Die Präsidentin der Technischen Universität Berlin (TU), Geraldine Rauch, steht erneut unter Druck: Ali Toprak, Vorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschland, fordert ihren Rücktritt. Rauch habe eine Veranstaltung einer jüdisch-kurdischen Fraueninitiative denunziert und damit »Vorurteile gegen die von Fundamentalisten bedrohten Minderheiten« befeuert, erklärte Toprak gegenüber dem »Tagesspiegel«.
Bereits im vergangenen Jahr hatte Rauch laut Toprak Islamisten verharmlost – nun greife sie eine Aufklärungsveranstaltung über religiöse Fanatiker an. Auch da sie 2024 einen antisemitischen Post in sozialen Medien mit einem »Like« versehen hatte, ertönten damals Rücktrittsforderungen. In einem der Einträge auf der Plattform X war ein islamistischer Marsch in der Türkei zu sehen gewesen, auf dem Israels Ministerpräsident Netanjahu mit Hakenkreuzen dargestellt wurde.
Kritik an Rauch kommt auch aus der Politik. Der Berliner SPD-Spitzenkandidat Steffen Krach bezeichnete Rauch als »Belastung für die Technische Universität und den Innovationsstandort Berlin«. Ähnlich äußerte sich der CDU-Wissenschaftspolitiker Adrian Grasse: »Damit verharmlost sie nicht nur die Gefahr islamistischer Ideologien, sondern wendet sich auch gegen Frauen, gegen Juden, gegen Kurden und distanziert sich zudem von ihrer studentischen Hochschulvertretung.«
Angebliche Muslimfeindlichkeit
Auslöser der aktuellen Debatte ist eine jüdisch-kurdische Veranstaltung des Projekts Pek Koach, die Rauch vergangene Woche kritisierte. In einer E-Mail an den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) warnte sie, dass bei der Veranstaltung »antimuslimische Ressentiments propagiert werden« könnten. »Wir möchten ausdrücklich dafür werben, die Veranstaltung, wenn sie denn wirklich stattfindet, eng zu monitoren und bei islamfeindlichen Äußerungen einzuschreiten. Gleichzeitig möchten wir uns klar von der Veranstaltung distanzieren«, heißt es in dem Schreiben von Geraldine Rauch, über das zuerst die »Welt« berichtet hatte, weiter.
Die TU Berlin wies die Vorwürfe zurück. Eine Sprecherin betonte am Montag gegenüber der »Welt«, auf dem Campus gebe es »keinen Platz für Antisemitismus, Rassismus oder andere Formen von Hass und Diskriminierung«. Zudem sei der AStA gar nicht zur Absage der Veranstaltung aufgefordert worden.
Ort der Aufklärung
Die Organisationen Pek Koach, JSB und Tacheles TU veröffentlichten eine Erklärung, in der der Universitätsleitung doppelte Standards vorgeworfen werden. Die Veranstaltungen der Gruppe »Not In Our Name TU« auf dem TU-Campus würden »trotz der wiederholten Dämonisierung Israels und der Verherrlichung des Terroranschlags vom 7. Oktober 2023 geduldet«.
Geraldine Rauch habe »offenkundig kein Interesse daran, jüdisches und kurdisches Leben auf dem Campus zu schützen«. Stattdessen trage sie »zu einem postfaktischen und autoritären Klima an der TU Berlin« bei. »Von einer Universitätsleitung erwarten wir, dass sie Debatten schützt, statt sie zu verhindern«, schreiben die drei Organisationen. »Eine Universität muss Ort der Aufklärung und des freien Denkens sein.«
Die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) kritisierte die TU Berlin ebenfalls. Deren Leitung trage zu einem problematischen Klima bei. Geraldine Rauchs Statement zur jüngsten islamismuskritischen Veranstaltung stelle ein Verhalten dar, das »einen gefährlichen Mangel an Differenzierungsfähigkeit« aufzeige und zur Legitimierung von Gruppen und Veranstaltungen beitrage, »die seit dem 7. Oktober 2023 immer wieder durch Terrorverherrlichung und antisemitische Rhetorik aufgefallen sind.«
Frei von Angst
Laut JSUD sollte Rauch von einer erneuten Kandidatur als Präsidentin der TU Berlin absehen. »Unter ihrer Verantwortung wurde ein universitäres Klima bewusst geduldet, das jüdische Studierende gefährdet und somit die Wissenschaftsfreiheit untergräbt – denn diese kann nur dort bestehen, wo Studierende frei von Angst und unabhängig von Religion oder Herkunft studieren können.«
Rauch folgte dieser Forderung nicht und kandidiert erneut für die Präsidentenwahl.
Eine Anfrage der Jüdischen Allgemeinen zur von Ali Toprak geäußerten Rücktrittsforderung hat die TU Berlin bislang nicht beantwortet. im