Brit Mila

Missverständlich

Einstehen für Religionsfreiheit: Lala Süsskind (M.) bei der Berliner Kundgebung Foto: Gregor Zielke

Brit Mila

Missverständlich

Justizsenator antwortet auf Kritik an Berliner Regelung

von Martin Krauss  11.09.2012 17:11 Uhr

Thomas Heilmann wehrt sich gegen Kritik. »Sie beruht auf Missverständnissen«, sagt der Berliner Justizsenator (CDU), der am Mittwoch vergangener Woche eine Regelung vorgestellt hatte, die Beschneidung jüdischer und muslimischer Jungen straffrei belässt. Dort heißt es, Eltern müssten »die religiöse Notwendigkeit« nachweisen. Und der Eingriff müsse nach höchsten medizinischen Standards vorgenommen werden, das könne »nach jetzigem Stand nur ein approbierter Arzt« gewährleisten.

Demonstration »Unglücklich« nannte der orthodoxe Berliner Gemeinderabbiner Yitshak Ehrenberg die Regelung, »so kann es nicht bleiben«. Die Kritik an Heilmann und seiner als »Berliner Regelung« vorgestellten Übergangsleitlinie war besonders am vergangenen Sonntag laut geworden.

Da hatten sich auf dem Bebelplatz in Berlin-Mitte etwa 500 Menschen versammelt, um für das Recht auf religiöse Beschneidung zu demonstrieren. Aufgerufen hatte das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus, mit Unterstützung von verschiedenen jüdischen und nichtjüdischen Organisationen und Einrichtungen.

Auf der Kundgebung war Heilmanns Anliegen, für Berlin eine Übergangslösung zu schaffen, gelobt worden. Der Senator sei gewiss kein Antisemit, hatte Rabbiner Ehrenberg ausgerufen, »er ist ein Judenfreund, aber das Resultat ist unglücklich«. Ehrenberg kritisierte auch den Passus, nur Mediziner dürften den Eingriff durchführen. »Heilmann sagt einerseits, die Mohalim könnten weitermachen. Aber dann sagt er, nur Ärzte dürfen beschneiden«, ärgert sich der Rabbiner. »Wie soll das gehen?«

judennachweis Lala Süsskind, Vorsitzende des Forums, fragte: »Wie soll ich nachweisen, dass eine Beschneidung aus religiösen Gründen geschieht?« Vor etlichen Jahren hätte man sie auf der Straße als Jüdin erkannt – »diese Zeiten wollen wir nicht mehr haben«. Der SPD-Politiker Wolfgang Thierse empörte sich gegenüber der Jüdischen Allgemeinen: »Heißt das, dass wir jetzt statt eines Ariernachweises einen Judennachweis haben?«

Stephan J. Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden, nannte Heilmanns Ansatz ein gutes Signal, »aber die konkrete Zwischenlösung hilft uns nicht weiter«. Maram Stern, Vizepräsident des Jüdischen Weltkongress, erklärte: »Gut gemeint ist nicht unbedingt gut gemacht.«

Heilmann sagte dieser Zeitung, er nehme die Kritik ernst. Was er in der vergangenen Woche als »Berliner Praxis zur Strafverfolgung von Beschneidungen« vorgestellt hatte, sei nur ein »Brief an Berliner Ärzte« gewesen, der »sich auf ärztlich durchgeführte Beschneidungen« beziehe. Einen Nachweis der Religionszugehörigkeit brauche es »definitiv« nicht. »Vielmehr müssen Ärzte anstelle des Nachweises einer medizinischen Indikation die religiöse Motivation dokumentieren.«

Mohalim Auf die Kritik in Bezug auf die Mohalim antwortet Heilmann, das Land Berlin könne deren Position weder verbessern noch verschlechtern. Durch seine Regelung sei aber immerhin der Status wieder erreicht worden, der vor dem umstrittenen Urteil des Landgerichts Köln geherrscht habe. Der CDU-Politiker fordert weiterhin ein Bundesgesetz, »weil nur so ein rechtlicher Status für die Mohalim geschaffen werden kann, der deren medizinische Fachkunde auch rechtlich verankern kann«.

