Nahost

Kein Interesse an Fakten: Die muslimische Welt und der Hass auf Israel

Selbst in Edkonton (Alberta, Kanada) kommt es zu Pro-Terror-Demonstrationen. Foto: picture alliance / Anadolu

Als die Nachricht eines Raketeneinschlags bei einer Klinik im Gazastreifen mit möglicherweise Hunderten Toten die Runde macht, ist die muslimische Welt in heller Aufruhr. Schon seit Tagen droht die Stimmung in den Ländern der Nahost-Region wegen des Gaza-Kriegs zu kippen.

Wütende Menschenmassen strömen mitten in der Nacht in Beirut, Kairo, Istanbul und auch Bagdad auf die Straßen, um sich mit den Palästinensern zu solidarisieren. »Tod für Israel«, riefen Teilnehmer der spontan organisierten Demonstrationen.

Eine türkische Tageszeitung titelt: »Hey Europa! Israel ermordet Kinder in Gaza und Du schweigst.« Eine andere und zunehmend wahrscheinlichere Version der Dinge, dass auch eine fehlgeleitete Rakete palästinensischer Terroristen für die Explosion verantwortlich sein könnte - sie dringt in der Türkei und arabischen Welt kaum durch. Mehr als 1400 Menschen wurden seit dem Großangriff der Hamas am 7. Oktober in Israel ermordet.

Schuldzuweisungen der Nachbarländer

»Alle hier glauben, dass Israel dafür verantwortlich ist«, sagte der jordanische Außenminister Aiman al-Safadi dem Sender CNN. Ein Treffen von US-Präsident Joe Biden in Amman mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi sagte Jordanien kurzerhand ab. Im Jahr 1994 hatten Jordanien und Israel Frieden geschlossen. Lange war das Land neben Ägypten der einzige arabische Staat, der diplomatische Beziehungen zum Nachbarland unterhielt.

Aus Kairo kommen bereits seit Tagen scharfe Töne: Die israelische Reaktion gehe über das Recht auf Selbstverteidigung hinaus und komme einer »kollektiven Bestrafung« gleich, erklärte der ägyptische Präsident Al-Sisi. Die ursprünglichen Massaker der Hamas am 7. Oktober scheinen in der Debatte keine Rolle mehr zu spielen. Ägypten bemüht sich aber vor allem um Deeskalation in dem Konflikt, wohl auch aus Eigeninteresse.

»Ägypten möchte natürlich auch nicht in den Konflikt dahingehend hineingezogen werden und verhindern, dass man plötzlich Millionen oder Hunderttausende Flüchtlinge auf ägyptischem Staatsgebiet hat«, sagt der Journalist Daniel Gerlach. »Deshalb handelt man strategisch und relativ emotionslos, was den Umgang mit dem Krieg in Gaza anbelangt.« Auch die guten Beziehungen zu den USA wolle Ägypten nicht aufs Spiel setzen.

Friedensprozesse in Gefahr?

Die halb abgebrochene Mission von US-Präsident Biden im Nahen Osten habe indes nicht dazu geführt, die Glaubwürdigkeit der Amerikaner zu stärken, sagt Gerlach. »Gegenüber einigen arabischen Staaten ist vermutlich jetzt der Eindruck entstanden: Die Amerikaner haben eigentlich nicht verstanden, was die Stunde geschlagen hat. Sie interessieren sich für die Sicherheit Israels und die Bekämpfung des Terrors, wollen sich aber derzeit nicht für eine Lösung des Nahostkonflikts engagieren, die palästinensische Interessen würdigt.«

Nördlich von Israel im Libanon rief die eng mit dem Iran verbündete Terrororganisation Hisbollah zu einem »Tag des beispiellosen Zorns« auf, dem Tausende Anhänger folgten. Schon seit Tagen demonstriert die Miliz mit gezielten Raketenangriffen ihre Kampfbereitschaft. In vielen Ländern der arabischen Welt richteten sich die Proteste auch gegen Vertretungen der USA, die im Krieg an Israels Seite stehen.

Die Reaktionen der Staaten, die im Rahmen der Abraham-Abkommen ihre Beziehungen mit Israel normalisiert hatten und sich bisher zurückhaltend äußerten, lesen sich immer schärfer. Die Vereinigten Arabischen Emirate etwa gaben alleine Israel die Schuld an der Explosion bei dem Krankenhaus. Der Golfstaat Bahrain äußerte sich ähnlich. Die Regionalmacht Saudi-Arabien will ihre Gespräche über eine mögliche Normalisierung schon zuvor auf Eis gelegt haben.

Wenige Zwischentöne

»Diejenigen, die die Katastrophe frühzeitig als ein israelisches Kriegsverbrechen mit Hunderten von Toten in Gaza dargestellt haben, waren - was auch immer am Ende bei den Untersuchungen rauskommt - auf jeden Fall erfolgreich«, sagt Experte Gerlach.

