Lateinamerika

Kokain im Gotteskrieg

Tunnelblick: Durch unterirdische Gänge werden Drogen aus Mexiko in Nachbarländer transportiert. Foto: Reuters

Macht die Hisbollah gemeinsame Sache mit der mexikanischen Mafia? Schon lange verfolgen Sicherheitsbehörden, wie die islamistische Organisation in Lateinamerika ihre Fäden spinnt. Vor allem im Süden sind immer wieder Kämpfer der schiitischen »Partei Gottes« aktiv: in Paraguay, Venezuela, Argentinien.

Doch auch Mexiko ist ein attraktives Operationsgebiet für die Islamisten geworden, seit immer mehr Regionen des Landes von Kartellen kontrolliert werden und die gewaltsamen Auseinandersetzungen durch den von der Regierung ausgerufenen »Krieg gegen die Mafia« eskaliert sind. Zudem sind die Familienbande in den Libanon eng: Rund 200.000 Menschen aus der Nahost-Region leben in Mexiko.

geschäfte Korrupte Beamte, illegale Transportrouten und kaum Strafverfolgung schaffen den idealen Boden für die »Gotteskrieger« aus dem Libanon. Mexikos Mafia bietet eine gute Infrastruktur und ein lukratives Geschäftsfeld: den Handel mit Marihuana, Kokain und Heroin. Auch die schiitischen Islamisten verdienen ihr Geld mit Drogen, folglich gibt es Berührungspunkte.

»Die Hisbollah arbeitet mit denselben kriminellen Waffenschmugglern, Dokumentenfälschern und Transporteuren wie die Drogenkartelle«, erläutert Michael Braun, ehemals Chef für operative Einsätze der US-Antidrogenbehörde DEA. Nach seiner Überzeugung agieren Mafia und Hisbollah »Schulter an Schulter«: »Sie lernen voneinander, tauschen bedenkliche wichtige Kontakte aus und verständigen sich über Methoden der Durchführung von Aktionen.«

Einiges deutet darauf hin, dass die Hisbollah vor allem mit dem Zetas-Kartell kooperiert. Entstanden aus Elitesoldaten der Armee, gelten »Los Zetas« mittlerweile als brutalste Mafia-Organisation Mexikos. Wie ihre mutmaßlichen libanesischen Partner zählen sie zur transnational organisierten Kriminalität. Tausende von Toten gehen auf ihr Konto, auf der Internet-Plattform YouTube veröffentlichen sie Filme, in denen sie Mitglieder gegnerischer Kartelle foltern und ermorden.

scheinfirmen Offenbar hat der mit der Hisbollah assoziierte libanesische Drogenhändler Ayman Joumaa alias »Junior« 850 Millionen US-Dollar der Zetas über Scheinfirmen und die Lebanese Canadian Bank gewaschen. US-Strafverfolger werfen Junior auch vor, große Mengen kolumbianischen Kokains an das Kartell verkauft zu haben. Er gilt als Verbindungsmann der beiden Organisationen.

Auch mit einem geplanten Anschlag auf den saudi-arabischen Botschafter in den USA, Adel al-Jubeir, im November 2011 werden die Zetas in Verbindung gebracht: Ein Killer sollte den Diplomaten ermorden. Allerdings gerieten die Hintermänner an einen Agenten, den die DEA bei den Zetas eingeschleust hatte. Hinter der geplanten Terroraktion soll aber nicht die Hisbollah, sondern direkt der Iran stecken.

