Meinung

Jüdisches Monster im Schulbuch

Manfred Levy Foto: Rafael Herlich

In einem Schulbuch eines renommierten Verlages soll Schülern der Klassen 7 bis 9 die Europäische Union erklärt werden. Über dem Text ist eine Illustration zu sehen, sie zeigt eine Figur, die dem Videospiel Pac-Man nachempfunden ist und die die EU-Staaten aufessen will. Neben dieses Monster hat jemand zur Illustration »Rothschildbank« geschrieben.

Als dieser offensichtliche Fall von Antisemitismus entdeckt wurde, handelten die zuständigen Stellen schnell: Der Stuttgarter Ernst Klett Verlag zog das Buch zurück und entschuldigte sich. Ein Fall von bewusstem, politisch motiviertem und auf Provokation zielendem Antisemitismus liegt hier mit ziemlicher Sicherheit nicht vor. Aber gerade deshalb müssen wir fragen, wie es dazu kommen konnte. Denn Schulbücher sind keine schnell und nebenbei produzierten Werke.

Wer schon einmal mit der Herstellung von Lehrmaterialien beschäftigt war, weiß: Da wird jede Seite, jede Grafik, jedes Foto, jeder Textkasten diskutiert und in langwierigen Verfahren von verantwortlichen Redakteuren und kontrollierenden Kultusministerien abgenommen. Gerade für die Bebilderungen werden stets mehrere Vorschläge eingereicht und geprüft. Unbesehen rutscht nichts in ein Schulbuch.

bilder Wenn aber sowohl bewusster Judenhass als auch Unachtsamkeit als Erklärung wegfallen, dann bleibt nur dies: Es gibt anscheinend eine innere Akzeptanz. Menschen, die aufrichtig gegen Antisemitismus eintreten, schauen auf eine solche Grafik und – ihnen fällt nichts Besonderes auf. Es sind nämlich die Bilder, die von vielen Menschen bei einem Thema wie Finanzmärkte abgerufen werden. Ein verinnerlichter Antisemitismus. Tradierte Vorstellungen, die immer da sind, egal wie alt sie sind, wie oft sie schon widerlegt und kritisch behandelt wurden: Raffgierige jüdische Banken – am liebsten bekanntlich die Rothschilds – haben ganze Länder im Griff.

Dass das Schulbuch vor ein paar Jahren von Verlag und Ministerien durchgewunken wurde, ist ja nur ein Teil des Skandals. Ein anderer Teil ist, dass es so lange niemand bemerkt hat. Dies zeigt, dass wir schlicht nicht vorwärtsgekommen sind mit unseren Bemühungen um bessere Schulbücher. Wenn die entscheidenden Stellen für so etwas nicht sensibilisiert sind, haben wir in unserer Arbeit in den vergangenen Jahren nichts bewirkt. Dieser Befund ist traurig und ernüchternd.

Der Autor ist pädagogischer Mitarbeiter des Pädagogischen Instituts des Jüdischen Museums Frankfurt und des Fritz Bauer Instituts.

Verschwörungstheorie

Trump spricht von »Genozid«

Der US-Präsident liefert eine umstrittene Begründung

 12.05.2025

Internationaler Strafgerichtshof

»Er benutzte nie ein Kondom«

Gegen den Chefankläger stehen Vorwürfe des sexuellem Missbrauchs einer Untergebenen im Raum, über die das »Wall Street Journal« nun ausführlich berichtet hat

 12.05.2025

Debatte

Kritik an Linken für Antisemitismus-Definition auch von Felix Klein

Nun bemängelt auch der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus, Felix Klein, die von der Linken am Wochenende gewählte Antisemitismusdefinition. Er warnt vor Polarisierung und Spaltung

von Leticia Witte  12.05.2025

Berlin

Margot Friedländer wird auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee beerdigt

Das nichtöffentliche Begräbnis ist für Donnerstag geplant

 12.05.2025

Sergey Lagodinsky

Israel ist für mich eine Prüfung

Anlässlich des 60. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland reflektiert der Europaabgeordnete sein ganz persönliches Verhältnis zum jüdischen Staat

von Sergey Lagodinsky  12.05.2025

Kulturpolitik

Kulturrat berät künftig zu Antisemitismus

Ziel sei es, Handlungssicherheit innerhalb des Kulturbereichs zu gewinnen

 12.05.2025

Berlin

Jüdische Verbände schließen sich zu internationaler Allianz zusammen

Sie nennen sich die »JE3«-Allianz - und wollen eine gemeinsame, starke jüdische Stimme in internationalen Debatten sein. Beteiligt sind drei Organisationen aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien

von Leticia Witte  12.05.2025

Berlin

Herzog: Freilassung der Geiseln ist »Schlüssel zu allem«

Deutsch-israelisches Jubiläum im Schatten des Krieges in Gaza und Israel

von Patricia Bartos, Sascha Meyer, Ulrich Steinkohl  13.05.2025 Aktualisiert

Berlin

Spahn: »Die Linke müsste sich ändern, nicht die Union«

Die CDU lehnt koalitionsähnliche Kooperationen mit der Linken ab. Der Unionsfraktionschef sieht sich nach dem Parteitag der Partei in Chemnitz ein weites Mal bestätigt

 12.05.2025