Terror-Bekämpfung

Israels Dilemma

Der zentrale Unterschied: Israels Armee möchte zivile Opfer vermeiden, die Hamas nimmt Zivilisten bewusst ins Visier. Foto: Flash 90

Seit Beginn des Krieges am 7. Oktober wurden bisher mehr als 1400 Israelis von der Hamas getötet, mehr als 3700 Menschen wurden bei den Angriffen verletzt und rund 200 weitere Personen in den Gaza­streifen verschleppt. Der Terror der Hamas gegen Israel hat etliche Fragen darüber aufgeworfen, wann und wie der Krieg beendet werden wird – und welchen Preis er auf beiden Seiten hat.

Das israelische Sicherheitskabinett gab am 8. Oktober bekannt, dass das Ziel der israelischen Militäroperation »die Zerstörung der militärischen und regierungstechnischen Fähigkeiten der Hamas« sei. In der vergangenen Woche hat Israel seine Bodentruppen an der Grenze zum Gazastreifen zusammengezogen, um sich auf einen Angriff vorzubereiten.

Die israelische Regierung hat noch nicht näher erläutert, was auf die Luft- und Artillerieangriffe der israelischen Verteidigungskräfte (IDF) gegen die Infrastruktur der Hamas folgen wird. Eine Bodenoffensive scheint jedoch notwendig zu sein, um das Ziel der Militäroperation zu erreichen. Es gibt allerdings einige Faktoren, die Israel bei seiner Entscheidung berücksichtigen muss, sollte man in den Gazastreifen eindringen, um das Terrorregime der Hamas zu stürzen.

Improvisierte Sprengsätze, ein Tunnelsystem und menschliche Schutzschilde

Der erste Aspekt ist, dass jede Bodenoffensive wegen der Bedingungen vor Ort viele Opfer bei der IDF fordern wird. Da sind zum einen die improvisierten Sprengsätze (IEDs), welche die Hamas in jedem Winkel und in jedem Haus platziert hat, des Weiteren ist da das Tunnelsystem unter dem Gazastreifen und schließlich die Schwierigkeit, die Hamas-Terroristen unter all den Zivilisten zu identifizieren, die sie als menschliche Schutzschilde benutzen.

Die zweite Herausforderung ist die Warnung der Hamas, dass der Einmarsch der israelischen Truppen in den Gazastreifen die gefangen gehaltenen Geiseln das Leben kosten wird. Die Terrororganisation hat bereits damit gedroht, im Falle einer Invasion jede einzelne von ihnen zu töten.

Die dritte Herausforderung ist die Tatsache, dass eine Bodenoperation den Kriegseintritt der Hisbollah und des Iran bedeuten könnte, die dann vom Libanon und Syrien aus angreifen würden. Zusätzlich zu den erwarteten Hisbollah- und iranischen Einheiten warten bereits schiitische Milizen aus dem Irak und Taliban-Kräfte im Irak und Iran darauf, sich dem Kampf anzuschließen.

Israel will die Hamas bei einer Bodenoffensive vernichten. Der Preis wird enorm hoch sein.

Die Hisbollah hat in den vergangenen Tagen mit einer Strategie der Nadelstiche Angriffe auf israelische Ziele durchgeführt. Sie feuerte mehrere Panzerabwehrraketen ab, die Opfer forderten, sowie Mörser und Raketen und startete mehrere Drohnenangriffe. All diese bisherigen Attacken dienen nur als Warnung an Israel, wozu die Hisbollah imstande wäre, sollte der jüdische Staat eine Bodenoperation im Gazastreifen starten.

Israel wird versuchen, die Truppen der Terrororganisation zu zerschlagen

Es ist schwierig, vorherzusagen, wie die nächsten Tage verlaufen werden. Israel wird versuchen, die Truppen der Hamas zu zerschlagen, deren Infrastruktur zu zerstören und die Führung der palästinensischen Terrororganisation endlich zu vernichten – mit Luftangriffen, Artillerie, einer Blockade und dem Kappen der Wasser- und Stromversorgung des Gazastreifens.