Im letzten September hat die mexikanische Polizei zudem auf der Halbinsel Yucatán drei Männer festgenommen, denen vorgeworfen wird, für den Aufbau eines Hisbollah-Netzwerkes verantwortlich zu sein. Zwar gibt es bis heute keine verurteilten Täter, aber für das US-Heimatschutzministerium steht fest: »Mehr als jede andere Terrorgruppe besitzt die Hisbollah in Mexiko Zellen, die Kapital heranschaffen und für terroristische Einsätze bereitstehen.«

Netzwerk Bereits in den 80er-Jahren begann die Hisbollah mit dem Aufbau eines globalen kriminellen und terroristischen Netzwerks. Nach Einschätzung von Experten ist die »Partei Gottes« in 40 Ländern aktiv. Besonders verankert ist sie in der »Drei-Grenzen-Region«, wo Paraguay, Brasilien und Argentinien aufeinandertreffen. Dort agieren Rauschgifthändler im großen Stil, und immer wieder sind Mitglieder der Hisbollah involviert.

Die Organisation bringt Drogen über afrikanische Staaten nach Europa oder in den Nahen Osten. »Das über Westafrika gehandelte Kokain macht einen beträchtlichen Teil des Einkommens der Hisbollah aus«, zitiert das US-Medium »Pulitzer Center« UN- und Interpol-Berichte. Auch der Bombenanschlag auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA in Buenos Aires 1994 wurde wohl in der »Drei-Grenzen-Region« vorbereitet. Bei dem Angriff, für den die Hisbollah verantwortlich gemacht wird, starben 85 Menschen.

Da jedoch in den letzten Jahren in Lateinamerika keine islamistischen Terroranschläge verübt wurden, dürfte derzeit die Geldbeschaffung im Vordergrund der Hisbollah-Zellen stehen. Zumal es in der »Partei Gottes« um die Finanzen schlecht steht: Wegen der internationalen Sanktionen gegen den Iran schickt Teheran wesentlich weniger Geld als zuvor. Und auf eine langfristige Unterstützung von Syriens Regierungschef Baschar al-Assad werden sich die Militanten kaum verlassen wollen.

Interview

»Diskrepanzen zwischen warmen Worten und konkreten Maßnahmen«

Nach dem Massaker von Sydney fragen sich nicht nur viele Juden: Wie kann es sein, dass es immer wieder zu Anschlägen kommt? Auch der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, sieht Defizite

von Leticia Witte  22.12.2025

Washington D.C.

Kritik an fehlenden Epstein-Dateien: Minister erklärt sich

Am Freitag begann das US-Justizministerium mit der Veröffentlichung von Epstein-Akten. Keine 24 Stunden später fehlen plötzlich mehrere Dateien - angeblich aus einem bestimmten Grund

von Khang Mischke  22.12.2025

Australien

Behörden entfernen Blumenmeer für die Opfer von Bondi Beach

Die Regierung von New South Wales erklärt, man habe sich vor dem Abtransport der Blumen eng mit der jüdischen Gemeinde abgestimmt

 22.12.2025

Sydney

Attentäter warfen Sprengsätze auf Teilnehmer der Chanukka-Feier

Die mutmaßlichen Attentäter Naveed und Sajid Akram bereiteten sich auf das Massaker vor. Ihre Bomben explodierten nicht

 22.12.2025

New York

Tucker Carlson ist »Antisemit des Jahres«

Die Organisation StopAntisemitism erklärt, ausschlaggebend seien Beiträge, in denen er erklärten Judenhassern, Holocaustleugnern und extremistischen Ideologen eine große Bühne geboten habe

 22.12.2025

In eigener Sache

Die Jüdische Allgemeine erhält den »Tacheles-Preis«

Werteinitiative: Die Zeitung steht für Klartext, ordnet ein, widerspricht und ist eine Quelle der Inspiration und des Mutes für die jüdische Gemeinschaft

 21.12.2025

Gaza

Das Problem mit der Entwaffnung

Die Hamas weigert sich strikt, die Waffen niederzulegen. Was Zustimmung in der palästinensischen Bevölkerung findet und den Friedensplan stocken lässt

 21.12.2025 Aktualisiert

Interview

»Die Zustände für Juden sind unhaltbar. Es braucht einen Aufstand der Anständigen«

Zentralratspräsident Josef Schuster über den islamistischen Anschlag von Sydney und das jüdische Leben in Deutschland nach dem 7. Oktober

 21.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025