Der NDR hat die 1983 vom »Stern« veröffentlichten gefälschten »Hitler-Tagebücher« digital aufbereiten lassen. Ab Donnerstagabend sollen die insgesamt 60 Bände der Fälschungen auf der NDR-Website abrufbar sein, teilte der Sender in Hamburg mit.
Die Aufbereitung der handschriftlichen »Tagebücher« sei mit Kopien der Originale erfolgt. Diese seien mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) in ein Transkript übersetzt worden, in dem auch nach Schlagworten gesucht werden könne.
Quellen Die Kopien stammen nach Angaben einer NDR-Sprecherin aus verschiedenen Quellen, unter anderem aus dem Nachlass der Journalistin und Holocaust-Forscherin Gitta Sereny, dem Vorlass des Strafverteidigers Kurt Groenewold, der zuletzt auch den »Tagebuch«-Fälscher Konrad Kujau vertreten hatte, und aus dem Kujau-Kabinett, einem Museum für Fälschungen. Für die Kopien habe der NDR kein Geld bezahlt, hieß es.
Der »Stern« hatte 1983 die »Hitler-Tagebücher« präsentiert, die sich später als Fälschung herausstellten und das Magazin in eine Krise stürzten. Kujau soll vom »Stern« über neun Millionen D-Mark, also rund 4,5 Millionen Euro, erhalten haben.
Die digitale Veröffentlichung des NDR begleitete ein wissenschaftlicher Beirat, dem unter anderen der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke und die Historikerin Heike Görtemaker, die mit Publikationen über Eva Braun und »Hitlers Hofstaat« bekannt wurde, angehörten.
Bewertung Beide bewerteten die Inhalte der »Tagebücher« als Geschichtsfälschung. »Kujau erfindet hier eine positive Hitlerfigur«, befand Görtemaker und kritisierte: »Der fiktive Hitler hat mit nationalsozialistischen Gewaltverbrechen nichts zu tun.«
Kujau habe Hitler von den schlimmsten Verbrechen der Nazis freisprechen wollen, erklärte Funke. Der NDR sieht diese Interpretation durch eine Reihe von Zitaten in den Texten belegt, und Kujau tiefer in die neonazistische Szene seiner Zeit verstrickt als bislang bekannt.
Laut NDR liegen die Originale der gefälschten »Hitler-Tagebücher« gesperrt beim »Stern« im Verlag Gruner+Jahr, der mittlerweile zum RTL-Konzern gehört. epd
Die vollständige Recherche ist das Thema in »Reschke Fernsehen«, am Donnerstag, 23. Februar, ab 18.00 Uhr in der ARD Mediathek und um 23.35 Uhr in Das Erste.