Zivilcourage

»Lebendiges Beispiel für Engagement«

Ein bisschen stolz: Birgit und Horst Lohmeyer (r.) bei der Preisverleihung am Donnerstag. An ihrer Seite Zentralratspräsident Dieter Graumann. Foto: dpa

Jamel, das ist ein kleines Dorf in der mecklenburgischen Provinz mit rund 40 Einwohnern in der Nähe von Wismar. In dem Ort haben sich vor allem Neonazis angesiedelt und ihre eigene Idylle in der »freien und nationalen Dorfgemeinschaft« geschaffen. »Jamel, das ist ein unhaltbarer Zustand, eine Zumutung, mit der sich niemand in Deutschland jemals abfinden darf«, sagt Dieter Graumann am Donnerstag. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland betont aber im Schweriner Schloss auch, dass sich Birgit und Horst Lohmeyer nicht vom braunen Alltag haben einschüchtern lassen.

Seit 2007 organisiert das Künstlerehepaar jährlich im August auf ihrem Grundstück ein Rockfestival, setzt mit ihrem »Jamel rockt den Förster« ein sicht- und hörbares Zeichen gegen Intoleranz und Extremismus. Als »lebendiges Beispiel für Engagement«, wie es Dieter Graumann nennt, ehrt der Zentralrat an diesem Tag die Lohmeyers mit dem »Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage«. 2009 hatte der sächsische Polizeipräsident Bernd Merbitz als Erster diese Auszeichnung erhalten.

Der Paul-Spiegel-Preis mache sie zugleich stolz und ein wenig verlegen, sagt Birgit Lohmeyer in ihrer Dankesrede, »denn immerhin werden wir, die wir beide zur Generation der Enkel der nationalsozialistischen Täter gehören, durch Vertreter der Nachfolgeorganisation der damaligen Opfer ausgezeichnet«.

Schweigen 2004 sind die Schriftstellerin und der Musiker aus der Großstadt Hamburg in das ländliche Jamel gezogen. Ganz bewusst, das Ehepaar hatte vom negativen Ruf der kleinen Gemeinde gehört. Es habe sie geschmerzt zu erleben, betont Birgit Lohmeyer, wie Menschen Demokratie und Gesellschaft aufgeben. Damit spricht sie nicht nur über die Neonazis, sondern auch über die schweigenden Nachbarn, die nichts mit den Rechtsextremisten, aber eben auch nichts mit den Lohmeyers zu tun haben wollen. Für sie sei es »ein Gebot der Menschlichkeit, nicht die Augen vor den Umtrieben der Rechtsextremisten zu verschließen«.

Seit mehr als einem Jahrzehnt dominiert der regional bekannte Neonazi Sven Krüger das Dorfleben, sorgte dafür, dass immer mehr seiner Gesinnungsgenossen nach Jamel zogen und inzwischen mit ihren Familien die Mehrheit in dem Zehn-Häuser-Dorf ausmachen. Seit Ende Januar sitzt Krüger allerdings in Untersuchungshaft. Gegen ihn wurde zuvor wegen des Verdachts der Hehlerei ermittelt. Bei einer Großrazzia entdeckten die Beamten aber nicht nur Baumaschinen, sondern auch Waffen und Munition. Dem 36-Jährigen droht nun auch wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz eine mehrjährige Haftstrafe. Sein NPD-Mandat für den Kreistag Nordwestmecklenburg hat Krüger erst vor wenigen Tagen zurückgegeben.

NPD-Verbot Gerade, weil die NPD nicht nur in Kreistagen von Mecklenburg-Vorpommern vertreten ist, sondern auch seit 2006 mit sechs Abgeordneten im Landesparlament sitzt, spricht Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider während der Preisverleihung von den zahlreichen Entgleisungen der Rechtsextremisten im Parlament. »Wir brauchen ein neues Verbotsverfahren gegen diese Partei«, forderte die Sozialdemokratin und war sich darin einig mit dem Laudator, Ministerpräsident Erwin Sellering und dem Zentralratspräsidenten. Auch Dieter Graumann betonte, es dürfe nicht sein, dass die NPD das Parteienprivileg aufs Schändlichste missbrauche. »Dass die NPD öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt bekommt, um ihr braunes Gift zu verbreiten, das ist niemandem wirklich zu vermitteln.«

Das Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro wollen Birgit und Horst Lohmeyer für ihr Festival »Jamel rockt den Förster« verwenden, das im kommenden August dann zum fünften Mal auf dem Hof ausgetragen wird. Die Auszeichnung empfinden beide auch als eine Art öffentlichen Schutz, als Ansatz für Veränderungen. »Ich glaube nicht, dass Jamel in fünf oder zehn Jahren noch so sein wird wie heute«, sagt Birgit Lohmeyer. Ob sich bereits jetzt etwas in der Region, in Mecklenburg-Vorpommern, im Umgang mit den Rechtsextremisten verändert hat, wird sich auch am 4. September zeigen. Dann, wenige Tage nach dem Rockfest der Lohmeyers, entscheiden die Wähler, ob die NPD erneut in den Schweriner Landtag einzieht.

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