Wahl in Frankreich

Noch mal gut gegangen?

Die Linke jubelt: Demonstration in Paris nach der zweiten Runde der französischen Parlamentswahlen am 7. Juli Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wollte mit den vorgezogenen Neuwahlen Klarheit schaffen, und streng genommen ist ihm das auch gelungen. Denn zumindest herrscht jetzt definitiv Klarheit über die Widersprüchlichkeit der Franzosen. In der kommenden Legislaturperiode werden 182 Abgeordnete des neuen linken Bündnisses sitzen, 168 aus dem Macron-Block sowie 143 des Rassemblement National (RN) und ein paar weitere Dutzend Abgeordnete, die sich keinem der Blöcke zuordnen wollten.

Nicht nur hat keine Fraktion die absolute Mehrheit im Parlament, auch das Bündnis aus Sozialisten, Grünen, Kommunisten und Linken droht bei der nächsten Meinungsverschiedenheit, beispielsweise bei der Frage, ob man das Existenzrecht Israels anerkennt oder nicht, wieder in seine Bestandteile zu zerfallen. Emmanuel Macron hat in seiner Amtszeit die Assemblée Nationale in eine Knesset verwandelt. Masel tov kann man nur jedem dabei wünschen, der in einer solchen Gemengelage versucht, eine Koalition zu bilden.

Die Unsicherheit über die politische Ausrichtung des Landes erinnert an Israel

Doch nicht nur die Unsicherheit über die politische Ausrichtung des Landes erinnert an Israel. Auch im Wahlkampf dominierten jüdische Themen – jedoch nicht im positiven Sinne. Seit dem 7. Oktober 2023 steht die französische Außenpolitik im Zentrum der öffentlichen Debatte, und die linke La France Insoumise (LFI), angeführt von Jean-Luc Mélenchon, hat in der Europawahl versucht, mit einem israelfeindlichen Auftritt Stimmen zu fangen.

Dieser Strategie blieb die Partei auch in der Parlamentswahl treu. Man kann jedoch fragen, wie erfolgreich diese am Ende tatsächlich war. Zwar konnte die Partei damit Nichtwähler aus den Banlieues mobilisieren, die wahrscheinlich noch nie eine Wahlkabine von innen gesehen haben, aber sie hat auch viele Wähler verschreckt. Denn bei der bürgerlichen Wählerschaft kommt die Fixierung auf den Nahen Osten weniger gut an, als man das als Jude vielleicht vermuten würde.

Der Höhenflug von LFI erlitt einen kleinen Dämpfer. Sie sind zwar mit 76 Sitzen auch nach der Parlamentswahl die treibende linke Kraft in Frankreich, doch mittlerweile liegen sie fast gleichauf mit den Sozialisten, die auf immerhin 65 Sitze kommen. Die Parti Socialiste ist innerhalb des linken Spektrums die einzige Partei, in der jüdische Politiker wie Raphaël Glucksmann und Jérôme Guedj noch Karriere machen können. Dass außerdem Mélenchon in der letzten Woche weniger zu hören war als die grüne Politikerin Marine Tondelier, gibt Hoffnung für eine Linke in Frankreich, die künftig mehr auf Versöhnung und Universalismus setzt als auf Ressentiments und Kommunitarismus.

Für viele Juden ist die Linke unwählbar geworden.

Falls sich Mélenchon tatsächlich wieder in seine linke Randgruppe verkriechen sollte, wäre das eine enorme Erleichterung für die jüdische Gemeinde in Frankreich. Immerhin handelt es sich hier um eine Partei, die 92 Prozent der Juden für den massiven Anstieg des Antisemitismus verantwortlich machen. Das ergab eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Ifop.

Deshalb setzen viele progressive Juden LFI mit dem RN gleich oder sind sogar der Meinung, die rechtsextreme Partei sei weniger antisemitisch als das linke Bündnis. Serge Klarsfeld, seine Frau Beate sowie ihr Sohn Arno zogen viel Kritik auf sich, nachdem sie erstmals öffentlich eine Position vertreten haben, die unter französischen Juden wahrscheinlich die Mehrheitsmeinung darstellt. Für zahlreiche Juden ist die Linke unwählbar geworden, seitdem sie Bündnisse mit Antisemiten schmiedet. Auch Emmanuel Macrons Nahostpolitik erscheint vielen als zwielichtiger Balagan.

Parteimitglieder in SS-Kleidung und judenfeindliche Tweets des RN

Der Rassemblement National ist die führende Kraft des rechten Spektrums, die an Israels Verteidigungsrecht keine Bedingungen knüpft. Viele Juden finden das verlockend. Doch die Annahme, die Partei von Marine Le Pen habe ihre antisemitische Vergangenheit überwunden, ist Unsinn. Es gibt Vorfälle, bei denen Parteimitglieder in SS-Kleidung oder mit judenfeindlichen Tweets in Erscheinung getreten sind. Aber das ist nur bedingt relevant.

Viel prägender ist der latente Antisemitismus des RN, der sich seit seiner Gründung durch das Parteiprogramm zieht, auch aktuell in der Parlamentswahl. Unter anderem wollten sie Franzosen mit doppelter Staatsangehörigkeit von wichtigen Staatsposten ausschließen, offiziell, um sich gegen »ausländische Einmischungsversuche« zu schützen.

Diese Maßnahme hätte die Mehrheit der jüdischen Diaspora getroffen und erinnert an die antisemitische Tradition der Partei. Es ist dieselbe Blut-und-Boden-Politik, die 1892 zur Spionagebeschuldigung gegen Alfred Dreyfus führte. Wer sonst hätte französische Staatsgeheimnisse an den deutschen Feind verraten können? Es muss der elsässische Jude gewesen sein. In einer christlichen Mehrheitsgesellschaft werden Juden in den Augen der Nationalisten immer das Fremde bleiben.

Deshalb war die Entscheidung des CRIF, des Dachverbandes der französischen Juden, den Cordon Sanitaire weiterhin zu halten, die ehrenvollere als die der Klarsfelds. Denn auch, wenn der jüdische Dachverband weiß, wie bröckelig die Brandmauer tatsächlich innerhalb der eigenen Gemeinde ist, hat er die Pflicht, nicht zur Normalisierung der Rechtsextremen beizutragen.

Der Autor ist Journalist bei der »Süddeutschen Zeitung«.

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