Staatsangehörigkeitsrecht

Keine Einbürgerung von antisemitischen Straftätern

Der deutsche Pass soll künftig bei Rassismus und Antisemitismus verwehrt werden. Foto: imago/CHROMORANGE

Die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD haben sich auf die Verschärfung des Staatsangehörigkeitsrechts geeinigt.

Demnach soll künftig bei Vorliegen von antisemitischen sowie bei anderen rassistischen Straftaten ein Antrag auf Einbürgerung abgelehnt werden. Der CDU-Innenpolitiker Mathias Middelberg bestätigte gegenüber dieser Zeitung die Einigung auf der Ebene der Fachpolitiker der Regierungskoalition. Die muss nun noch von den zuständigen Bundesministerien in einen Gesetzentwurf gegossen werden.

bekenntnis Demnach soll das vor der Einbürgerung verlangte Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung sinngemäß durch den Hinweis ergänzt werden, dass antisemitisch, rassistisch, fremdenfeindlich oder sonstige aus Menschenverachtung heraus begangene Straftaten mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes unvereinbar sind und gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen.

Im Strafrecht ist bereits jetzt verankert, dass bei der Strafzumessung die Motivation des Täters berücksichtigt wird. So heißt es im Paragrafen 46 des Strafgesetzbuches: »Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.« Als Beweggründe werden dort »rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende« Aspekte genannt, die von den Gerichten bei der Strafzumessung zu würdigen sind. Selbige Kriterien sollen nach Wunsch von CDU/CSU und SPD künftig auch im Einbürgerungsrecht gelten.

Nach dem Plan der Koalition wird die bestehende Bagatellgrenze, derzufolge Personen, die zu einer Geldstrafe von weniger als 90 Tagessätzen oder zu einer Freiheitsstrafe unter drei Monaten verurteilt wurden, trotz Vorstrafen eingebürgert werden können, künftig wegfallen. Damit könnte Ausländern, die wegen Volksverhetzung verurteilt werden, das Erlangen des deutschen Passes unmöglich gemacht werden.

EINBÜRGERUNGSTEST Bereits jetzt ist Voraussetzung für eine Einbürgerung, dass ein Antragsteller nicht zuvor wegen einer mittelschweren oder schweren Straftat verurteilt worden ist.

»Mit dieser Nachschärfung im Staatsangehörigkeitsgesetz können wir künftig die Einbürgerung von Antisemiten oder Rassisten besser verhindern.«

Mathias Middelberg (CDU)

»Mit dieser Nachschärfung im Staatsangehörigkeitsgesetz können wir künftig die Einbürgerung von Antisemiten oder Rassisten besser verhindern. Wer zu einer antisemitisch, rassistisch oder fremdenfeindlich motivierten Straftat verurteilt worden ist, kann kein deutscher Staatsangehöriger werden. Das gilt künftig auch bei nur geringfügigen Verurteilungen«, sagte Mathias Middelberg dieser Zeitung.

Mit der Verschärfung des Staatsangehörigkeitsrechts und weiteren Maßnahmen, insbesondere der Überarbeitung des Fragenkatalogs des Einbürgerungstests, ziehe man »Konsequenzen aus den unerträglichen antisemitischen Ausschreitungen im Mai. Wenn die Existenz des Staates Israel deutsche Staatsräson ist, muss das in jedem Fall im Einbürgerungsrecht erkennbar sein«, so der CDU-Innenexperte.

Erst Anfang vergangener Woche hatte Middelberg der Union seinen Vorschlag unterbreitet, der Bundestag möge vor der Sommerpause und der Neuwahl im September tätig zu werden. Anlass waren die anti-israelischen und zum Teil antisemitischen Demonstrationen auf deutschen Straßen im Mai. In Gelsenkirchen waren propalästinensische Demonstranten vor die dortige Synagoge gezogen und hatten Parolen wie »Scheiß Juden« und »Israel Kindermörder« gebrüllt. Die dortige Polizei löste die Versammlung auf. Gegen 13 Tatverdächtige verschiedener Nationalitäten laufen strafrechtliche Ermittlungen, teilte ein Polizeisprecher mit.

»VERWEIGERUNGSHALTUNG« Middelberg stellte allerdings klar, dass sich die Neuregelung des Einbürgerungsrechts nur auf verurteilte Straftäter beziehen und nicht sonstige antisemitisch motivierte Handlungen umfassen werde. Letzteres sei auf Bedenken beim Koalitionspartner SPD gestoßen. Die Sozialdemokraten setzten zudem durch, dass nicht nur antisemitische, sondern generell rassistische Straftaten zum Ausschlussgrund für eine Einbürgerung werden sollen.

