Berlin

Keine Entwarnung bei Antisemitismus

Tahera Ameer, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung Foto: picture alliance/dpa

Die Amadeu Antonio Stiftung sieht in Deutschland eine Ausbreitung des Antisemitismus in die gesellschaftliche Mitte. Für Juden sei ein Alltag ohne antisemitische Verklärungen und Verzerrungen kaum mehr möglich, heißt es in einem am Mittwoch in Berlin vorgestellten »Zivilgesellschaftlichen Lagebild Antisemitismus« der Stiftung.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sieht trotz eines Rückgangs antisemitischer Straftaten im vergangenen Jahr keinen Grund zur Entwarnung. Er sei besorgt über das weiterhin inakzeptabel hohe Niveau und die Tatsache, dass die Gewaltdelikte in diesem Bereich weiter angestiegen sind, sagte Klein dem »RedaktionsNetzwerk Deutschland«.

Gewaltdelikte Laut Jahresbilanz der Bundesregierung zur politisch motivierten Kriminalität im vergangenen Jahr sank die Zahl antisemitischer Straftaten um knapp 13 Prozent auf 2641 Fälle. Zugleich nahm die Zahl antisemitisch motivierter Gewaltdelikte auf 88 (2021: 64) zu. Die Gesamtzahl politisch motivierter Straftaten stieg auf einen Höchststand von 58.916 Delikten.

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) erfasste 2022 in Berlin insgesamt 848 antisemitische Vorfälle, darunter eine schwere Gewalttat. Das waren knapp 20 Prozent weniger als im Vorjahr, sagte Projektleiterin Julia Kopp am Mittwoch bei der Vorstellung des RIAS-Jahresberichtes. Die meisten der registrierten Vorfälle (57 Prozent) ereigneten sich online.

Der Antisemitismusbeauftragte des Landes Berlin, Samuel Salzborn, bezeichnete das Internet und digitale Netzwerke als »antisemitischen Radikalisierungsmotor«. Online-Vorfälle wirkten über das Digitale weit hinaus: »Sie schüchtern Jüdinnen und Juden ein, sie wirken massiv verletzend für die Betroffenen.« Zudem könnten sie Auswirkungen auf antisemitisches Verhalten außerhalb des digitalen Raumes haben.

Angespuckt Antisemitische Angriffe ereigneten sich auf der Straße, im öffentlichen Nahverkehr, an Gedenkorten, im Café oder in der Schule, sagte RIAS-Projektleiterin Kopp. Mehreren Personen sei die Kippa vom Kopf gerissen worden, sie seien geschlagen, angespuckt, auf dem Fahrrad bedrängt und bedroht worden.

Die Amadeu Antonio Stiftung beobachtet laut Lagebild etwa auf pro-palästinensischen Demonstrationen das Schüren von Israel-Hass durch einseitige Schuldzuweisungen. Im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine würden auf Demonstrationen antisemitische Codes wie das Bild des Strippenziehers auf die USA übertragen. Abgeordnete der AfD würden antisemitische Codes wie den der »Globalisten verbreiten.

Die Vorständin der Stiftung, Tahera Ameer, sprach von einer «antisemitischen Landnahme«. Je mehr Debatten antisemitisch aufgeladen werden, umso kleiner würden sichere Räume für Betroffene. epd

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