Derweil findet Heilmanns Initiative auch Nachahmer. Die bayerische Justizministerin Beate Merck kündigte an, der Freistaat werde vorerst alle Strafverfolgungsmaßnahmen zurückstellen. Das betrifft aber nicht das laufende Ermittlungsverfahren im fränkischen Hof gegen den Rabbiner und Mohel David Goldberg, gegen den Anzeige erstattet wurde.

Ein Gesetz, das die Beschneidung legalisiert, wird derzeit im Bundesjustizministerium erarbeitet. Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) betont: »Wir müssen mit allen Mitteln verhindern, dass über die Beschneidungsdebatte Antisemitismus Vorschub geleistet wird.«

strafanzeige Dass Eile geboten ist, betonen sowohl jüdische als auch muslimische Vertreter. Nach dem Kölner Urteil haben sich einige Krankenhäuser von der medizinisch nicht indizierten Beschneidung verabschiedet. Daher hatte Heilmann angekündigt, er wolle sich mit muslimischen und jüdischen Verbänden beraten.

Ein Gesprächspartner war das American Jewish Committee, dessen Rat er aber nicht folgte: Es hatte in seiner Stellungnahme vor einer Einwilligungserklärung der Eltern gewarnt, diese würde als Diskriminierung gewertet werden und »auf großen Widerstand innerhalb der jüdischen Gemeinde stoßen«. Die Prognose hat sich bestätigt.

Einwurf

Warum Heine hilft

Wer die Bilder der ausgemergelten Geiseln Rom Braslavski und Evjatar David kaum ertragen kann, findet Trost in Heinrich Heines Gedichten. Seine Verse sind auch heute so wahrhaftig wie vor 200 Jahren

von Maria Ossowski  04.08.2025

Leipzig

Eltern nennen ihren neugeborenen Sohn Yahya Sinwar

In der Uniklinik Leipzig suchten Eltern einen problematischen Namen für ihr Neugeborenes aus. Eine kleine Recherche zeigt: Yahya ist kein Einzelfall

von Imanuel Marcus  04.08.2025 Aktualisiert

Meinung

Die Folgen wären fatal - auch für uns

Warum der Ausschluss Israels aus »Horizon Europe« ein Fehler wäre und Deutschland mit Nein stimmen sollte

von Carsten Ovens  04.08.2025

Berlin

Deportationsmahnmal in Moabit beschädigt

Polizeibeamte entdecken auf der Putlitzbrücke Farbspritzer und Paketklebeband am Mahnmal

 04.08.2025

Berlin

CDU-Politiker Kiesewetter kritisiert deutsche Nahost-Politik

Kanzler Merz und Außenminister Wadephul (beide CDU) prägen die Nahost-Politik der Bundesregierung. Deutliche Kritik daran kommt aus den eigenen Reihen

 04.08.2025

Interview

»Als deutscher Außenminister muss ich Israel aus der Isolation helfen«

Bundesaußenminister Johann Wadephul war gerade zum zweiten Mal in drei Monaten in Israel. Im Interview spricht er über die Gründe des Besuchs, seine zunehmende Missbilligung des israelischen Vorgehens in Gaza sowie die Kritik, die es seit seinem Amtsantritt an ihm gegeben hat

von Joshua Schultheis  03.08.2025

Friedrich Merz

»Ich bin entsetzt über die Bilder von Evyatar David und Rom Braslavski«

Der Bundeskanzler fordert die Freilassung aller Geiseln als Voraussetzung für eine Waffenruhe

 03.08.2025

Armin Laschet

»Warum sind die Bilder der geschundenen Deutschen nicht täglich in den deutschen Medien?«

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses fordert von der deutschen Staatsspitze mehr Einsatz für die deutschen Geiseln

 03.08.2025

Deutschland

Innenministerium prüft Aufnahme von Kindern aus Israel und Gaza

Hannover und Düsseldorf wollen schutzbedürftige und traumatisierte Kinder aus Israel und dem Gazastreifen aufnehmen. Doch für das Vorhaben gibt es Hürden

 03.08.2025