Darüber hinaus will die Koalition die bei Einbürgerungswilligen vorgeschriebenen Tests anpassen und Themen wie Antisemitismus und Deutschlands Haltung zum Existenzrecht Israels stärker berücksichtigen.

Auch die baden-württembergische SPD-Abgeordnete Ute Vogt, die die Einigung für die SPD ausgehandelt hatte, begrüßte die Neuerung. »Wir setzen damit ein deutliches politisches Signal, dass Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bei uns keinen Platz haben.« Die SPD-Innenpolitikerin forderte allerdings erneut CDU und CSU dazu auf, sich auch in der Frage des koalitionsintern umstrittenen Demokratiefördergesetzes zu bewegen. »Zur besseren Bekämpfung von Antisemitismus brauchen wir aber auch praktische Maßnahmen, wie sie das Demokratiefördergesetz vorsieht. Die CDU muss daher hier dringend ihre Verweigerungshaltung aufgeben!« so Vogt am Freitag gegenüber dieser Zeitung.

PRAXIS Noch ist zudem unklar, inwiefern die geplante Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes in der Praxis zu Änderungen bei der Einbürgerung von Ausländern führen wird. Vonseiten der Opposition kam am Freitag zumindest keine Ablehnung des Vorhabens.

Die innenpolitische Sprecherin von Bündnis90/Die Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, sagte zu, man werde den Vorschlag der Koalition prüfen. Der Jüdischen Allgemeinen teilte Mihalic mit: »Das Ziel der Initiative ist grundsätzlich sehr zu unterstützen, denn wir brauchen einen umfassenden und konsequenten Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus.«

Gleichzeitig gab sie zu bedenken, dass die Änderung im Staatsangehörigkeitsrecht »kein Allheilmittel gegen Antisemitismus sein« werde, denn dabei handele es sich um ein viel breiteres Problem, welches auch andere gesellschaftliche Gruppen betreffe.

rechtslage Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) steht einer Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes wohlwollend gegenüber. »Wenn wir die Rechtslage normativ klarstellen und besonders hervorheben, dass die Einbürgerung eines Ausländers, der sich antisemitisch betätigt, ausgeschlossen ist, setzen wir ein wichtiges Signal«, sagte Hermann dieser Zeitung. Darüber hinaus, so Hermann weiter, müsse man nicht nur die Prävention im Kampf gegen den Antisemitismus verstärken, »sondern auch überlegen, inwiefern wir gesetzgeberisch tätig werden können.«

»Zur besseren Bekämpfung von Antisemitismus brauchen wir auch das Demokratiefördergesetz«

Ute Vogt (SPD)

Auch Baden-Württembergs Antisemitismusbeauftragter Michael Blume hält eine Verschärfung des Staatsangehörigkeitsrechts für richtig. Er unterstütze das Anliegen Middelbergs, auch wegen seiner Symbolik, und verwies auf den baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl (CDU), der nach dem Brandanschlag auf die Ulmer Synagoge vor zwei Wochen gesagt hatte: »Wer Antisemit ist, ist nicht integriert.«

Blume sagte gegenüber der Jüdischen Allgemeinen: »Machen wir doch endlich den Stand der Wissenschaft klar: Wer glaubt, freiheitliche Gesellschaften würden durch jüdische Weltverschwörer dominiert, lehnt damit immer auch unsere Demokratie ab. Antisemitismus und Grundgesetz sind unvereinbar!«

RECHTSRAHMEN Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte, bei den anti-israelischen und antisemitischen Ausschreitungen im Mai habe der überwiegende Teil der ermittelten Tatverdächtigen einen arabischen Migrationshintergrund gehabt. »Meine Innenministerkollegen und ich wollen in Kürze darüber beraten, wie antisemitische Straftaten noch präziser erfasst werden können, um ein realistisches Bild zu vermitteln. Das Potenzial von judenfeindlichen Menschen sei mit der Migration seit 2015 größer geworden, so Reul.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius will die vorgeschlagenen Änderungen beim Staatsangehörigkeitsrecht noch prüfen. Grundsätzlich hält der SPD-Politiker aber den bestehenden Gesetzesrahmen im Kampf gegen Antisemitismus für ausreichend. Auch Pistorius‘ NRW-Kollege Reul findet, dass die rechtlichen Möglichkeiten zur Verfolgung von Straftaten grundsätzlich ausreichend seien und sie von den Behörden auch «konsequent genutzt» würden.

Der nordrhein-westfälische Landtag berate aber aktuell über ein Gesetz, das bei Demonstrationen den Versammlungs- und Polizeibehörden mehr Rechtssicherheit bei einschränkenden Maßnahmen geben soll.

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