Zudem bemüht Israel sich, die Hisbollah nicht in den Krieg hineinzuziehen, indem es Warnmeldungen an den Iran und an Hisbollah-Generalsekretär Nasrallah sendet sowie Ziele der Hisbollah erst nach deren Angriffen attackiert.

Auch die Hisbollah steht vor einem Dilemma, das es vor einem umfassenden Krieg mit Israel abzuwägen gilt. Auf der einen Seite machen die Mullahs im Iran Druck. Auf der anderen Seite jedoch kann es sich Nasrallah angesichts der desolaten wirtschaftlichen Lage im Libanon, für die er verantwortlich gemacht wird, nicht leisten, Beirut und die libanesische Wirtschaft vollends zu zerstören.

Ankara will der Hamas mit humanitären Mitteln helfen

Um ein Gesamtbild der Lage zu erhalten, gilt es auch das Engagement des US-Militärs mit den Flugzeugträgern in der Region miteinzubeziehen, dann die Drohung Russlands, in den Krieg einzugreifen, falls die USA sich einmischen sollten, sowie schließlich das aktuelle Manöver der türkischen Marine in der Region, mit dem Präsident Erdogan seine Stärke demonstrieren will. Zudem hatte Ankara bereits angekündigt, der Hamas zumindest mit humanitären Mitteln zu helfen.

Wird Israel nun die groß angelegte Bodenoffensive in Gaza samt ebenso blutigem wie verlustreichem Häuserkampf starten? Die Lage in der Region ist brandgefährlich, und jeder Funke könnte einen Dritten Weltkrieg auslösen. Die kommenden Tage und die nächsten Schritte der IDF sind für den weiteren Verlauf des Konflikts, der in einen größeren Krieg münden könnte, entscheidend. Sie werden die Dimensionen dieses Konflikts und seine Auswirkungen sowohl auf die Region als auch auf die ganze Welt bestimmen.

Der Autor ist hochrangiger Geheimdienstoffizier a. D. und Senior Research Fellow am Begin-Sadat-Zentrum für Strategische Studien der Bar-Ilan-Universität.

Michael Wolffsohn

So besiegt man keine Terroristen

Israels Kraft gegen die Juden- und Palästinensermörder der Hamas zu schwächen, ist töricht

von Michael Wolffsohn  15.05.2024

Datteln (NRW)

Grundschule mit antisemitischen Parolen besprüht

Auch antisemitische und frauenfeindliche Texte wurden an die Wände geschmiert

 15.05.2024

Washington D.C.

USA planen neue Waffenlieferung an Israel

Amerika will den jüdischen Staat auch weiterhin nicht im Stich lassen

 15.05.2024

Paris

Holocaust-Gedenkstätte mit Graffiti beschmiert

Bürgermeisterin Anne Hidalgo verurteilt die Tat

 15.05.2024

Bangkok

Brisanter Antrag setzt Gaza-Konflikt auf FIFA-Agenda

Der palästinensische Verband fordert Sanktionen gegen Israel

von Florian Lütticke, Jan Mies, Sara Lemel  15.05.2024

Interview

»Unis sind keine rechtsfreien Räume«

Bettina Stark-Watzinger (FDP) über Campus-Besetzungen und Dozenten, die sich mit antisemitischen Demonstranten solidarisieren

von Detlef David Kauschke  15.05.2024

Uni Bonn

Proteste und Störaktionen bei Vortrag eines Israelis

Wie der israelische Historiker Uriel Kashi niedergebrüllt wurde - und wie er darauf reagiert

von Leticia Witte  15.05.2024

Berlin

Zentralrat der Juden: Grundgesetz ist Bollwerk gegen Menschenfeindlichkeit

Josef Schuster sieht in der Verfassung »die Grundlage für jüdisches Leben in Deutschland«

 15.05.2024

Thüringen

Erfurt bekommt ersten Stolperstein

Erinnert wird an Karl Klaar, den die Nazis 1940 ermordeten

 15.05.2024