Um Ausgeglichenheit bemühte Stimmen gibt es wenige. Eine davon ist die türkische Journalistin Nevsin Mengü. Auf der Plattform X schreibt sie schließlich: »Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem die Menschen nicht mehr nach der Wahrheit suchen oder sich für sie interessieren. Jeder ist hinter seiner eigenen Desinformation her.«

Der NATO-Staat Türkei gilt als Brücke zu Asien, so ist Präsident Recep Tayyip Erdogan um einen Balanceakt bemüht. Nach der Explosion sprach er von einer »in der Geschichte beispiellosen Brutalität« Israels. Später verzichtete er auf Schuldzuweisungen. Dass der Gaza-Krieg die Beziehungen zu Israel dauerhaft belastet, ist aber unwahrscheinlich. Erdogan gilt als Pragmatiker und will etwa bei der Freilassung von Geiseln vermitteln.

Wut im Westjordanland

Im Westjordanland, wo mehrheitlich Palästinenser leben, strömten nach der Explosion Tausende Menschen auf die Straßen. In mehreren Städten kam es zu gewalttätigen Konfrontationen mit Sicherheitskräften. Die Wut richtete sich nicht nur gegen Israel, sondern auch gegen die palästinensische Führung. Demonstranten versuchten auch, den Sitz von Präsident Mahmud Abbas zu stürmen.

Generell ist die Stimmung seit dem blutigen Überfall der Hamas auf Israel im Westjordanland extrem angespannt. Täglich kommt es zu tödlichen Auseinandersetzungen mit israelischen Soldaten oder Siedlern.

Abbas wird unter anderem vorgeworfen, mit Israel zusammenzuarbeiten und sich nicht ausreichend für die Rechte der Palästinenser in dem von Israel besetzen Gebiet einzusetzen. In der Stadt Hebron im Süden des Landes wurde er von Demonstranten als »israelischer Spion« beschimpft.

Die wenig gesehene Wahrheit ist: Abbas unterstützt offen den Terror gegen Israel, lehnt selbst eine Anerkennung des jüdischen Staates ab und verbreitet antisemitische Verschwörungstheorien. Daher kooperiert er weder mit Israel, noch ist er gemäßigt. (mit ja)

Berlin

Merz bekräftigt: Regierungschef Israels muss Deutschland besuchen können

»Er ist ein demokratisch gewählter Ministerpräsident der einzigen Demokratie der gesamten Regionen«, betont der Kanzler

 14.05.2025

Washington D.C./Cambridge

Regierung erhöht finanziellen Druck auf Harvard

Präsident Trump geht gegen mehrere Universitäten vor. Er wirft ihnen vor, nicht genug gegen Antisemitismus zu tun. Eine Elite-Uni steht besonders im Fokus

 14.05.2025

Meinung

Jude gesucht für Strafantrag

Dass Staatsanwaltschaften selbst bei judenfeindlichen Hasskommentaren untätig bleiben, ist symptomatisch für den Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland

von Alon David  14.05.2025

Berlin

»Nakba-Tag«: Polizei verbietet Protestzug, Kundgebung darf stattfinden

Die Organisatoren der »ortsfesten« Versammlung, die stattfinden darf, wollen an »77 Jahre des Widerstands«, also des arabisch-palästinensischen Terrors, erinnern und gegen »Repressionen« der deutschen Behörden protestieren

 14.05.2025

Madrid

Sánchez beschuldigt Israel, einen Völkermord zu begehen

»Wir machen keine Geschäfte mit einem genozidalen Staat«, sagte der spanische Regierungschef im Kongress. Im Bundestag wurde hingegen ein solcher Vorwurf als unangebracht gerügt

von Michael Thadigsmann  14.05.2025

Berlin

Viele Freunde

Vor 60 Jahren nahmen Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen auf. Das wurde gefeiert

von Katrin Richter  14.05.2025

Krieg gegen die Hamas

Zentralrat appelliert an Israels Regierung, Hilfsgüter nach Gaza zu lassen

Das Risiko ziviler Opfer müsse beim Kampf gegen den Hamas-Terror so gering wie möglich gehalten werden, so Zentralratspräsident Josef Schuster

 14.05.2025

Berlin

Bundestag würdigt Margot Friedländer

Auch im Parlament war die Holocaust-Überlebende ein gerngesehener Gast. In der vergangenen Woche starb sie. Parlamentspräsidentin Klöckner erinnert an ihre Verdienste

 14.05.2025

Magdeburg

Mehr antisemitische Vorfälle in Sachsen-Anhalt

Direkt von Anfeindungen betroffen waren laut Rias 86 Personen und in 47 Fällen Einrichtungen

 14.05.2025