Einspruch!

Mal ein Lob für Brüssel

Am 1. Juni hat das Europäische Parlament auf Initiative des European Jewish Congress eine Resolution verabschiedet, welche die Mitgliedsstaaten auffordert, die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) anzuerkennen und anzuwenden. Die Resolution beschreibt Antisemitismus zutreffend als ernste Gefahr.

Die IHRA definiert ihn zunächst allgemein als von Hass geprägte Wahrnehmung von Juden, die sich gegen Menschen, Eigentum und jüdische Institutionen richtet. Beispiele sind eine aggressive ideologische oder religiöse Haltung gegen Juden, Holocaustleugnung oder der Vergleich Israels mit den Nazis. Die Resolution selbst kann rechtlich nicht bindend sein. Sie fordert die Mitgliedsstaaten aber auf, ihr rechtliche Geltung zu verschaffen. Auch werden Gerichte sie sicher bei der Anwendung bestehenden Rechts (etwa Strafrecht oder Presserecht) beachten.

Risiko Den Schritt der Parlamentarier halte ich für richtig und wichtig. Gut, dass eine jüdische Initiative aufgegriffen wird. Gut, dass wir Teil der Diskussion und politischen Meinungsbildung sind und nicht nur Objekt derselben. Aber als Risiko bleibt: Gesetzgeber oder Richter könnten den offenen Charakter der Definition verkennen und sie als abschließend betrachten. Die immer neuen Mutationen des hässlichen Virus Antisemitismus verlangen aber ein immer neues Erkennen seiner Erscheinungsformen.

Die praktische Erfahrung zeigt ein weiteres Problem: zuverlässig zu erkennen, dass von Juden die Rede ist. Es gibt unter Antisemiten populäre Sprechcodes, etwa: »Die Banker der Ostküste steuern die USA« oder »die Gruppe, die weltweit die Presse kontrolliert«. Das haben sie in der Vergangenheit bereits zur Umgehung bestehender Gesetze oder in der politischen Diskussion perfide praktiziert. Die IHRA-Definition und die Parlamentsresolution befassen sich damit leider nicht. Dieser Herausforderung werden sich Gesetzgeber, Richter und wir alle also unvermindert stellen müssen.

Der Autor ist Rechtsanwalt und Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Göttingen.

9. November

Erinnerung ohne Empathie ist leer

Wenn Deutschland am Sonntag der Pogromnacht gedenkt, darf Erinnerung nicht nur rückwärtsgewandt sein. Sie muss auch die Angst der Juden von heute im Blick haben

von Tobias Kühn  08.11.2025

Urteil

Betätigungsverbot für israelfeindlichen Aktivisten war rechtswidrig

Ghassan Abu-Sittah, der der israelischen Armee vorwirft, vorsätzlich Kinder zu töten, hätte auf dem »Palästina-Kongress« sprechen dürfen

 08.11.2025

Meinung

Wieder ein Milliarden-Blankoscheck für Palästina?

Europa will den Wiederaufbau Gazas mit 1,6 Milliarden Euro fördern. Glaubt man in Brüssel wirklich, durch Scheckbuchdiplomatie etwas zum Besseren verändern zu können?

von Jacques Abramowicz  08.11.2025

Jerusalem

Bischof Azar bedauert Irritation durch »Völkermord«-Äußerung

Weil er in einem Gottesdienst in Jerusalem von »Völkermord« an den Palästinensern sprach, hat der palästinensische Bischof Azar für Empörung gesorgt. Nun bedauert er, dass seine Worte Irritation ausgelöst haben

von Christine Süß-Demuth  07.11.2025

Berlin

Israelfeindliche Aktivisten besetzen ZDF-Hauptstadtstudio

Die Polizei musste die Besetzung beenden

 07.11.2025

Medienbericht

Katar soll mutmaßliches Missbrauchsopfer von Karim Khan ausspioniert haben

Das Emirat scheint sich in den Skandal um den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs eingemischt zu haben, wie Recherchen nun zeigen

 07.11.2025

Berlin

Sarah Wedl-Wilson räumt Defizite bei Fördermittel-Vergabe ein

Wurden Gelder für Projekte gegen Antisemitismus rechtswidrig verteilt? Das werfen Grüne und Linke der Kultursenatorin vor. Nun äußert sie sich

 07.11.2025

Diplomatie

Kasachstan will sich den Abraham-Abkommen anschließen

US-Präsident Donald Trump kündigte den Schritt wenige Tage vor dem Besuch des saudischen Kronprinzen im Weißen Haus. Auch Saudi-Arabien solle seine Beziehungen zu Israel normalisieren, so die Hoffnung des US-Präsidenten

 07.11.2025

Antiisraelischer Beschluss

Linken-Spitze distanziert sich von Parteijugend

Die Linksjugend Solid wirft Israel unter anderem einen »kolonialen und rassistischen Charakter« vor – und löst in der Partei Empörung aus

 06.11.2025