – und damit heftige Reaktionen ausgelöst.

Vor wenigen Wochen hatte sich Malca Goldstein-Wolf im Zusammenhang mit dem am 11. Juni 2018 in Köln geplanten Konzert von Roger Waters in einer Petition an den WDR-Intendanten Tom Buhrow gewandt, in der sie dem Sender vorwarf, mit der Kooperation einen »Judenhasser« mit Gebührengeldern zu unterstützen. Der WDR und anschließend weitere Sender zogen ihre Unterstützung zurück.

Antwort Der Bundesaußenminister hat inzwischen reagiert. In seinem Antwortschreiben heißt es, dass die unverbrüchliche Solidarität mit Israel und das Einstehen für die Sicherheit des Landes Grundpfeiler deutscher Außenpolitik und ihm ein besonderes Anliegen seien. »Gleichzeitig hat der Kampf gegen jede Form des Antisemitismus, gerade auch bei uns in Deutschland, für mich oberste Priorität«, so Gabriel.

Goldstein-Wolf ist enttäuscht, dass der SPD-Politiker in seiner Antwort nicht auf den Apartheid-Vergleich eingegangen ist: »Seine Worte klingen wie Floskeln, nicht überzeugend, und es scheint, dass er den erneuten Apartheid-Vergleich nicht bereut. So schreibt kein Freund Israels«, sagte sie der Jüdischen Allgemeinen. ddk

Essay

Ausweg Palästina

Große Teile der Linken sind mit der Komplexität der Gegenwart überfordert. Orientierung suchen sie ausgerechnet im Hass auf den jüdischen Staat. Mit progressiver Politik hat das wenig zu tun

von Jessica Ramczik, Monty Ott  13.09.2025

Sachsenhausen

120 Minuten Holocaust

Angesichts des grassierenden Antisemitismus sollen Schüler zum Besuch einer NS-Gedenkstätte verpflichtet werden. Doch was kann eine Führung vor Ort tatsächlich bewirken?

von Mascha Malburg  13.09.2025

Brüssel

»Gegen EU-Grundwerte«: Kommission verurteilt Festival

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission hat den Boykott der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani in die Nähe von Antisemitismus gerückt und scharf verurteilt

von Michael Thaidigsmann  12.09.2025

Belgien

»Ruf unseres Landes beschmutzt«: Premier rügt Gent-Festival

Premier Bart de Wever kritisiert die Leiter eines belgischen Festivals dafür, die Münchner Philharmoniker und ihren Dirigent Lahav Shani ausgeladen zu haben

 12.09.2025

Berlin

Humboldt-Universität will gegen Antisemitismus vorgehen

Präsidentin Julia von Blumenthal sieht ihre Hochschule für künftige Auseinandersetzungen rund um den Nahost-Konflikt gut vorbereitet

von Lukas Philippi  12.09.2025

Kommentar

Die Genozid-Lüge

Wie die Hamas nach dem 7. Oktober vom Täter zum Opfer wurde – und Israel zur Verkörperung des Bösen schlechthin

von Stephan Lehnstaedt  12.09.2025

Nachkriegsjustiz

Verhandlung über Massenmord: Vor 80 Jahren begann der Belsen-Prozess

Fünf Monate nach der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen erhob ein britisches Militärgericht in Lüneburg Anklage gegen die Täter. In einer Turnhalle begann damit vor 80 Jahren der erste große NS-Kriegsverbrecherprozess in Deutschland

von Karen Miether  12.09.2025

Belgien

Deutsche Botschaft beendet Partnerschaft mit Gent-Festival

Die Deutsche Botschaft in Brüssel hat nach der Ausladung der Münchner Philharmoniker ihre Zusammenarbeit mit dem Flandern-Festival in Gent eingestellt

von Michael Thaidigsmann  11.09.2025

Debatte

Zentralrat: Ausladung Shanis ist »fatales Signal«

Wer einen Künstler aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seiner jüdischen Religion ausgrenzt und diskreditiert, trete die Demokratie mit Füßen

 11.09.2025